Was das Ampel-Aus für die aktuelle Pensions- und Investment-Gesetzgebung bedeutet, ist derzeit eine der Kernfragen unseres Parketts. Zu Optimismus besteht nicht viel Anlass, und der deutsche Fondsverband hat sich die Phase der Grauzone zwischen Vertrauensfrage über Neuwahlen bis zum neuen Bundestag nun genauer angesehen.
Deutschland, Berlin, im Herbst des Jahres 24: Am 16. Dezember dürfte – never say never – Bundeskanzler Olaf Scholz im deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellen.
Allen wilden und teils irrealen Theorien zum Trotz (z.B., dass die AfD Scholz bei der – übrigens namentlichen – Abstimmung das Vertrauen aussprechen werde und dieser so mit deren Stimmen weiter im Amt bleibe) – kann man realistisch Stand heute davon ausgehen, dass der Kanzler diese Vertrauensfrage verliert, der Bundespräsident den Bundestag auflöst und es am 23. Februar 2025 zu Neuwahlen kommt. So zumindest der Plan.
Die Vertrauensfrage samt Auflösung des Bundestages ist ein parlamentarisches Verfahren, dass in der Bundesrepublik Deutschland mehr oder weniger im Rhythmus von ein bis zwei Dekaden vorkommt. Insofern ist es verständlich, dass nicht jeder die staatsrechtlichen Einzelheiten präsent hat.
Der BVI hat nun in einer Veröffentlichung die parlamentarische Lage und Perspektive und die Folgen der für unser Parkett einschlägigen Gesetzgebung dargelegt:
Ende Februar plus 30 Tage
Am 23. Februar 2025 also zunächst die Neuwahlen. Und dann? Nun, die Wahlperiode endet mit der konstituieren Sitzung des neu gewählten Bundestages, die spätestens 30 Tage nach der Wahl stattfindet. Ab was ist bis dahin?
Bis dahin hat der alte Bundestag, auch nach seiner „Auflösung“,grundsätzlich weiterhin sämtliche parlamentarischen Befugnisse: Er kann u.a. zusammentreten, die Ausschüsse können tagen, er kann Anträge jedweder Art behandeln, Gesetze beschließen oder Untersuchungsausschüsse einsetzen.
Aber: Ebenso wie sonst auch, braucht der, der etwas durchsetzen will, parlamentarische Mehrheiten. Und eben die hat haben Bundeskanzler Scholz und die rot-grüne Restregierung nach dem FDPexit bekanntlich schon jetzt nicht mehr.
SPD und Grüne haben außerdem auch keine Verfahrensmehrheit mehr im Ältestenrat des Bundestages, betont der BVI. Dort kann Rot-Grün z.B. keine Gesetzesvorhaben oder Anträge ohne die Zustimmung der Opposition mehr auf die Tagesordnung setzen. Und die Oppositionsfraktionen haben bereits erklärt, nur dann mit der Minderheitsregierung zu kooperieren, wenn sie die Vorhaben sinnvoll finden.
Das Prinzip der Diskontinuität …
Alle bis zur Konstituierung des neuen Bundestages noch nicht beschlossenen Gesetze fallen derweil unter die sog. Diskontinuität des Bundestages. Die Gesetze müssten in den neuen Bundestag erneut eingebracht werden, bevor sie beschlossen werden könnten.
Aber: Davon nicht betroffen sind Gesetze, die der Bundestag bereits beschlossen hat, und bei denen lediglich die Zustimmung des Bundesrates aussteht. Denn: Der Bundesrat ist nicht an Legislaturperioden gebunden und kann solche Gesetzgebungsverfahren noch abschließen.
… und was dies für die laufenden Verfahren heißt
Der BVI schätzt das Schicksal der laufenden Gesetzgebungsverfahren ab, die für das Pensionswesen und das institutionelles Finanzwesen einschlägig sind. Zunächst die Gesetze, bei denen der Verband eine Chance auf einen erfolgreichen Abschluss des Verfahrens erkennt:
Jahressteuergesetz 2024
Das Jahressteuergesetz 2024 ist vom Bundestag bereits beschlossen und liegt dem Bundesrat zur Beratung am 22. November 2024 vor. Stimmt dieser wie erwartet zu, wird das JStG 2024 noch vor Jahresende im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Gesetz über die Digitalisierung des Finanzmarktes
Das Gesetz über die Digitalisierung des Finanzmarktes könnte theoretisch noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden. Beschlussempfehlung der BT-Ausschüsse liegt vor, Gesetz ist also fertig beraten. Die Ampel konnte sich bisher allerdings nicht verständigen, den Entwurf für die 2. und 3. Lesung auf die Tagesordnung zu setzen. Auch der Bundesrat müsste noch zustimmen. kurzfristige Verständigung über den Abschluss des Gesetzes in dieser Legislaturperiode aber theoretisch möglich, so der BVI, ohne eine konkrete Prognose zu wagen.
Dann die Gesetze, die der BVI ohne Chance auf Umsetzung sieht:
Fondsmarktstärkungsgesetz
Das Fondsmarktstärkungsgesetz liegt dem Bundestag zur Beratung vor. Das Bundeskabinett hat am 9. Oktober den Regierungsentwurf verabschiedet. Befassung oder Anhörung im Finanzausschuss hat noch nicht stattgefunden; Gesetzgebung dürfte in dieser Legislaturperiode nicht weiterverfolgt werden, schätzt der Verband.
Zukunftsfinanzierungsgesetz II
Für das Zukunftsfinanzierungsgesetz II liegt noch gar kein Regierungsentwurf vor, der Beschluss wurde zuletzt verschoben. Wiederaufnahme dieses Verfahrens wohl erst in der nächsten Legislaturperiode.
Auch bei den Vorhaben zum Pensionswesen darf man nur gedämpft optimistisch sein, haben sich doch die zuständigen Ministerialen auf der diesjährigen HB-Tagung schon recht deutlich geäußert (s. hier und hier):
Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge
Das Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge ist ebenfalls in einem sehr frühen Stadium der Beratung. Bisher liegt kein Regierungsentwurf vor, so dass der Bundestag noch nicht mit dem Vorhaben befasst ist. Aber: Laut BVI werde dieses Vorhaben – das ja eigentlich ein Steckenpferd der FDP war – in der nächsten Legislatur wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Man wird sehen.
Rentenpaket II
Für das Rentenpaket II (Absicherung des Rentenniveaus und Aufbau eines Generationenkapitals) liegt ein Regierungsentwurf zur Beratung im Bundestag vor. Im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales hat dazu bereits eine Sachverständigenanhörung stattgefunden. Schon vor dem Bruch der Ampel hatte die FDP weiteren Beratungsbedarf angemeldet. Gesetzgebungsvorhaben dürfte in dieser Legislatur nicht mehr abgeschlossen werden können.
BRSG II
Das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz) liegt ebenfalls im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales, ist aber noch nicht beraten worden. Vorhaben läuft in die Diskontinuität, stellt der BVI unverblümt fest.
Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) – das seiner nicht sehr stringenten Form wegen auf dem Pensions-Parkett für spürbare Unruhe gesorgt hat – war an sich bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht umzusetzen. Das Gesetz liegt allerdings noch in den zuständigen Ausschüssen zur Beratung im Bundestag. Da diese noch nicht abgeschlossen sind: Einigung unwahrscheinlich.
Gesetz zur Stärkung der Finanzbildung
Für das Gesetz zur Stärkung der Finanzbildung existiert nur der Referentenentwurf, der Kabinettstermin sollte am 4. Dezember 2024 folgen. Das Gesetz ist somit noch nicht in den Bundestag eingebracht und kann nicht mehr beraten werden.
Soweit der BVI zu den einzelnen Gesetzgebungsverfahren. Außerdem weist der Verband darauf hin, dass auch noch einige der bis zum Wahltermin im Februar 2025 geplanten BT-Sitzungswochen entfallen werden. Andere Sitzungswochen sollen verkürzt stattfinden. Darin sieht man in Frankfurt weitere Signale dafür, dass der Wahlkampf begonnen hat und die Fachpolitik bis zu der Zeit nach der Wahl ruht – oder anders ausgedrückt: Zitronen und so, Sie wissen schon …
Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.