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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

HB-bAV-Tagung (IV):

Von Bäuchen, Gefühlen und Fronten

PI-Autor Detlef Pohl dokumentiert heute erneut Teile des jüngst in Berlin geführten Fachaustausches zum Sozialpartnermodell: von wem bei Uniper die Änderungsimpulse gekommen sind, wo Win-Win-Win gilt, wer was offiziell totschweigt, wo es das Obligatorium quasi schon gibt, was Zukunftsmusik bleibt und: Wie legt wohl eine Gewerkschaft ihre Streikkassen an?

Heute also auf PENSIONSINDUSTRIES erneut Berichterstattung zu Lage und Perspektive der Sozialpartnermodelle wegen der Inhaltsdichte erneut im schnellen PI-Stakkato (und wie stets sämtlich im Indikativ der Referenten):

Metzler: Andocken leicht gemacht

Christian Pauly, Generalbevollmächtigter des Metzler Sozialpartner Pensionsfonds, sieht die SPM-Nachfrage für sein Haus ungebrochen:

+++ bisher 16 Trägerunternehmen und über 2.400 Versorgungsverhältnisse im PF (Nettorendite 2023: 7,7%) +++ breite Mischung von Nutzern über alle Altersgruppen, insb. aber zwischen 30 und 39 +++

+++ SPM allgemein bietet Win-Win-Win +++ für Arbeitgeber: Fachkräftebindung, keine Garantie, keine Haftung +++ für Arbeitnehmer und Gewerkschaft: Zusatzrente, AG-Zuschuss, hohe Startrente +++ für Politik: mehr bAV-Durchdringung, Bildung großer Kollektive +++

Christian Pauly, Metzler, auf der Handelsblatt bAV-Tagung. Foto: HB, Dietmar Gust.

+++ je nach Perspektive aber auch denkbare Hürden aus Sicht von AG-Verbänden: operativer Aufwand, eigene Erfahrungen mit Tarifverträgen, Mindestanzahl an Arbeitnehmern, bestehende bAV-Regelungen, Wettbewerbsbefürchtungen bei schlechter Performance +++ und aus Gewerkschaftssicht: Garantie vs. alternative Sicherungsinstrumente, zu niedrige AG-Förderung, Impuls vom AG +++ und aus Sicht der Politik: Einschlägigkeit, fehlerhafte Durchführung und Steuerung, zu langsame flächendeckende Verbreitung +++

+++ Uniper: hier damals Änderungsimpuls von Arbeitnehmern gekommen +++ „Metzler-Ansatz“ zum Andocken weiterer Unternehmen: eigene Beitragslogik +++ gemeint: Man gibt Stichworte vor zu AG-Grundbeitrag, Entgeltumwandlung, AG-Zuschuss zu Entgeltumwandlung (15%), Matching-Beitrag sowie grundsätzlich 4,0% Sicherungsbeitrag und 3,0% Kostenbeitrag +++ Sozialpartner füllen dies dann mit konkreten Zahlen durch TV-Verhandlungen, um individuelle Beiträge zu finanzieren, etwa Beitragshöhe, Beitragsstruktur, Definition beitragsfähiger Bezüge, Öffnung für zusätzliche Beitragsvereinbarungen auf betrieblicher Ebene (z.B. zur Einbindung von nicht tarifgebundenen AN und Leitenden Angestellten) +++

Uniper, Ver.di, IGBCE und zwei AG-Verbände haben einen unternehmensbezogenen Verbandstarif geschaffen.“

+++ in BRSG 2.0 angedachte Erleichterungen zum Andocken an bestehende SPM kommen nun ja vorläufig nicht +++ gilt sowohl für vorhandenen Andock-TV als auch ohne Andock-TV +++ flexibles Andocken aber auch nach aktueller Rechtslage möglich +++ Beispiel Branchen-bAV-TV der Bodenverkehrsdienste (Allgemeinverbindlichkeit als Nächstes angestrebt) +++ Start am 1. Februar 2025 von Sozialpartnern VKA (kommunale Arbeitgeber) und ABL (private Dienstleister) sowie ver.di im Metzler Sozialpartner-PF +++

+++ Metzler hat frühzeitig gesonderten Pensionsfonds für SPM eingerichtet +++ über Metzler Sozialpartner Pensionsfonds haben Uniper, Ver.di, IGBCE und zwei AG-Verbände für SPM „unternehmensbezogenen Verbandstarif“ geschaffen +++

R+V: die Frage des Wechselns

Das SPM wird als Baustein der Chemie-Gesamtversorgung einen festen Platz in neuen, vom AG finanzierten Versorgungsplänen bekommen, ist Heiko Sturm überzeugt, Bereichsleiter Benefit Consulting der R+V, die auch das Chemieversorgungswerk mit dem Pensionsfonds und das Chemie-SPM mitverantwortet:

+++ im SPM über Chemie-PF seit 2. November 2022 rund 90 Firmen mit aktuell über 3.000 Teilnehmern beigetreten, vorwiegend neue Chemie-AN und Azubis +++ klingt wenig, im Chemie-PF abseits des SPM 120.000 Versicherte von rund 700 Unternehmen der Chemie, Glas/Keramik und Papier; große Chemie-Konzerne haben eigene Versorgungswerke +++ beim SPM nun Ausweitung auf Unternehmen mit Haus-TV und weitere Branchen +++

Heiko Sturm, R+V. Foto: Dietmar Gust/Handelsblatt.

+++ dynamisches Anlagekonzept soll Vielzahl an möglichen Marktdynamiken gleichgut beherrschen +++ dynamische Aktiensteuerung als zentrale Komponente, um auf verschiedene Marktszenarien reagieren zu können +++ Aktienanteil durch Abstimmung auf ein Risiko-Rendite-Profil im SPM vorgegeben +++ Diversifikation im Aktienportfolio durch Streuung über Länder, Branchen und Faktoren +++ Strategien im Rentenportfolio: Kombination aus aktiver Rentenstrategie gepaart mit quantitativer Zinsstrategie diversifizierter Stile +++ Risikobudget: Fokus in turbulenten Marktphasen auf Wertstabilisierung und Werterhalt +++

+++ Bausteine im Anlagekonzept aufeinander abgestimmt +++ Aktienquote startet jährlich bei 40% und wird dynamisch gesteuert zwischen 10% und 80% +++ Wertsicherung: Umschichtung i.d.R. alle 14 Tage (Risikobudget aus Erfahrung mit Chemie-PF: 8%), aber auch täglich möglich, wenn Risikobudget ausgeschöpft +++ Kosteneffizienz durch Vermeidung von Transaktionskosten, Einsatz effizienter Marktinstrumente und Skalierbarkeit +++ aktive Rentenstrategie mit disziplinierter Selektion und Positionierung, robustem Cashflow-Profil durch laufende Erträge und Fokus auf hohe Ratingqualität +++


+++ Zielrendite: 4% +++ PF für Anlage und Risikostreuung optimal, aber auch neues Angebot über Höchster Penka eine Überlegung wert (gleiche Anlagerichtlinien) +++ im SPM Wechsel zwischen PF und PK wegen fehlender Portabilität nicht empfehlenswert +++ Wechsel innerhalb Chemie-PF zum SPM prinzipiell möglich, aber nur, wenn AG und AN es wollen +++ Wechsel in SPM nicht unproblematisch, da frei gewordenes Deckungskapital als Einmalanlage zu tätigen ist, was bei schlechten Kursen von Nachteil wäre +++ Rückweg zum Chemie-PF nach Wechsel zu SPM versperrt +++

Dick: Ohne Faktenkenntnis ausgebremst

Überlegungen zum SPM der Metaller in Baden-Württemberg sind schon seit 2018 mit großem Elan geführt worden, da beide Sozialpartner dies als „sehr lohnenswertes Modell“ ansehen, ruft Peer-Michael Dick, ehemaliger Hauptgeschäftsführer des AG-Verbandes Südwestmetall, in Erinnerung:

+++ Projekt durch Gewerkschaftstag der IG Metall im Herbst 2023 jäh gestoppt +++ O-Ton damals: „Modelle der rBZ, die die Unternehmen vom Haftungsrisiko entlasten, auf Garantien verzichten und das Risiko auf Beschäftige und Betriebsrentner übertragen, lehnen wir ab“ +++ Eindruck: war Bauchentscheidung nach dem Motto: Gewerkschafter geht nicht an Kapitalmarkt („Zockerrente“) +++ man fragt sich, wie IG Metall Gelder ihrer prall gefüllten Streikkassen anlegen, vermutlich z.T. auch am Kapitalmarkt +++

Die Fronten weichen zumindest inoffiziell ganz langsam auf.“

+++ Gegenentwurf der IG-Metall-Spitze: „Soli-Rente Plus“, also mehr freiwillige Beiträge in die gRV +++ Konzept aber von Arbeitsminister Heil (SPD) abgelehnt, auch von maßgeblichen Experten +++ trotzdem wird Thema SPM von IG-Metall-Vorstand offiziell totgeschwiegen +++

Peer-Michael Dick, ex-Suüwestmetall. Foto: Dietmar Gust/Handelsblatt.

+++ aber: Fronten weichen nach zahlreichen Einzelgesprächen 2024 zumindest inoffiziell ganz langsam auf +++ viel zu geringe vorherige Aufklärung der Abstimmenden auf Gewerkschaftstag im Herbst 2023 weicht Faktenlage mit Vorteilen eines SPM +++ ALM-Studie belegt sehr gute Ergebnisse bei geringstem Risiko: über 50% höhere Startrente als bei Direktversicherungen bei sonst gleichen Voraussetzungen +++ wertstabiler als etwa BZML oder boLZ, heißt es im Abschlussbericht der IGM BW – und das bereits bei Kollektiv von 50.000 Versicherten mit jährlichem Zuwachs von 5.000 Versicherten +++ äußerst niedrige Wahrscheinlichkeit, dass Renten abgesenkt werden müssen: theoretisch alle 400 Jahre laut Simulation von WTW +++ selbst im Absenkungsfall Rente immer noch deutlich oberhalb Startrente +++ wir hätten das Beste anbieten können, was der Markt derzeit hergibt, daher Beschlüsse des Gewerkschaftstages in keiner Weise nachvollziehbar +++ Zeit, die Entscheidung zugunsten der AN zu korrigieren +++

Diskussion II: Wie geht es nun weiter?

Das SPM bleibt der wichtigste Trend, aber aber es sind auch andere Formen der bAV nötig, betont Elvira Wittke, Tarifjuristin der IGBCE:

+++ Chemie hat quasi schon Obligatorium in der bAV (Chemieversorgungswerk) +++ andere Branchen im Bereich IGBCE noch mit zu wenig bAV (aktuell Tarifverhandlungen in Papierindustrie) +++ Obligatorium sozialpolitisch ok, aber nur mit ausreichend hohem AG-Beitrag +++ Wechsel innerhalb des Bestandes bei SPM arbeitsrechtlich genau anzuschauen, um Nachteile zu vermeiden +++ mehr SPM-Beteiligung und Andocken würde Versorgungslücken verringern +++

Metzlers Christian Pauly hält die rBZ für effizienter als die traditionelle bAV:

Moderator Georg Thurnes, Thurnes bAV, mit Christoph Quiring, Fidelity, Elvira Wittke, IBGCE, Christian Pauly, Metzler und Peer-Michael Dick, ex-Südwestmetall (v.l.n.r.). Foto: Dietmar Gust/HB.

+++ auch Lebenszyklusmodelle bedeuten unterm Strich zu viel Renditeminderung +++ freiwilliger Wechsel von alter bAV zu SPM vernünftig und machbar (außer Past-Service) +++ Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen sinnvoll, würde mehr SPM-Zulauf bringen +++ Hintergrund: Laut Gesetz können nicht-tarifgebundene AG und AN die Anwendung einer einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren (§ 24 BetrAVG); einschlägig ist TV dann, wenn er auch für Nicht-tarifgebundene räumlich, zeitlich, fachlich und persönlich anwendbar wäre, was juristisch sehr eng gefasst ist und SPM-Verbreitung hemmt +++ BRSG 2.0 hätte da Erweiterung geschaffen: SPM grundsätzlich auch für diejenigen zugänglich, die in satzungsmäßigen Organisationsbereich eines der beteiligten Sozialpartner fallen +++ das bleibt nun erst mal Zukunftsmusik +++

Ex-HGF Peer-Michael Dick plädiert für die Freiwilligkeit der bAV auch in der Zukunft:

+++ Stellenwert wird auch wegen Fachkräftemandel zunehmen +++ als Bestandteil der Gesamtvergütung ist SPM auch für AG lukrativ wegen Kostenvorteilen, aber auch wegen sozialpolitischer Wirkung guter Zusatzrenten für AN +++

Fidelitys Christof Quiring hält höhere Arbeitgeberbeiträge für nötig:

+++ bei SPM könnten neben Unversorgten und neuen MA auch weitere Bestandsmitarbeiter gewonnen werden (nur Future-Service) +++ AG-Startbeitrag, etwa 1,75% beim BVV, eigentlich zu niedrig +++ international eher 8% üblich, um auf nennenswerte Betriebsrente zu kommen +++ Umschwenken von DC-Plänen zurück zu DB, wie im Ausland teils zu beobachten, ist übertriebene Hoffnung +++ außerhalb des SPM kommt beitragsbezogene Zusage in wertpapiergebundener Form der rBZ am nächsten +++ selbst beitragsbezogene Zusagen mit versicherungsförmigen Rückdeckungen zu wenig flexibel und nicht renditestark genug +++

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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