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BaFin-Jahreskonferenz Versicherungsaufsicht 2021:

Von Tauch- und Intensivstation …

und von viel Geld. Die BaFin stellt in ihrer zehnten Versicherungsaufsichtskonferenz, die erstmals rein digital stattfindet, Regulierung und Aufsichtspraxis in den Mittelpunkt. Detlef Pohl war dabei und dokumentiert dort, wo die bAV auf der Agenda stand, für LEITERbAV Impressionen im indikativen Telegrammstil – und muss sich zuweilen etwas wundern.

 

 

BMF: auf Tauchstation in der Garantiefrage

 

Jörg Kukies, BMF, hier auf einer früheren HB-Tagung. Foto: Dietmar Gust.

+++ Jörg Kukies, StS im BMF, eröffnet mit einer Keynote +++ Höchstrechnungszins bleibt im deutschen Aufsichtsrecht erhalten +++ BMF hat am 24. März Verordnungsentwurf veröffentlicht, wonach HRZ zum 1. Januar 2022 auf 0,25% gesenkt werden soll +++ Debatte auf gutem Weg, dass dies auch so kommt +++

 

+++ Auf Diskussion um mögliche Absenkung der 100%-Beitragsgarantie in BZML und bei (bAV)-Riester, um rentierlichere Kapitalanlage zu ermöglichen, geht der StS mit keinem Wort ein +++ zur Erinnerung: Schon vor fünf Monaten auf HB-Tagung hat Kukies gemahnt, kapitalgedeckte Altersvorsorge – aus Sicht des BMF sowohl bAV als auch private Altersvorsorge – fit für die Zukunft zu machen +++

 

+++ Gefragt sind laut Kukies Antworten auf Niedrigzinsphase, wobei höhere Verbreitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge anzustreben ist +++ Politik muss dafür geeignete Rahmenbedingungen schaffen +++

 

+++ Garantien im Neugeschäft sollten Anbieter laufend überprüfen +++ LbAV-Nachfrage ob BMF Absenkung der 100%-Beitragsgarantie in BZML und bei (bAV)-Riester noch auf politische Tagesordnung setzen wird, beantwortet später in der Konferenz Eva Wimmer, Abteilungsleiterin Finanzmarktpolitik im BMF, wie folgt: Das ist „keine Regelungsmaterie“, Anbieter müssen verantwortungsvoll mit Zinssituation umgehen +++

 

BaFin I: 40 Intensivbetten belegt, Nullzins coronaverfestigt

 

Frank Grund, BaFin. Foto: Frank Beer.

+++ für Frank Grund, Chef der deutschen Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, hat Corona-Krise das Niedrigzinsumfeld verfestigt +++ Umgang damit bleibt größte Herausforderung für Lebensversicherer und Pensionskassen +++ derzeit rund 20 Lebensversicherer und etwa 40 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht +++ für Entwarnung zu früh +++

 

+++ 2020 haben rund 30 Pensionskassen finanzielle Unterstützung von ihren Trägerfirmen oder Aktionären erhalten, in der Regel auf mehrere Jahre gestreckt +++ abwarten, wie leistungsfähig die Trägerunternehmen selbst in der Corona-Krise bleiben +++

 

+++ LVU haben größeren Spielraum als EbAV, um sich des Niedrigzinsumfelds zu erwehren – vor allem im Neugeschäft auf der Produktseite +++ gemeint sind auch Produkte mit abgesenkten oder gestrichenen Garantien +++ solche kapitalschonenderen Produkte verändern Bestand aber nur schrittweise +++ in Keynote geht auch Grund nicht auf die von Experten gefordert Absenkung der 100%-Garantie auch in der bAV in Form der BZML ein, auch nicht auf Nachfrage von LbAV +++

 

BaFin II: Evolution statt Revolution

 

+++ Kay-Uwe Schaumlöffel, BaFin-Abteilungsleiter Lebensversicherung und Kapitalanlagen, räumt indirekt ein: Laufende Durchschnittsverzinsung reicht bald nicht mehr, um ohne ZZR Garantien zu bedienen +++ vollständiges Verbot von Garantien bei (bAV)-Riester würde sicherheitsbedachte Kunden ausschließen, daher wäre „mehr Flexibilität bei der Beitragsgarantie sinnvoll“, so Schaumlöffel auf Nachfrage von LbAV +++

 

+++ Solvency-II-Reform: Eiopa-Vorschläge bringen laut Grund neue Sorgen für deutsche Lebensversicherer „in Gestalt der risikofreien Zinsstrukturkurve“ +++ würde nach jetzigem Stand zu deutlich erhöhten Kapitalanforderungen führen +++ BaFin hofft auf Nachjustierungen +++ braucht keine Revolution bei Solvency II, sondern eine sinnvolle Evolution +++ BaFin setzt Aufsichtsschwerpunkte, auch in der bAV +++

 

BaFin III: Exit nur nur mit viel Geld und nachhaltiger Finanzierung

 

+++ Joachim Kobischke, BaFin-Abteilungsleiter EbAV und Krankenversicherung, umreißt Anlagevolumen von Pensionskassen und -fonds Ende 2020 mit 230 Mrd. Euro, entsprechend etwa einem Fünftel der Kapitalanlagen der LVU +++

 

+++ Prognoserechnungen der Pensionskassen vom Herbst 2020 zeigen: über 90% der Leistungsansprüche vor Verlust geschützt +++ zentraler Punkt für intensivierte Aufsicht ist Prognoserechnung, aber auch Risikotragfähigkeit, Trägerhintergrund und Anlagepolitik wichtig +++

 

+++ aus intensivierter Aufsicht kommen Kassen nur „mit viel Geld und nachhaltiger Finanzierung raus“, ergänzt Grund +++ 60 Kassen sind für Neugeschäft geschlossen, viele davon schon länger +++ liegt nicht am Gesetzgeber oder der Aufsicht, sondern ist Entscheidung der Arbeitgeber +++

 

+++ im PK-Neugeschäft werden häufig nur noch 0,25% oder gar 0% Garantiezins geboten +++ 0,25% hält BaFin derzeit für sinnvoll, auch mit Blick auf dauerhafte Erfüllbarkeit der Leistungsverpflichtungen +++

 

+++ Corona-Krise wirkt sich bei Pensionsfonds mit temporären, geringen Unterdeckungen und sehr geringen Nachschüssen von Arbeitgebern aus +++ Pensionskassen fahren wegen Corona risikoärmere Anlagepolitik, wobei die Folgen mit Verzögerung sich wie erwähnt womöglich auf Bonität der Realwirtschaft und damit Lage von Trägerunternehmen auswirken +++

 

+++ Erster Tarifvertrag zur rBZ lässt weitere Abschlüsse erwarten +++ handelt sich um erste Zulassung eines PF nur für rBZ (Anm. d. Red.: zwischenzeitlich ist auch der Metzler PF zugelassen) +++ entspricht internationalem Trend zu DC, wobei im Ausland meist keine kollektiven Elemente in DC enthalten sind +++ in Deutschland werden auch frühere Leistungszusagen zunehmend in DC geändert +++ Eiopa fährt aktuell ein Projekt „Good Practices for DC Schemes“ +++ Details zum Genehmigungsstand des Talanx/Ver.di-SPM nennt Kobischke trotz Nachfrage von LbAV nicht, man „ist noch im Dialog“ +++

 

BaFin IV: Highlights des Pressegesprächs nach der Konferenz

 

+++ Grund sieht auf nochmalige Nachfrage von LbAV keinen zwingenden Grund zum Absenken der 100%-Beitragsgarantie in der bAV und bei Riester +++ Gefahr negativer Renditen ist das eine, aber Sicherstellung aller eingezahlten Beiträge am Ende des Riester-Vertrages das andere +++ Beitragsgarantie kein vordergründiges Thema für Aufsicht, da im Moment Beitragsgarantie eben ist wie sie ist +++

 

+++ Wichtiger ist für BaFin kommende HRZ-Absenkung auf 0,25%, die man sich „schon vor zwei Jahren gewünscht hätte“ +++ Beitragsgarantie und HRZ haben „nichts miteinander zu tun“ +++ im Zweifel muss Gesetzgeber handeln +++ wiederholt: Rolle der bAV muss stärker werden, nicht schwächer +++

 

Die BaFin in Frankfurt am Main. Foto: Kai Hartmann.

Fazit von LEITERbAV: Der Umgang von Aufsicht, aber vor allem des BMF mit der Akutfrage der 100%-BZML-Garantie muss zu denken geben. „Keine Regelungsmaterie“? Ist das ernst gemeint? Und „Anbieter müssen verantwortungsvoll mit der Zinssituation umgehen“ ist zwar ein schöner und gültiger Allgemeinplatz, bleibt hier aber völlig substanzlos. Denn er hat nichts mit der Frage zu tun, wie Anbieter mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgarantie umgehen sollen, die in den gegenwärtigen Rahmenbedingungen kaum noch zu stemmen ist.

 

Die Aussage Wimmers hätte Sinn, hieße es „Beitragszusage mit HÖCHSTleistung“, denn dann könnte man verantwortungsvoll darunter bleiben (analog zum HRZ in der LV). Wir reden aber nicht von einer „Beitragszusage mit Höchstleistung“, sondern bekanntlich von einer mit MINDESTleistung. Ob dem BMF ein Blick in das Gesetz hülfe? LEITERbAV kann hier § 1 Abs 2. Nr. 2 des BetrAVG empfehlen.

 

Zum Schluss: Man könnte zwar anführen, dass es sich bei der 100%-Garantie der BZML um eine Frage handele, welche zuvorderst den Arbeitgeber und damit das BMAS betreffe. Doch da die BZML praktisch immer versicherungsförmig durchgeführt wird, betrifft dies mehr als nur mittelbar auch die Anbieter – und damit das BMF (es war nicht umsonst der GDV, der die Debatte um eine Absenkung der Garantie in der BZML und bei Riester auf 80% ins Rollen gebracht hat).

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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