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Vergangenen März in Erfurt:

Eine Frage des Verweises

Ein Arbeitnehmer wollte über einen Verweis im Tarifvertrag eine Zusatzvorsorge erhalten – bei einer EbAV, in der seine Arbeitgeberin gar kein Mitglied ist. Vor dem LAG erhält er recht, doch kassiert der Dritte Senat die Vorinstanz, der Arbeitgeber setzt seine Rechtsauffassung durch. Gleichwohl rät Dirk Murski Arbeitgebern, Missverständnisse betreffend die bAV von Anfang an sorgfältig zu vermeiden.

In einem aktuellen Revisionsurteil hatte das BAG zu beurteilen, ob eine Verpflichtung einer Arbeitgeberin zur Verschaffung einer Zusatzversorgung nach den Regeln der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) aufgrund einer auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) beschränkten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel besteht.

Der Sachverhalt

Die Beklagte ist eine nicht tarifgebundene, private Arbeitgeberin, welche nicht Mitglied der VBL ist und dementsprechend auch keine Versicherungsbeiträge dorthin abführt. Der Kläger ist als Rettungssanitäter seit April 2017 auf Grundlage eines Formulararbeitsvertrages bei der Beklagten beschäftigt.

Im Jahr 2018 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, der die Anwendung des TVöD in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis vorsah, im Rahmen dessen allerdings keine Bezugnahme auf die den TVöD ergänzenden oder ändernden Tarifverträge erfolgte.

Der TVöD sieht in § 25 vor, dass die Beschäftigten einen Anspruch auf Teilnahme an einer bAV nach Maßgabe des Tarifvertrags „Altersvorsorge-TV-Kommunal“ (ATV-K) haben. Im ATV-K ist wiederum geregelt, dass dieser nur auf Arbeitnehmer anwendbar ist, die in den Geltungsbereich eines in Anlage 1 des ATV-K aufgeführten Tarifvertrags fallen, wozu auch der TVöD gehört. Mangels Tarifbindung gehörte der Kläger jedoch nicht zum Kreis der nach dem ATV-K erfassten bzw. versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Das BAG auf der Erfurter Zitadelle. Foto: Bazzazi.

Im Jahr 2019 informierte die Beklagte schließlich ihre Arbeitnehmer dahingehend, dass eine zusätzliche Altersversorgung zwar vereinbart, diese jedoch noch nicht umgesetzt sei, da eine endgültige Regelung mit der Gewerkschaft ver.di noch ausstehe. Infolgedessen machte der Kläger klageweise geltend, dass die Beklagte nach § 25 TVöD verpflichtet sei, ihm eine Zusatzversorgung über die VBL oder ihm jedenfalls die Leistungen der VBL zu verschaffen, wenn der Beklagten der Zugang zur VBL versagt sei. Die Beklagte verwies darauf, dass sie die VBL-Zusatzversorgung nicht zugesagt habe.

Die Entscheidung

Das zweitinstanzliche LAG Niedersachsen hatte in seinem Urteil 3 Sa 86/22 B vom 20. April 2023 eine solche Verschaffungsverpflichtung der Beklagten noch bejaht. Das BAG entschied allerdings mit Urteil 3 AZR 150/23 vom 12. März (übrigens als führende Entscheidung zu weiteren Parallelsachen), dass der Kläger keinen Anspruch auf eine bAV nach den Bedingungen der VBL hat und dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, ihm im Versorgungsfall die entsprechenden Versorgungsleistungen zu verschaffen.

Das BAG führte aus, dass ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber im Falle einer zugesagten bAV einen aus dem arbeitsvertraglichen Versorgungsverhältnis folgenden Anspruch hat, der sich auf die Gewährung der versprochenen Versorgung richtet. Wenn die Durchführung – wie hier bei einer Durchführung über die VBL – aber nicht durch den Arbeitgeber selbst erfolgt, müsse der Arbeitgeber grundsätzlich für die von ihm zugesagten Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einstehen. Hat der Arbeitgeber zur Finanzierung dieser Versicherungsansprüche keine Beiträge zur VBL oder einer kommunalen Zusatzversorgungseinrichtung abgeführt, so ist er gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, diese Leistungen unmittelbar selbst zu erbringen. Dieser Anspruch ist seiner Rechtsnatur nach ein Erfüllungsanspruch.

Nach Auffassung des BAG lasse der Arbeitsvertrag des Klägers jedoch keine eindeutige Verpflichtung der beklagten Arbeitgeberin erkennen, den Kläger im Pflichtversicherungstarif der VBL zu versichern, da die Beklagte dem Kläger keine Versorgungsleistung zugesagt habe, die einer Pflichtversicherung bei der VBL entspricht. Der TVöD, der durch die Verweisung Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist, gewähre unmittelbar keinen direkten Anspruch auf die VBL-Versicherung, sondern verweise über § 25 TVöD auf den Tarifvertrag über die bAV der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (ATV) bzw. diese für den Kommunalbereich (ATV-K).

Nach § 25 TVöD haben Beschäftigte Anspruch auf eine bAV „nach Maßgabe“ der entsprechenden Versorgungstarifverträge. Diese Norm gewährt aber nur den Arbeitnehmern einen Anspruch, die unter die Versicherungspflicht der Zusatzversorgung fallen, welche somit nach dem ATV-K versicherungspflichtig sind. Der Kläger gehört nach Auffassung des BAG nicht zu diesem Personenkreis, da er nicht tarifgebunden ist und die arbeitsvertragliche Verweisung sich nicht auf die Versorgungstarifverträge erstreckt. Der ATV-K hätte für einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die Verschaffung einer bAV eine tarifliche Bindung vorausgesetzt oder einbezogen werden müssen. Vorliegend habe die Beklagte dem Kläger aber gar keine Versorgungsleistung nach den Bedingungen der VBL zugesagt. Dies ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien.

Fazit: Sorgfalt!

Dirk Murski, Longial

Die Entscheidung des BAG verdeutlicht die innerhalb der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und Bezugnahmeklauseln. Ein allgemeiner Verweis auf einen Tarifvertrag bedeutet jedenfalls nicht automatisch, dass sämtliche weitere Regelungen des Tarifvertrages Bestandteil des Arbeitsvertrages werden.

Zum anderen wird die ständige Rechtsprechung zum betriebsrentenrechtlichen Verschaffungsanspruch bestätigt, wonach der Arbeitgeber bei mittelbar zugesagter bAV stets für die von ihm versprochenen Leistungen einstehen muss (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG).

Insofern ist es für Arbeitgeber empfehlenswert, bei der Formulierung von arbeitsvertraglichen Verweisungsklauseln in nicht-tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen auf die einschlägigen Tarifverträge große Sorgfalt aufzuwenden und dafür Sorge zu tragen, dass die vertraglichen Verweise eindeutig formuliert sind, da hierdurch Missverständnisse oder falsche Erwartungen auf Arbeitnehmerseite vermieden werden können.

Im Allgemeinen sollte bei der Verwendung von Bezugnahmeklauseln stets sorgfältig geprüft werden, ob sich Unklarheiten in Bezug auf die bAV ergeben können. Nur so lässt sich die Gefahr einer für den Arbeitgeber nachteiligen Auslegung von vornherein verringern. Denn weitreichende soziale Absicherungen, wie sie die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst enthalten, sind für die meist wenig finanzstarken Arbeitgeber im Wohlfahrtsbereich regelmäßig nicht leistbar. Es sollte insofern klar und eindeutig festgehalten werden, ob und in welchem Umfang eine bAV gewährt wird.

Das hier in Rede stehende Urteil des Dritten Senats findet sich hier.

Der Autor ist Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern der Longial.

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