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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

HB-bAV-Tagung (III):

Not born to be wild

Die spannendsten Entwicklungen der bAV vollziehen sich aktuell weiter auf der SPM-Ebene. Um zu berichten, wie die Entwicklung trotz des absehbaren Stopps des BRSG 2.0 in der Praxis verläuft, hat PI-Autor Detlef Pohl erneut Teile der jüngst in Berlin geführten Diskussionen dokumentiert: wer nun seine globale Pensions-Strategie auch in Deutschland umsetzen kann, wie man die Kosten gering halten will, wer wann welches Matching leistet, wer nicht viele SPM-Anbieter erwartet und mehr …

Just erst hat Metzler das Andocken der Bodenabfertigungsdienstleister im Luftverkehr an das Uniper-SPM vermeldet. Dass rund 13.000 bislang meist Unversorgte ab 1. Februar 2025 in den Genuss potentiell renditestarker bAV über den Metzler Sozialpartner Pensionsfonds kommen, zeigt: Es tut sich also auch was in der deutschen bAV – auch ohne BRSG II, und das speziell beim Sozialpartnermodell.

Das haben auch die Diskussionsrunden und Vorträge auf der diesjährigen Handelsblatt-Tagung bAV gezeigt, wo es nicht nur um Politik und Gesetzgebung ging, sondern wie heute auf PENSIONSINDUSTRIES dokumentiert wird, auch und vor allem um Lage und Perspektive im Sektor SPM (wegen der Inhaltsdichte erneut im schnellen PI-Stakkato und wie stets sämtlich im Indikativ der Referenten):

Diskussion I: die Chemiker und ihre Zielrente vor dem Start

Den Auftakt machen die Protagonisten der Zielrente Chemie, die zum 1. Dezember 2024 startet. Stefanie Rhein, für soziale Sicherung beim Chemie-AG-Verband BAVC zuständig, sieht in erster PK-Lösung der rBZ keine Konkurrenz zum Chemie-PF:

+++ bewusst keine Beschränkungen gewollt, sondern mehrere Optionen für MA +++ regulierte PK auch interessant, zumal bei rBZ in Kapitalanlage keine größeren Restriktionen als mit PF +++ alte Leistungen aus Chemie-PF laufen weiter, rBZ tritt hinzu +++ gleiche Ansätze wie beim ersten Produkt über den Chemie-PF: bei über 125% Kapitaldeckungsgrad Rentenerhöhung, bei unter 100% -absenkung +++

Bestandsablösungen sind kaum zu erwarten.“

Der Verzicht auf Garantien ist für die Gewerkschaft kein Hinderungsgrund, betont Elvira Wittke, Tarifjuristin der IGBCE:

+++ Ablösung alter bAV-Zusagen durch SPM mit hohen arbeitsrechtlichen Hürden verbunden, daher kaum Bestandsablösungen zu erwarten +++ viele Garantieprodukte beim SPM-Start 2022 wegen Niedrigzins gar nicht mehr im Angebot (BZML) +++ höhere Renditechancen sollen insb. zu hohen Startrenten bei Mitgliedern, überwiegend Schichtarbeitnehmern, führen; werden als besonders attraktiv empfunden +++ daher wesentlicher Schwerpunkt auch auf Auswahl geeigneten Kapitalanlagepartners gelegt +++

+++ Einfluss über Steuerungsausschuss schon seit 2 Jahren bei PF, nun im Dezember 2024 Gremienbeschlüsse auch zur Steuerung der PK-Lösung +++ 5% Sicherungsbeitrag vorgegeben +++ kommt nur in Rentenphase zum Einsatz, um Rentenabsenkungen unterhalb einer Höhe von 70% der individuellen Startrente abzupuffern +++ bei rBZ sind mindestens 30% höhere Startrenten als bei Systemen mit 100%-Garantie zu erwarten +++

Keine wilde Kapitalanlage ist zu erwarten, betont Jürgen Rings, Vorstandsvorsitzender der Höchster Pensionskasse:

+++ sach-logischer Start mit PF war richtig, nun weitere Option mit PK sinnvoll +++ bei Kapitalanlage gänzlich neuer Ansatz, da rBZ komplett anderem aufsichtsrechtlichen Regime unterliegt als Garantieprodukte +++ Fidelity setzt attraktive und flexible Zielinvestments ein und hilft bei Risikosteuerung sowie Kommunikation und Information zum Produkt +++

In der Rentenphase arbeitet das Kapital genauso weiter.“

+++ in Anwartschaftsphase soll guter Kapitalstock bis Renteneintritt mit gesunder Mischung aus Aktien und Renten aufgebaut werden +++ in Rentenphase arbeitet Kapital genauso weiter, weil Rentenzahlungen Kapitalstock nicht wesentlich reduzieren und Rentnervermögen kollektiv geführt wird – unter Beibehaltung derselben Kapitalanlage wie in Anwartschaftsphase +++ rBZ: gesetzlich komplett separierter Anlagestock innerhalb des Vermögens der PK +++ eigenständige Fondslösung mit sehr breiter Streuung börsentäglich bewerteter Kapitalanlagen und gleichzeitig kostenschlanker Ausgestaltung +++

Jürgen Rings, Hoechster Penka, Stefanie Rhein, BAVC, Elvira Wittke, IGBCE, Christof Quiring, Fidelity, und Georg Thurnes, Thurnes bAV/aba (v.l.n.r.) Foto: Dietmar Gust/Handelsblatt.

Christof Quiring, Leiter des Bereichs Workplace Investing bei Fidelity International, hebt die Innovation für Deutschland hervor:

+++ Fidelity global mit viel Erfahrung bei Vorsorgesystemen auf Basis der rBZ +++ bewusster gesetzlicher Verzicht auf Garantien ermöglicht, dass System viel stärker als bisher an Kapitalanlage ausgerichtet werden und von Renditeentwicklung profitieren kann +++ mit Höchster Penka schon lange in bAV sowie tariflichen Systemen der chemischen und pharmazeutischen Industrie als Partner eingebunden, etwa bei ZWK +++ nicht nur reiner Dienstleister für Kapitalanlage, sondern auch für Kommunikation und Außenauftritt +++

+++ großes Interesse globaler Unternehmenskunden von Fidelity an Zielrente Chemie, die jetzt Chance sehen, ihre globale bAV-Strategie auch in Deutschland umzusetzen +++ global 90% aller von Fidelity verwalteten Pensionspläne sind rBZ (DC) +++ für ersten zwei Jahre berechnet man dem SPM keine Kapitalanlagekosten +++ Anlagestrategie setzt auf breite Diversifizierung, im Wesentlichen aufgebaut auf globalem Aktienportfolio der Industrie- und Schwellenländer (zu 65% aus US-Aktien) sowie weltweitem Rentenportfolio +++ Instrumente: hauseigene ETF von Fidelity, um Kosten gering zu halten +++

BVV: Banken-SPM lässt sich gut an

Die Einführung der rBZ für Privatbanken über den BVV-PF hat vier Jahre gedauert, blickt Marco Herrmann, BVV-Vorstand zurück:

+++ SPM „lässt sich gut an“ für rund 4.000 MA bei Postbank, die am 1. Januar 2025 mit rBZ starten +++ mit etlichen anderen Interessenten aus Bankenbranche im Gespräch +++

+++ zusätzlich zur Entgeltumwandlung leisten tarifgebundene AG anfangs 1,75% Matching (für Geringverdiener 2,25%), zwei Jahre nach betrieblicher Einführung 2,0% und nach vier Jahren 2,25% +++

+++ trotzdem viel Kommunikation nötig: von ausführlicher Beratung über Betriebsvereinbarung zwischen AG und Betriebsrat, Rahmenversorgungsvertrag zwischen PF und AG bis zur Beitragsmeldung der Teilnehmer +++ für Steuerungsgremium Online-Reporting mit zentralen Kennzahlen +++ schon zwei Sitzungen des SP-Beirats zu Anlagerichtlinien, Kapitaldeckungsgrad und Sicherungspuffer +++ Sicherungsbeitrag wird in Rentenphase schon fällig, wenn Kapitaldeckungsgrad von 100% unterschritten wird +++

Die Koexistenz zwischen klassischer bAV und rBZ bleibt.“

+++ aus Erfahrung Argumente zu drei allgemeinen Kritikpunkten am SPM von Herrmann genannt +++ 1. fehlende Garantien: Zeiten hoch dotierter Tarife von bis zu 4,0% im Neugeschäft längst vorbei, und selbst Erhöhung des HRZ von 0,25% auf 1,0% ab Januar wird daran wenig ändern; außerdem: ausgewogener Mix aus Aktien, Anleihen und Alternatives verspricht attraktive Rendite +++ 2. etwaige Leistungskürzungen: Schutzmechanismen implementiert, die von Sozialpartnern paritätisch überwacht werden; Vola im Rückblick auf ca. 15 Jahre Niedrigzinsphase von großen EbAV insgesamt sehr gut gemeistert +++ 3. mangelnde Verantwortung: bAV nur dann „echt“, wenn sich AG in Grundversorgung nennenswert finanziell beteiligt, im Gegenzug nun von langfristigen Haftungsrisiken entlastet +++

Marco Herrmann, BVV, auf der Handelsblatt bAV-Tagung. Foto: HB, Dietmar Gust.

+++ Thesen zur SPM-Zukunft: auf Sicht nicht viele weitere Anbieter von SPM erkennbar +++ Koexistenz zwischen klassischer bAV und rBZ bleibt, aber aus AG-Sicht wird rBZ an Bedeutung zunehmen +++ hierzu Weiterentwicklungen durch Gesetzgeber erforderlich – insb. Öffnung für Dritte, wobei sich in Umsetzung Best Practice durchsetzen wird +++ Empfehlungen des Bundesrats vom 11. November sehr spannend, da Ausblick für mehr bAV trotz parlamentarischer Ausbremsung des BRSG 2.0 +++ zwei Punkte besonders wichtig: weitergehende Öffnung des SPM wird angestrebt (Zielrichtung: KMU) samt Prüfung, ob Tarifvorbehalt erforderlich. Und: Forderung nach Prüfung, ob für BZML niedrigeres Niveau als 100% von Beteiligten vereinbart werden kann +++


Weitere Berichterstattung zur Praxis der Sozialpartnermodelle, wie sie neulich in Berlin diskutiert worden ist, in Kürze auf PENSIONSINDUSTRIES.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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