Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Heubeck-Kolloquium 2019:

bAV 2019 – Herausforderungen annehmen und aktiv gestalten

Weiter geht es auf LEITERbAV mit der Berichterstattung zu einigen der zahlreichen Herbsttagungen zum Pensionswesen. Traditionell im September des Jahres lädt Heubeck zum Kolloquium nach Köln ein, um über aktuelle Themen und Entwicklungen in der bAV zu berichten und zu diskutieren. Niclas Bamberg war dabei und dokumentiert einige der Inhalte.

 

Rund 200 Teilnehmer aus Industrie, Politik und Versorgungseinrichtungen verfolgen am 10. September 2019 die Veranstaltung.

 

Friedemann Lucius…

Mit einer Standortbestimmung der betrieblichen Altersversorgung im Herbst 2019 eröffnet Friedemann Lucius, Vorstandssprecher der Heubeck AG, das Kolloquium: Positiv zu sehen sind ein stetiges Wachsen der bAV sowie die Impulse durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG). Allerdings ist der Kern des BRSG zur Verbreiterung der bAV, das Sozialpartnermodell (SPM), von den Tarifpartnern bisher noch nicht angenommen worden.

 

Die Gründe hierfür sind vielfältig, erläutert Lucius: So stehen Lohnerhöhungen aus Sicht der Tarifpolitiker oftmals stärker im Vordergrund, aber auch die Komplexität des SPM kann abschreckend wirken, wobei das Modell nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Lucius mahnt, die Politik, nicht zu früh den Stab über das SPM zu brechen und sich einem Obligatorium zuzuwenden. Denn grundsätzlich sind die für Leistungen der bAV aufgewendeten Mittel in der Obhut der Arbeitgeber sowie von Einrichtungen der bAV besser aufgehoben als in der Obhut des Staates. Vielmehr sieht Lucius eben den Staat gefordert, die bAV weiter durch verbesserte Rahmenbedingungen zu stärken.

 

Verbesserung der Rahmenbedingungen statt Obligatorium

 

Weiter spricht Lucius die Folgen des anhaltenden, politisch geförderten Niedrigzinses an und formulierte Forderungen an den Gesetzgeber:

  • In diesem Korridor könnte dann auch der steuerliche Rechnungszins liegen. Damit würde verhindert, dass ein Auseinanderfallen des Zinses in Steuer- und Handelsbilanz zur Versteuerung nicht erzielter Gewinne führt.

  • In den versicherungsförmigen Durchführungswegen müssen die hohen Zinsgarantien der Vergangenheit bei anhaltenden Niedrigzinsen zunehmend aus den Überschüssen der Verträge mit niedrigen Zinsgarantien finanziert werden. Die Anlage- und Bedeckungsvorschriften zwingen die Einrichtungen zudem zur Anlage in sichere festverzinsliche Wertpapiere. Deren niedrige Erträge fressen sich immer weiter in die Kapitalanlage mit der Folge, dass die Zinsverpflichtungen mittel- und langfristig nicht mehr gedeckt werden können. Im schlimmsten Fall sind Leistungskürzungen oder sogar dem Gang zu Protektor unvermeidlich.

 

Als möglichen Ausweg forderte Lucius, das Prinzip der Generationengerechtigkeit im Aufsichtsrecht zu verankern. Damit werden Voraussetzungen geschaffen, um notleidende Teilbestände separat zu sanieren und die aktuelle Umverteilung zu Lasten der jüngeren Generation zu dämpfen.

 

Niedrigzins als sachlich-proportionaler Grund zur Kürzung des Future Service

 

Alexander Bauer…

Seinen Vortrag „bAV gestalten – Anpassung des Future Service: Was geht?“ stellt Alexander Bauer, Leiter Recht bei Heubeck, ebenfalls in den Kontext der Niedrigzinsphase.

 

Viele Unternehmen versuchen, den zinsbedingt zunehmenden Kosten durch eine Absenkung der dienstzeitabhängiger Zuwächse zu begegnen. Auch wenn die neuere Rechtsprechung die Ablösbarkeit von Zusagen mit kollektivem Bezug deutlich erleichtert, muss der Arbeitgeber bei Eingriffen in noch zu erdienende Zuwächse grundsätzlich sachlich-proportionale Gründe anführen, erläutert Bauer.

 

Hierfür bedarf es aber nicht zwingend einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des zusagenden Arbeitgebers. Bauer leitet aus einer Kette von BAG-Urteilen der letzten Jahre her, dass insbesondere bei beitragsorientierten Versorgungszusagen auch die Niedrigzinsphase selbst als sachlich-proportionaler Grund angeführt werden kann, und zwar indem ein Arbeitgeber sich auf eine „Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung“ beruft.

 

Erst recht gilt dies für Zusagen aus Entgeltumwandlung, bei denen der Gesetzgeber die Arbeitgeber aus sozialpolitischen Gründen in die Pflicht nimmt. Hier ist es mehr als legitim, den Arbeitgebern größere Freiheiten bei der Anpassung des Future Service zuzugestehen. Das zwingende Wertgleichheitsgebot sorgt dabei für hinreichenden Schutz der Versorgungsberechtigten, unabhängig vom Durchführungsweg, so Bauer abschließend.

 

Ansätze zu Dämpfung der zinsbedingten Finanzbedarfs

 

Das Auditorium…

Die Auswirkungen des anhaltenden Zinssinkflugs insbesondere auf nach IFRS bewertete Verpflichtungen veranschaulicht Ursula Finger. So ist für Musterbestände nach den Zinsverhältnissen zum 31. August 2019 gegenüber dem 31. Dezember 2018 ein rein zinsinduzierter Anstieg der DBO um ca. 30% zu erwarten. Die Heubeck-Beraterin zeigt auf, welche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Zinsfestlegung bestehen.

 

So können z.B. das Anlageuniversum an Unternehmensanleihen, das der Ableitung des IFRS-Rechnungszinses zugrunde liegt, (Stichwort „5A vs. 2A“) oder der Bewertungsansatz (Stichwort „Spot rate approach“) angepasst werden. Darüber hinaus können aber auch Eingriffe in die Versorgungszusagen, wie z.B. die Einführung einer Kapitaloption oder Abfindungen genutzt werden, um die Auswirkungen des Niedrigzinses auf DBO, Current Service Cost und Interest Cost zu mildern.

 

Über den Tellerrand hinaus: Arbeit 4.0

 

…sowie der Autor auf dem Heubeck Kolloquium im Kölner Maternushaus.

Der Autor schließlich führt auf dem Kolloquium in die Thematik der Zukunft der Arbeit ein und kam zu einem überraschenden und das Auditorium überzeugenden Schluss:

 

Trotz Erweiterung der technischen Möglichkeiten der zukünftigen Zusammenarbeit werden die Anforderungen an Mitarbeitende und damit auch vor allem an die Führungskräfte nicht sinken, sondern vielmehr immens steigen. Mehr Technik, mehr Kollaboration, mehr Wechselwirkung erzeugen Nachfrage, wie Komplexität beherrscht und die Teilhabe von Mitarbeitenden in Diskussion und Wertbeiträgen gefördert werden kann.

 

Entscheidend wird nach Ansicht des Autors sein, ob Unternehmen nicht nur die Digitalisierung bewältigen und ihre Wertschöpfungsketten umstellen, sondern vielmehr, ob der notwendige kulturelle Wandel gelingen wird.

 

Erfreulich für die anwesenden Aktuare: Für diese Berufsgruppe kann die Gefahr als gering eingeschätzt werden, dass Roboter irgendwann deren Job übernehmen.

 

Der Autor leitet als Syndikusanwalt die betriebliche Altersversorgung für die TÜV Nord AG.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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