Die Versicherer machen eine Großbaustelle auf: Abschaffung der Garantie der eingezahlten Beiträge bei BZML und Riester. Der Bund der Versicherten hat bereits mit schärfster Kritik reagiert – ohne selber eine Lösung zu haben. Ohnehin geht die Sache viel tiefer. Und dann vermeldet der Verband noch eine Personalie, die schmunzeln lässt.
„Künftig sollen Produkte mit einer einheitlichen gesetzlichen Mindestgarantie von 80% der Beiträge in der bAV/BZML und 80% der Beiträge und Zulagen bei Riester-Renten jeweils zu Rentenbeginn zum Einsatz kommen können.“
Das ist wörtlich die jüngste Position, welche die Gremien des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft beschlossen haben und mit der man sich künftig aktiv für die Absenkung der Bruttobeitragsgarantie in der bAV und bei Riester-Renten einsetzen wird
Zur Unterfütterung der neuen Position hat man ein zweiseitiges Papier erstellt. „Dieses setzt die Leitplanken für die diesbezügliche Verbandsarbeit und kann auch direkt in der Kommunikation mit Politikern, Ministerien, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Journalisten eingesetzt werden,“ heisst es in dem Papier, das der Redaktion vorliegt. Im Kern der Argumentation liegt wenig überraschend die Tatsache, dass der EZB-Niedrigzins die Anlageflexibilität zu sehr einschränkt, um der Lage gerecht zu werden.
Das Papier bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung, den Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung auf 0,5 Prozent zum 1. Januar 2021 zu senken.
Da kommen dann die Kosten ins Spiel, Zitat:
„Mit den Beiträgen müssen neben den zugesagten, garantierten Leistungen die Kosten für den Abschluss des Vertrags und den Versicherungsbetrieb sowie für den Risikoschutz finanziert werden.“
Betreffend die bAV betont der GDV, dass es bisher zwar keine höchstrichterliche Entscheidung gebe, ob und wieweit in den Zusageformen eine Einstandspflicht des Arbeitgebers besteht,wenn zu Rentenbeginn weniger als die eingezahlten Beiträge zur Verrentung oder Einmalzahlung zur Verfügung stehen. Gleichwohl:
„Für die rechtssichere, mittelbare Durchführung der bAV sollten Arbeitgeber in der Beitragszusage mit Mindestleistung auch Produkte ohne Bruttobeitragsgarantie verwenden können.“
Man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, wo der Hund begraben liegt: Die Versicherer müssen im Geschäft bleiben, und das würde bei 0,5 Prozent Rechnungszins und 100% Garantie schwierig.
Man beachte, dass sich der GDV nicht für eine einfache Lockerung der Anlageverordnung einsetzt (die übrigens sicher auch nötig wäre), sondern die Garantie an sich anfasst. Es geht also nicht nur um das Asset Management, sondern um die Grundsatzfrage an sich. Denn die Sache geht tiefer:
Wenn ein professioneller Versicherer schon sich außerstande sieht, angesichts der Lage an den Märkten die Garantien in der gegenwärtigen bAV zu bewerkstelligen, wie soll das dann der am Ende haftende Arbeitgeber – der in seinem Kerngeschäft tagtäglich völlig andere Herausforderung zu bewältigen hat, als sich um Garantien für seine kommenden Betriebsrentner zu kümmern? Es geht also nicht nur darum, ob die Versicherer im Geschäft bleiben, sondern wie es in dem Dreieck Niedrigzins-Arbeitgeber-bAV überhaupt weitergehen soll. Der Autor dieser Zeilen spricht von der deutschen bAV, wie wir sie kennen, angesichts der Ungunst der Verhältnisse jedenfalls schon seit Jahren von einem Run-off-System.
Doch abseits der grundsätzlichen Fragen stellen sich nach dem GDV-Vorstoß – der sicher eine neue Großbaustelle in der Dauerbaustelle bAV aufmachte – auch deren technische. Vor allem: Derzeit dient das Neugeschäft, das zu relativ niedrigem Garantiezins reinkommt, auch dazu, in den Beständen, in denen es auch noch viele Verträge mit hohem Garantiezins gibt, die interne Zinsanforderung zu senken (ob dies eine Quersubventionierung darstellt, darüber kann man streiten). Dieser Effekt würde jedoch vermutlich bei getrennten Abrechnungsbeständen infolge unterschiedlicher Mindestgarantien entfallen müssen.
Die Beitragsgarantie in der bAV ist jedenfalls schon seit langem ein leidiges Thema geworden. Mit dem Sozialpartnermodell soll sie bekanntlich ganz abgeschafft werden. Ob sie in der BOLZ auch unterhalb der eingezahlten Beiträge liegen darf, ist zumindest strittig (s. bspw. die Position von RA Peter Doetsch hier).
Kleinlein: Nur noch Verluste garantiert
Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) beschränkt sich in seiner Replik auf den GDV-Vorstoß nur auf das Thema Riester und spricht die bAV nicht an. Die Wortwahl ist dafür umso drastischer:
„Das ist eine Bankrotterklärung der Versicherungswirtschaft“, lässt sich Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV und selbst Aktuar, zitieren. Er befürchtet außerdem steigende Kosten. So könne eine 80%-Garantie bei einem Rechnungszins von 0,5% zu viermal höheren Abschlusskosten im Vergleich zur ursprünglichen Riester-Kalkulation führen.
„Mit einer Senkung des garantierten Beitragserhalts wird nur noch ein Verlust garantiert“, führt Kleinlein aus, und „die desolate Lage der Lebensversicherer gibt derzeit keine Hoffnung auf nennenswerte Überschüsse“.
Eine Lösung bietet Kleinlein nicht an, eher eine Ultima Ratio:
„Wenn die Versicherer selbst die Riester-Rente nicht mehr beherrschen, dann ist es an der Zeit, dass sie sich aus der Altersvorsorge insgesamt zurückziehen.“
Ob das hülfe? Oben ist ja ausgeführt worden, dass es sich hier nicht um eine Frage handelt, welche die Assekuranz – abseits aller im Einzelnen hausgemachten Probleme bspw. bei den Kosten – isoliert betrifft. Im Gegenteil sei wiederholt: Wenn schon Versicherer in dieser Gemengelage keine Möglichkeit sehen, Altersvorsorge zu gestalten, wer denn dann?
Ausgerechnet Asmussen
Zu der Angelegenheit passt eine Personalie, die der Verband jüngst vermeldet hat:
Das GDV-Präsidium hat den 53jährigen Volkswirt Jörg Asmussen zum 1. April in die Geschäftsführung des GDV berufen. Daneben wird er zum 1. Oktober zum Vorsitzenden der Geschäftsführung und zum geschäftsführenden Präsidiumsmitglied des GDV bestellt.
Asmussen folgt auf den wahrhaft langgedienten Jörg von Fürstenwerth, der nach fast 25 Jahren in der Verantwortung nun mit 66 Jahren aus den Diensten des Gesamtverbandes ausscheiden wird.
Asmussen ist rumgekommen in den letzten Jahren. Er wechselt nun von Lazard zum GDV. Vor seiner Zeit bei Lazard war Asmussen StS im BMAS, zuvor Mitglied im EZB-Direktorium und davor StS im BMF, wo er fünf Jahre Abteilungsleiter Finanzmärkte und Finanzdienstleistungen war.
Der Zündholzlieferant?
Im Zuge der Finanzkrise geriet Asmussen mit Blick auf seine möglichen Rolle als einer ihrer Wegbetreiber in Deutschland in die Kritik, u.a. im Zuge seiner Funktion als Aufsichtsrat der IKB, die bekanntlich als eines der ersten Institute ins Wanken kam.
Das Gedächtnis der Menschen ist kurz, das des Internets länger. Die seinerzeitige, aber bis heute verfügbare Berichterstattung zu Asmussen sparte jedenfalls nicht mit mit feurig-bildlichem Vokabular, bei Heise verglich man seine damaligen Aufsätze mit einer „Anleitung zur Brandstiftung“, die Süddeutsche Zeitung sprach wenig schmeichelhaft vom „Zündholzlieferanten“. Die Kritik findet sich zusammengefasst selbst in seinem Wikipedia-Eintrag.
Seiner Karriere konnte all das nichts anhaben. Damals nicht und heute nicht (wenn auch – bei allem Respekt – der GDV-Chefposten für einen Ex-StS und Ex-EZB-Direktor nicht gerade eine Beförderung ist).
Doch dass nun einer der möglichen Wegbereiter der Finanzkrise in Deutschland und zweifelsohne einer der konsequentesten Vertreter und Exekutoren der Niedrigzinspolitik, die nicht zuletzt die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge und damit die Versicherungswirtschaft erheblich beeinträchtigt hat und vermutlich noch viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte beeinträchtigen wird, nun ausgerechnet Chefgeschäftsführer des GDV wird, das entbehrt nun wirklich nicht einer gewissen Ironie. „Ausgerechnet Asmussen“ – die alte Assonanz drängt sich auf.
Honi soit qui mal y pense
Oder ist der Hintergrund ein ganz pragmatischer, der den GDV über die Vergangenheit Asmussens hinwegsehen lässt? Man ist geneigt zu glauben, dass die Versicherungswirtschaft angesichts der prekären Lage zu der Überzeugung gekommen sein könnte, in ihrer Geschäftsführung künftig Leute mit guten Altbeziehungen zur Politik brauchen zu können – oder gar dringend nötig zu haben. Die Deutsche Bank hat ja gerade gezeigt, dass sie in ihrem AR auf so etwas Wert legt bzw. legen muss, indem sie einen völlig geschäfts- und bankfernen Altpolitiker verpflichtet hat). Überraschen würde das jedenfalls nicht.