Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Rosenmontags-Kassandra – Die kommentierte Presseschau zur bAV:

Everybody needs some Patience

Unregelmäßig freitags bringt PENSIONSINDUSTRIES eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Wo in der bAV der Turbo herkommen könnte. Mit dem E-Auto gegen den Black out. Bitte noch um etwas Geduld, wir fangen doch gerade erst an. Und außerdem gibt es mal wieder die übliche politische Kaffeesatzleserei …

Capital (7. Februar): „Die Tücken der betrieblichen Altersvorsorge.“

Beitrag aus der Capital (also einem im Vergleich zu unserer Branche viel allgemeiner aufgestellten Finanzmedium mit viel breiterer, größerer Leserschaft vor allem auf Verbraucher-Seite) welcher die Sinnhaftigkeit einer bAV aus Sicht der Arbeitnehmer kritisch hinterfragt.

Und der Beitrag hat im Prinzip recht: Die Förderung der deutschen bAV durch den Staat ist äußerst überschaubar; richtig attraktiv wird die Betriebsrente erst, wenn der Arbeitgeber dafür sorgt – mit Matching.

Daher sei hier ein altes kassandrisches Mantra wiederholt: Man muss als Politiker schon auf den Kopf gefallen sein, die drängenden Herausforderungen in der Altersvorsorge den Staat mutterseelenallein angehen zu lassen, während nur in der bAV Verbündete bereit stehen, die Geld und Commitment mitbringen – nämlich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und bei gutem Management auch der Kapitalmarkt.

Aber was soll’s: Das gleiche Defizit wie die Förderung für die Arbeitnehmer spiegelt sich ja auf der Arbeitgeber-Seite. Hier geht es nicht um zu wenig Förderung (praktisch gibt es abseits der Geringverdienerförderung gar keine, obwohl sie gerade dort den echten bAV-Turbo einschalten würde), sondern um das Fehlen einer Selbstverständlichkeit: der Good Governance. Und die – auch das ein altes Mantra vieler Presseschauen – kostet ja bekanntlich gar nichts.

Ein bisschen mehr wirklich spürbare Förderung, sichtlich ambitioniertere, energische Governance (v.a. Widerstand gegen zuviel Brüsseler Bürokratie und das konsequente Angehen der altbekannten nationalen bAV-Regulierungs-Baustellen) – und schon würde sich die Politik wundern, was die bAV leisten kann.

Allerdings gilt für dieses positive Szenario, dass es halbwegs realistisch nur in „normalen“ also stabilen, kalkulierbaren Zeiten Aussicht auf Umsetzung hat – wenn überhaupt. Derzeit hat die Politik bekanntlich andere Sorgen – Tendenz schnell steigend – und Kassandra bekräftig ihre schon alte Skepsis, dass die Politik schon sehr bald weder politische noch fiskalische Ressourcen frei haben wird, in der Rente, namentlich in der bAV kleine Baustellen anzufassen – von großen ganz zu schweigen.

Und ergänzt sei, dass es möglicherweise nicht nur die Politik ist, die andere Sorgen als die bAV hat. Besieht man sich Lage und Perspektive der Industriepolitik in Deutschland, könnte Gleiches auch zunehmend für die deutschen Unternehmen gelten – wie man einen Exit gestaltet zum Beispiel; s. nächsten Beitrag.

BILD (9. Februar): „Tschüss, Deutschland! Unsere Wirtschaft zieht es immer öfter ins Ausland.“

Unter Berufung auf BDI-Präsident Siegfried Russwurm berichtet die BILD über die Deutschland-Geschäftsführer internationaler Unternehmen und dass deren „Geduld mit Deutschland am Ende“ sei.

Lieber Unternehmensführer! Wie jetzt Ihre Geduld mit Deutschland ist am Ende? Was soll das denn heißen? Wir fangen doch gerade erst an!

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

Und nun wieder mal zu den kommenden Wahlen (wegen ihrer Bedeutung derzeit regelmäßig als Off Topic Gegenstand in dieser Presseschau, s. hier und hier), erneut mit dem Fokus auf die Union.

Die Welt (14. November 2018): „Merz will die AfD halbieren.“

Deutschlandfunk (7. Juli 2023): „Union: Merz sieht Grüne nach wie vor als Hauptgegner.“

Handelsblatt (4. September 2023): „CDU-Chef Merz lehnt Koalition mit Grünen ab.“

Der Tagesspiegel (4. Februar): „Mögliche Koalitionspartner der CDU: Merz zeigt sich offen für Schwarz-Grün.“

Zahlreiche Kommentatoren haben Merz dafür kritisiert, dass er Kehrtwenden hinlegt, die manch einer wohl „erratisch“ nennen würde.

Und hatte Kassandra nicht geunkt, dass angesichts der strategischen Sackgasse der bürgerlichen Einsamkeit, in der die Union nach dem absehbaren Tod der FDP steckt, Merz von der AfD bei jeder Gelegenheit auf Brot geschmiert bekommen wird, dass wer CDU wählt, rot-grün bekommt? Und jetzt? Jetzt muss das gar nicht mehr die AfD machen, jetzt schmiert er sich das schon selbst aufs Brot.

Entsprechend seine strategische Bilanz Anfang 24: Weiland angetreten, die AfD zu halbieren, operiert diese derzeit bei ca. 20%. Außerdem beginnt die alte strategische Grundidentität der Union, derzufolge rechts von ihr sich niemals eine Partei etablieren dürfe (hören Sie einen wahren Fachmann hier), unter Merz vollends in ihr groteskes Gegenteil zu verkehren:

Zu der AfD tritt nun die Werte-Union, die auch noch eine Abspaltung der Union ist – und auch eine kleine Abspaltung ist und bleibt eine Spaltung. Möglicherweise werden die Freien Wähler sich von ihrem Stammland Bayern aus in den Bund ausdehnen (und damit auch noch die CSU qua neuem Wahlrecht aus dem Bundestag kegeln), und – wenn auch anders als die drei genannten praktisch im alten RechtsLinkSchema kaum einzuordnen – könnten man als vierten im Bunde hier auch die mögliche neue AKP-gesteuerte DAVA-Partei rechts von der Union identifizieren. Eine Lösung: All diese Parteien, ggf. samt Wählerschaft, schlicht als „Faschisten“ bezeichnen. Könnte funktionieren. Zumindest eine zeitlang. Oder auch nicht.

Also: AfD auf All Time High, dann eine kleine Abspaltung rechts der Union, außerdem die CSU möglicherweise nicht mehr im Bundestag, und ingesamt treten drei bis vier Parteien rechts der Union an (wenn teils auch mit sehr überschaubaren Erfolgsaussichten): Als Merz antrat, hofften viele der Bürgerlich-Konservativen in der Union auf eine Wende nach der für sie bleiernen Merkel-Ära. Viele von ihnen dürften sich nun ernsthaft fragen, ob Friedrich Merz der richtige Mann ist, die CDU durch die kommenden Herausforderungen zu führen.

Gleichwohl: Muss denn die verworrene strategische Zwickmühle heißen, dass die CDU deshalb auch bei den kommenden Wahlen im Osten durch die Bank scheitern muss? Keineswegs! Denn wie immer ist die Sache komplizierter. Ein Beispiel:

Sollte die gesellschaftliche Spaltung sich rund um den nationalen Reizfaktor AfD weiter verschärfen (vieles spricht dafür) und gleichzeitig qua Umfragen vor den Landtagswahlen im Osten halbwegs sicher feststehen, dass Grüne, SPD, Linkspartei (und FDP sowieso) an der 5%-Hürde scheitern, außerdem das BSW (wie Kassandra es erwartet) gar nicht antreten, dann dürfte die CDU gegen die AfD im Osten locker das Rennen machen. Warum?

Wir kennen das aus den Stichwahlen zur Präsidentschaft in Frankreich (und ähnlich auch der Wahl Biden-Trump), wo die deGaulle’sche Verfassung explizit vorsieht, dass im Finale nur noch zwei Kandidaten aufeinandertreffen – also sinngemäß etwas, womit dann auch die Wähler bspw. in Sachsen sich vor der Wahl konfrontiert sehen könnten.

Treten aber faktisch nur zwei Parteien an, namentlich eine bürgerlich-rechte Partei gegen eine Rechtsaussen-Partei, dann wird wie in Frankreich allen Linkswählern nichts übrig bleiben, als zähneknirschend die bürgerliche Rechtspartei zu wählen, hier also die CDU. In einem solchen Fall dürfte die AfD nicht über 30% kommen – und Merz einen wahren Erdrutschsieg einfahren.

Völlig anders könnte es aussehen, wenn vor der Wahl unklar ist, ob die besagten Parteien an der 5%-Hürde scheitern, ergo Wählerschaft auf sich ziehen, und manche dann doch scheitern. Dann ist auch nicht ausgeschlossen, dass die AfD gegen die CDU das Rennen macht, zumindest aber die stärkste Partei wird. Dann wäre für die Union die Lage ungleich unkommoder, stünde sie doch unter dem Druck, unschöne Koalitionen eingehen zu müssen. Die erste Variante wäre für sie sichtlich angenehmer.

Und schließlich kann das auch alles Makulatur sein, denn auch das an dieser Stelle schon analysierte Gegenteil ist denkbar: dass besagte Verschärfung der Konflikte das üppige Nichtwähler-Reservoir links der Mitte mobilisiert, verstärkt zur Wahl zur gehen, und ebendies Grünen und SPD ein kleines Comeback beschert.

Sie sehen, liebe Leserschaft: Wahlstrategische Analysen sind schön und gut, machen Spass und enden schließlich doch meist wo? In der Kaffessatzleserei!

Und warum? Weil Wähler wie Märkte sind: Sie machen, was sie wollen. Und das ist auch gut so.

BILD (8. Februar): „Nach Stromausfall – E-Auto rettet Dialysepatienten (11) das Leben.“

Wie die BILD berichtet, konnte nach einem Stromausfall das Dialyse-Gerät eines kleinen Patienten über den Akku des Familienwagens betrieben werden. Das ist nur eine einzelne Meldung, hat aber eine doch eine gewisse weitere Bedeutung:

Der Chronist ist davon überzeugt, dass sich das E-Auto erst durchsetzen wird, wenn in der Batterie-Technologie substantielle Durchbrüche gelingen. Damit ist durchaus zu rechnen – wann auch immer.

Auch wenn man der Technologie kritisch gegenüber steht (und dafür gibt es Gründe genug, v.a. die Frage, wo der kontinuierliche Strom herkommen soll), sei konstatiert, dass eine flächendeckende Ausstattung der Bevölkerung mit E-Autos abseits des Verkehrs einen weiteren Effekt hätte: eine dezentrale Versorgung der Bevölkerung mit kleinen Elektrizitätspeichern, die im Falle eines Black-out durchaus beitragen können, 1-2 Tage zu überbrücken und so das Schlimmste zu verhüten. Insofern hätte der Durchbruch des E-Autos auch etwas, was viele ihrer Befürworter wie ihrer Kritiker gar nicht auf dem Schirm haben: einen substanziellen Beitrag zur Stabilität der nationalen Versorgungs-Infrastruktur – etwas, dass noch vor einigen Jahren keinerlei Relevanz gehabt hätte, in dieser Bundesrepublik aber durchaus aktuell ist. Wie dem auch sei: Stand heute ist das alles Zukunftsmusik.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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