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Der Bundestag wolle beschließen:

Von Basis, Grund und Heil

Die SPD hat mit einem taktisch nicht ungeschickten Schachzug, den man ihr in ihrer Agonie kaum noch zugetraut hätte, die Idee der Grundrente in die politische Diskussion eingebracht. Sich dagegen zu positionieren, könnte beim Wahlvolk als knausrig und kalt empfunden werden. Die FDP hat es vorgestern daher statt mit blanker Ablehnung mit einem Alternativvorschlag versucht. Auch die Wirkung auf die bAV wäre eine andere.

 

Hubertus Heils Grundrente beherrscht die Schlagzeilen dieser Tage. Nicht zu Unrecht – denn das Konzept ist so ausgelegt, dass eine ablehnende Haltung in der Fachwelt zwar gut begründbar wäre, abseits dessen aber schnell in die politische Defensive führen könnte.

 

Man kann daher davon ausgehen, dass die Union den sequentiell-spieltheoretisch einfacheren Weg gehen und den Zug der SPD nachziehen, also dem Konzept im Prinzip zustimmen wird. Wie berichtet, hat NRW-Minister Karl-Josef Laumann bereits Sympathie für die Idee bekundet. Insofern hat die Grundrente durchaus gute Chancen, zeitnah Realität zu werden.

 

FDP will an der Grundsicherung ansetzen

 

Johannes Vogel, FDP, hier auf der 19. Handelsblatt Jahrestagung bAV im März 2018. Foto: Unger / Euroforum.

Angesichts dieser Ausgangslage hat die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag – vorneweg ihr rentenpolitischer Sprecher Johannes Vogel – gestern mit dem Antrag 19/769 einen Alternativvorschlag vorgelegt. Die Freidemokraten wollen mit einer sogenannten „Basis-Rente“ Altersarmut zielgenau bekämpfen. Dazu sollen unter anderem Einkünfte aus privater und betrieblicher Vorsorge beim Bezug von Grundsicherung im Alter noch weitgehender als bisher nur zum Teil auf diese angerechnet werden. Das beträfe nach dem BRSG insbesondere die Kapital-Lebensversicherung.

 

Die FDP fordert außerdem, dass künftig auch Leistungen aus der gesetzlichen Rente nicht vollständig auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Dazu soll eine „echte Basis-Rente“ eingeführt werden: Je höher die erworbenen Ansprüche, desto mehr sollte der Einzelne auch davon behalten dürfen. Ein anrechnungsfreier Anteil in Höhe von 20 Prozent der Ansprüche aus der gesetzlichen Rente würde genau dies leisten, so die Liberalen. Bei einem Rentenanspruch von zum Beispiel 500 Euro ergäbe sich somit ein Einkommenssprung von 100 Euro monatlich. Bei einem höheren Anspruch von beispielsweise 830 Euro beliefe sich die Basis-Rente dann sogar auf rund 1.000 Euro, rechnet die Fraktion vor.

 

Das Bekenntnis in dem Antrag der FDP, dass „der Respekt vor der Lebensleistung der Bürgerinnen und Bürger, ihren jeweiligen Beiträgen zur Rentenversicherung und ihrem Eigentum stets zu wahren“ ist, zeigt, dass sich die Liberalen dem verminten Gelände, in dem sie sich bewegen, durchaus bewusst sind. Weiter heißt es in dem Antrag:

 

Es muss die Formel gelten: Wer gearbeitet und vorgesorgt hat, soll im Alter mehr haben als derjenige, der das nicht getan hat und somit mehr als die Grundsicherung.

Es ist ungerecht, wenn sich geleistete Vorsorge nicht auswirkt und keinen Abstand zur Grundsicherung im Alter schafft. Zudem verbieten sich pauschale Aufwertungen von Rentenansprüchen, ohne dass diesen adäquate Beitragszahlungen gegenüber stehen – das ist nicht nur eine bewährte Grundlage der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland, sondern auch ein Gebot der Leistungsgerechtigkeit.“

 

Wer die Kopplung von Sonderzahlungen an eine bestimmte Zahl von Beitragsjahren vorschlage, der schaffe Beitragszahlerinnen und -zahler erster und zweiter Klasse, so die FDP weiter.

 

Kritik üben die Liberalen auch daran, dass ohne Prüfung des tatsächlichen Bedarfs und bei Vorliegen von Vermögen die Heilsche Grundrente gezahlt werden soll – und das, obwohl dies klassischerweise ihre eigene Wählerklientel eher betreffen dürfte als die der Sozialdemokraten, die jedoch in ihrem „unterschiedslos Freibier für viele“-Modus sich darum explizit nicht scheren wollen.

 

Die FDP fordert dagegen, eine einmalige Bedarfsprüfung zu erhalten, jedoch ohne Zugriff auf Einkommen der Kinder und mit einem angemessenen Schonvermögen. Die Beantragung der neuen Basis-Rente und somit die Auszahlung von gesetzlicher Rente und Grundsicherung im Alter solle unter dem Dach der DRV zusammengeführt werden, heißt es in dem Antrag weiter.

 

Unterschiedliche Folgen für die bAV

 

Besonders die Heilsche Grundrente würde in der bAV die Ausgangslage massiv verändern. Wie in der Presseschau zur letzten Woche bereits erläutert, darf nicht übersehen werden, dass die Grundrente – koste sie, was sie wolle – die Frage aufwirft, ob wir bAV bei Geringverdienern dann überhaupt noch benötigen? Das, was das BRSG verzweifelt zu erreichen sucht, nämlich die bAV eben in dem schwierigen Umfeld zu verbreiten, wo dann ja eben die Grundrente für Abhilfe sorgte, stünde dann gar nicht mehr drängend auf der Tagesordnung? Und Politik, Stakeholder und Arbeitgeber könnten sich wieder auf die althergebrachte Aufgabe konzentrieren, bAV dort zu verbreiten, wo sie gut umsetzbar ist und von den Betreffenden auch wertgeschätzt wird – Chemie, Metall, Großindustrie etc…? Beispielsweise den 6a reformieren, die rein arbeitgeberfinanzierte Direktzusage ohne Beitragsgarantie einführen und die Doppelverbeitragung abmildern: All das könnte sehr viel Bewegung in die bAV-Verbreitung bringen – nur eben kaum bei Geringverdienern in KMU (und wäre dort auch nicht mehr so dringend nötig wie bisher).

 

Die Gemengelage bleibe jedoch bei dem Vorschlag der FDP eine andere. Da diese – ordnungspolitisch anständiger und in der Tat zielgenauer – an der Anrechnung zur Grundsicherung ansetzt, bliebe die drängende Notwendigkeit von bAV bei Geringverdienern unverändert bestehen.

 

Richtig gut klingt das nicht

 

Der Ball liegt nun bei der Union, und wenn sie nicht will, dass Heil und die SPD sich nun landauf, landab als exklusive Retter der Kleinrentner präsentieren, muss sie schnell auf den Grundrenten-Zug aufspringen. Wie oben erwähnt, ist dieses einfache Nachziehen der Union wahrscheinlicher, als dass sie sich außerhalb der Koalition den FDP-Vorschlag zu eigen macht (auszuschließen ist freilich auch das nicht).

 

Stellt sich zum Schluss die Frage, wie die ganzen ungeborenen neuen Rentenkinder denn nun heißen sollen. Zwei, die schon das Licht der Welt erblickt haben – freilich mit signifikanten Gedeihverzögerungen – haben die kleine, sprachlich unfeine Tradition begründet, den (vermeintlichen) Urheber zum Namensgeber zu machen.

 

Das bedeutet vor allem, dass der Begriff der „Basis-Rente“, den die FDP hier für ihr Modell ins Spiel bringt, eigentlich für das vergeben ist, was im Volksmund Rürup-Rente heißt.

 

Hubertus Heil, BMAS.

Folgte man also der – vom Autor dieser Zeilen stets als eitel und aufgesetzt empfundenen Systematik der Benennung nach einem vermeintlichen Urheber – müsste man nach Riester-Rente, Rürup-Rente und zuweilen auch Nahles-Rente bei dem Modell der FDP also von „Vogel-Rente“ sprechen. Wem das nicht elegant genug klingt, der bedenke, dass des Arbeitsministers Grundrente dann ja unter „Heil-Rente“ zu firmieren hätte. Wirklich gut klingt das in einer Bundesrepublik Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts, in der sich ein Gutteil des öffentlichen Diskurses um politisch korrekte Sprache dreht, auch nicht unbedingt.

 

Der Autor hat gleichwohl damit gerechnet, dass es wohl nicht lange dauern werde, bis in den ersten Massenmedien der Begriff der Heil-Rente auftaucht – und die linguistische Dynamik glatt unterschätzt. Denn kurzes googlen zeigt: Er ist schon in der Welt.

 

Der Antrag der FDP-Fraktion findet sich hier.

 

UPDATE: Wie der Deutsche Bundestag heute vermeldet, hat auch die AfD-Fraktion einen diesbezüglichen Antrag eingebracht. Die Alternative fordert eine teilweise Anrechnungsfreistellung der gesetzlichen Renten und der Erwerbsminderungsrenten im SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch). Mindestens 15 Prozent der Rentenzahlbeträge sollen nach den Vorstellungen der AfD nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Außerdem soll, falls eine zusätzliche Altersvorsorge besteht und für diese bereits Freibeträge gewährt werden, eine Anrechnungsfreistellung von Renten und zusätzlicher Altersvorsorge insgesamt nur bis zur Höhe des halben Regelbedarfssatzes erfolgen, schreibt die Fraktion. Da zeitnah keine wesentliche Erhöhung der Bestandsrenten zu erwarten sei, könne eine angemessene Freistellung der Altersrenten bei der Grundsicherung Altersarmut gezielt entgegenwirken, heißt es in dem Antrag 19/7724.

 

Der Antrag der AfD-Fraktion findet sich hier.

 

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