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Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

FDP – lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken mit Ende

Unregelmäßig freitags, heute ausnahmsweise am Donnerstag, bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Holland zum ersten, Holland zum zweiten, von Zeitfenstern des Handels – und als erstes das Herz über das Hindernis werfen. Will er die Alten einfach töten? Haben Sie sich das Kunstwort „Nexit“ schon eingeprägt? Und Zwerge werfen lange Schatten.

EIOPA (21. November): „Hidden risks and new horizons: What’s next for supervision.“

Holland heute zum ersten: Neuliche Keynote Speech der EIOPA-Chefin Petra Hielkema auf der EIOPA Konferenz, Zitat:

Finally, we still see merit in PEPP, the Pan European Pension Product. Another example of an EU ambition that will only fly if we really make it European, for example by providing it with the same tax treatment as other pension products in all EU Member States.“

We still see merit in PEPP? Und mehr von der gleichen Medizin soll helfen? Das von Kassandra direkt 2019 als Totgeburt angekündigte PEPP, wie steht es 2023 da? Stand April ein einziger Anbieter (aus der Slowakei). Neue Prognose: Wiederauferstehung ausgeschlossen.

Überhaupt Petra Hielkema: Als die Niederländerin im Juni 2021 berufen wurde, hatte LEITERbAV die Hoffnung geäußert, dass sie – da aus einem großen EbAV-Land stammend – für die Belange der bAV, für die von Pensionseinrichtungen und für die sich hier engagierenden Arbeitgeber ein großes Herz haben sollte.

Besieht man sich die ungebrochene Verve, mit der die EIOPA bei der Überarbeitung der IORP-II-RL vorgeht, bleibt Stand heute nicht viel mehr als eben die Hoffnung.

 

RTL.de (21. November): „Comedian forderte im TV drastisches Mittel gegen leere Kassen – Geschmackloser ‚Über 70-Jährige töten‘-Witz: 3sat findet ihn lustig.“

Generationengerechtigkeit ist immer auch wichtiges Thema im Komplex der deutschen Altersvorsorge und so auch in der bAV. Hier hat nun ein Komiker im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Vorschlag gemacht, der vermutlich satirisch gemeint sein dürfte, zumindest vordergründig (der Clip findet sich sich leicht auf YouTube).

Ob der junge Mann im Staatsfunk seine Aussagen wirklich rein als Gag meinte, oder ob sich möglicherweise doch hinter der Fassade des offenkundig enorm Begabten eine gewisse Weltanschauung verbirgt, davon mache sich ein jeder selbst ein Bild. Im allgemeinen muss beim „teuersten Staatsfunk der Welt“ (FAZ) jedenfalls nichts mehr überraschen, die Entgleisungen sind Legion („Oma Umweltsau“ ist nur eines der bekannteren Beispiele). Wer mag, der kann das als geschmacklosen Humor abtun – bekommt darin aber langsam Übung.

Wie dem auch sei, dass der informell-öffentliche Druck auf ältere Menschen in Deutschland zunimmt, z.B. in Sachen Wohnraumbelegung (s. mehr zu einem üblen Beispiel hier), dürfte allerdings kaum einem aufmerksamen Beobachter entgehen. Und Kinder, wie die Zeit vergeht. Hier eine Straßenszene aus West-Berlin Ende der 70er Jahre:

Foto: Hans Scherhaufer. Bild zur Volldarstellung anklicken.

Das Paar links auf dem Bild dürfte längst von uns gegangen sein, rechts die beiden Herrschaften sind wohl mittlerweile diejenigen, deren Exekution der Komiker im Fernsehen ins Spiel gebracht hat.

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Merkur (21. November): „Neue Umfrage nach Haushaltsdesaster: Ampel-Koalition kassiert nächsten Tiefschlag.“

An dieser Stelle wurde schon mehrfach angesichts der akuten Bewegung in der deutschen Parteienlandschaft die mangelnde strategische Tiefe der FDP und ihr Spagat in ihrer öffentlichen Wahrnehmung zwischen den beiden Extrempolen „Verhinderer und Abmilderer radikal rotgrüner Politik“ einerseits und „Rot-Grün-Steigbügelhalter“ andererseits thematisiert. Nun zeigen sich in den Medien erste Kommentare, dass die FDP diese Koalition doch beenden möge.

Beenden ist das eine. Doch die FDP hätte sich nie auf diese Koalition einlassen dürfen. Ergebnis Stand heute ist, dass sie eine Landtagswahl nach der anderen verliert, dass ihre besagte strategische Tiefe auf genau Null gesunken ist und dass sie bei linearer Fortschreibung der Entwicklung dem nächsten Bundestag nicht angehören wird – eine starke Union, eine starke AfD, ein bisschen Abgabe an Wagenknecht und ein bis zwei neue rechtslibertäre Mini-Parteien werden ausreichen, dass das dünne Eis der zero-strategischen Tiefe der FDP brechen wird.

Eine, eine einzige Chance hat sie – und wie so oft im Leben ist das auch hier eine des Alles oder Nichts, eine des Angriffs als beste Verteidigung, eine des Endes mit Schreckens anstatt des Schreckens ohne Ende (oder hier schon eher mit Ende – nämlich mit dem Ende der FDP). Deklinieren wir durch:

Jetzt, und nur jetzt, zur Halbzeit der Legislatur, hat sie angesichts des Karlsruher Urteils die Gelegenheit, die Koalition, die sie langsam, aber sicher erwürgt, platzen zu lassen – und zwar, indem sie mit viel TamTam Rot-Grün nun schlicht unannehmbare Ultimaten stellt (was sie im Übrigen schon hätte tun sollen, als Rot-Grün mitten in einer Energiekrise die letzten AKW abschalten ließ). Dann kann sie aussteigen und damit in Kooperation mit der Union Neuwahlen herbeiführen. So könnte sie im Wahlvolk noch etwas vortäuschen, was man irgendwie als Prinzipienfestigkeit verstehen könnte (das Gedächtnis der Wähler ist kurz).

Wichtig: Außerdem gibt es nicht nur den Anlass nur jetzt, sondern auch das Zeitfenster des Handelns nur jetzt, und das aus verschiedenen zusammenwirkenden Gründen:

1. Die Union hat einen guten Lauf (s. Bayern und Hessen); dieses Unions-Momentum ist für die FDP Chance heute und tödliche Gefahr in zwei Jahren zugleich.

2. Die AfD ist zwar jetzt schon stark, wird in zwei Jahren aber noch stärker sein – einfach, weil der Druck der Verhältnisse immer weiter zunimmt und weil in die AfD-Zustimmung der Wähler erhebliche Eigendynamik reingekommen ist.

3. Bei einer vorgezogenen Bundestagswahl wird die Wagenknecht-Partei noch nicht einsatzbereit sein, die in zwei Jahren aber erstens Rot-Grün neue strategische Koalitions-Optionen verschaffen und zweitens auch bei der FDP das ein oder andere halbe Pünktchen abziehen wird (manche der Protagonisten der neuen Linkspartei scheinen derzeit ohnehin mehr an den lukrativen EP-Mandaten interessiert zu sein als an der profanen Bundespolitik).

4. Auch die angekündigten neuen rechtslibertären Parteien (Markus Krall, Hans Georg Maaßen) sind noch nicht einsatzbereit. Und auch wenn diese ohnehin nur 0,5-1% erzielen werden: Für die FDP ist das zu viel.

5. Last but not least werden die Realitäten des politischen Drucks rund um die teils zusammenwirkenden Krisenparameter (Finanzen, Haushalt, Refinanzierung, Migration, Wohnungsmarkt, Energie, De-Industrialisierung etc.) ebenfalls jeden Tag drängender. Daran wird sich bis zum regulären Wahltermin nichts ändern, im Gegenteil (Sie wissen es längst: Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung).

Übrigens reicht es schon, wenn die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft sowie die neuen Parteigründungen von ganz rechts bis ganz links noch nicht einmal substantiell Stimmen bei der FDP abziehen, sondern lediglich die Wahlbeteiligung erhöhen. Selbst das kann für eine Partei ohne strategische Tiefe katastrophale Folgen haben, denn man bedenke: Die 5%-Hürde wird auf alle gültigen Stimmen berechnet, nicht nur auf die der Parteien, die es in den BT schaffen.

Teil der Wahrheit ist aber auch: Ob es nach einer vorgezogenen Bundestagswahl eine schwarz-gelbe, bürgerliche Mehrheit gegen eine erstarkende AfD und ohne Koalition mit den zwei oder drei Linksparteien geben kann, steht in den Sternen. Aber denkt irgendjemand, dass das in zwei Jahren besser sein könnte?

Fazit: Die FDP hat genau zwei Möglichkeiten – hier das träge, quälende, aber doch irgendwie kommode Weiter-so und nach den reihenweise verlorenen Landtagswahlen auch im Bund zu verschwinden, möglicherweise für immer. Für Christian Lindner wäre es jedenfalls das Ende auf dem politischen Parkett, daran kann kein Zweifel bestehen. Zu gewinnen gibt es nichts, außer noch zwei Jahre Pöstchen und Dienstwagen.

Oder aber die Partei wagt den großen Wurf und macht dem erbärmlichen Spiel jetzt ein Ende – und schmiedet ein neues Eisen, das sich, wenn überhaupt, nur jetzt noch schmieden lassen wird. Hat sie mit dem Weiter-so nichts zu gewinnen, so hat sie umgekehrt bei einem großen Wurf nichts mehr zu verlieren. Das einzige, was Lindner & Co. brauchen, ist der Mumm und die Erkenntnis zum Alles oder Nichts.

Also, Christian Lindner, Sie wissen es doch: immer als erstes das Herz über das Hindernis werfen. Falls Sie das nicht packen: Genießen Sie Ihre beide letzten Jahre auf dem politischen Parkett; wir sehen Sie dann 2026 wieder, als Stiftungs- oder NGO-Vorstand oder so etwas. Im Notfall eben Brüssel.

Und seien Sie sich bewusst: Es geht um viel mehr als nur um Sie, um die kleine FDP und deren kleine Zukunft. In der Dämmerung werfen Zwerge lange Schatten.

FAZ (22. November): „Wahl in den Niederlanden. Erdrutschsieg für Rechtspopulist Geert Wilders.“

Holland heute zum zweiten: Kassandra mahnt schon länger, nach dem Brexit und ganz egal, wie man zur EU steht, neben den Skandinaviern die anglophilen Niederlande als nächsten Kandidaten im Auge zu behalten (und sich das Kunstwort „Nexit“ schonmal einzuprägen). So unkte die Kröte bspw. vor 2,5 Jahren bereits:

Sollte in den Niederlanden eines Tages – und dieser Tag muss gar nicht fern sein – die politische Rechte eine Mehrheit erhalten, dann sollte sich niemand über schnell anberaumte einschlägige Volksabstimmungen wundern – betreffend die Euro-Mitgliedschaft wie auch die in der EU insgesamt. Und um zu ahnen, wie solche Volksabstimmungen zwischen Utrecht und Maastricht ausgingen, muss man kein promovierter Niederlandistiker sein.“

Abwarten. Man wird sehen.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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