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Heute in Köln (I):

„50 Milliarden Euro Steuern auf Scheingewinne seit 2010…“

und der Betrag könnte sich in wenigen Jahren auch noch verdoppeln. In diesen Stunden läuft in der Domstadt die diesjährige aba-Herbsttagung der Mathematischen Sachverständigen, und der Verbands-Chef hat den Anlass genutzt, auf ein altes Problem mit ständig neuer, schärferer Dynamik hinzuweisen. Die Dimensionen seien mittlerweile erheblich, der Handlungsbedarf dringend.

 

Die aktuelle steuerliche Diskriminierung von Betriebsrentenverpflichtungen aus Direktzusagen muss beendet werden. Wir brauchen eine Wiederangleichung von steuer- und handelsrechtlicher Bilanz auf wirtschaftlich vertretbarem Niveau. Nur so kann verhindert werden, dass weiterhin Scheingewinne besteuert werden und Unternehmensmittel für den weiteren Ausbau der Betriebsrenten fehlen“, erklärte der Vorsitzende der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V., Georg Thurnes, am Rande der aba-Tagung heute in Köln.

 

Georg Thurnes heute auf der aba-Mathematiker-Tagung in Köln am Rhein. Foto: Bazzazi.

 

Die Unternehmen in Deutschland wurden seit 2010 mit rund 50 Milliarden Euro Steuern belastet, die auf steuerlich nicht berücksichtigten handelsrechtlichen Aufwand anfielen. Wenn sich diese Besteuerung von Scheingewinnen fortsetzt, könnten bis 2025 weitere 52 Milliarden Euro dazukommen, sofern die Bewertungsvorschriften im anhaltenden Niedrigzinsumfeld nicht angepasst werden“, führte Aons Chefaktuar Thurnes weiter aus. Dies würden im Rahmen der aba-Herbsttagung der Mathematischen Sachverständigen vorgestellte Prognosen eindeutig belegen.

 

Heinke Conrads, WTW.

Heinke Conrads, Mitglied der Leitung der Mathematischen Sachverständigen der aba und Leiterin Retirement bei Willis Towers Watson, ergänzt: „In den nächsten sieben Jahren werden aufgrund des dramatisch gesunkenen Zinsniveaus die Unternehmen mit Direktzusagen mit zusätzlichem handelsrechtlichen Mehraufwand von über 190 Milliarden Euro belastet, wenn der Gesetzgeber nicht korrigierend eingreift.“

 

Die Direktzusage hat größte Bedeutung für betriebliche Sozialleistungen und größte Verbreitung innerhalb der betrieblichen Altersversorgung, wie die aba-Zahlen belegen: In Deutschland haben 4,6 Mio. Anwärter und 3,2 Mio. Rentner Betriebsrentenansprüche aus Direktzusagen mit einem handelsbilanziellen Volumen von aktuell nahezu 500 Mrd. Euro. Dabei wird die Direktzusage weit überwiegend durch den Arbeitgeber finanziert und bezieht häufig die gesamte Belegschaft ein. „Den Anspruch des Gesetzgebers, bAV unter Beziehern niedriger Einkommen zu verbreiten, erfüllen Direktzusagen damit schon heute“, schreibt die aba und betont Flexibilität, Effizienz, Bürokratiearmut, Sicherheit und eine oft deutlich über Marktniveau liegende Verzinsung des Durchführungdsweges.

 

IAS 19 bringt das Doppelte

 

In diesem Zusammenhang beklagt die aba, dass das Einkommensteuerrecht Unternehmen Rückstellungen für Pensionszusagen mit einer deutlich zu niedrigen Bewertung zu bilden zwingt. Die marktorientierte Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach anderen Rechnungslegungsvorschriften führe zu wesentlich höheren Ansätzen: So sind laut aba Pensionsverpflichtungen in der internationalen Rechnungslegung bereits aktuell bis zu zweimal so hoch auszuweisen wie in der Steuerbilanz, in den deutschen Handelsbilanzen wird dies in wenigen Jahren der Fall sein. Folge: Steuern auf Scheingewinne, obwohl die Mittel zur Finanzierung der Pensionsverpflichtungen benötigt werden. Den Unternehmen wird Liquidität entzogen, die für Investitionen nicht zur Verfügung steht.

 

Zügig…

 

Dieses Fehlen einer Möglichkeit zur steuerlichen Ausfinanzierung der Direktzusagen stellt ein Verbreitungshemmnis für Betriebsrenten insgesamt dar – zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,“ so die aba weiter. Insbesondere zwei gravierende Probleme bedürften dabei einer „zügigen Abhilfe“:

 

Der steuerlich vorgeschriebene Abzinsungssatz von 6% ist angesichts des Niedrigzinsumfeldes deutlich zu hoch; außerdem benachteiligt das steuerlich vorgegebene Bewertungsverfahren moderne, effiziente und flexible Zusageformen.“

 

Die Marktwertorientierung der Pensionsverpflichtungen durch gleitende Rechnungszinsen ist ein Fremdkörper im Handelsrecht. Stattdessen sollte ein fester Rechnungszins vorgeschrieben werden.“

 

Die Bundesregierung hat bei dem seit Jahren virulenten Thema bekanntlich nur sehr zurückhaltend reagiert und 2016 mit der Verlängerung des Zeitraums zur Bildung des Durchschnittszinssatzes in der Handelsbilanz nur etwas Symptomkosmetik betrieben. Betreffend die Steuerbilanz ist ihre Haltung offenkundig grundsätzlich mauernd.

 

Bekanntlich wird die Frage beizeiten auch in Karlsruhe behandelt werden.

 

Ungeachtet dessen könnte der Druck auf die Bundesregierung tatsächlich massiv zunehmen. Da der Zins in den vergangenen Monaten von ohnehin rekordniedrigem Niveau aus infolge der aggressiven EZB-Politik erneut erhebliche Abwärtsdynamik entwickelt hat, verschärft sich die Lage in allen Durchführungswegen weiter – das betrifft neben der Direktzusage namentlich die Pensionskassen. Es wäre ein Fehler von der Politik zu glauben, dass sich die dynamische Lage auf dem gegenwärtigen Niveau stabilisieren könnte. Insofern ist der heutige Appell Thurnesens und der aba ebenso brandaktuell wie angebracht.

 

…zur Einheitlichkeit kommen!

 

Zurück zur aba: Zusammenfassend fordert der Verband dringend die Fixierung eines einheitlichen, festen Rechnungszinses in Handels- und Steuerbilanz, um Schaden von den Unternehmen mit bAV und damit von der bAV insgesamt abzuwenden. Ein aus der Umstellung der Regelungen resultierendes steuerliches Minderaufkommen könnte haushaltsschonend auf mehrere Jahre verteilt werden. Das Fazit der aba:

 

Die Direktzusage hat wesentlichen Anteil an der bisher erreichten Verbreitung der bAV. Sie ist insbesondere aufgrund des Engagements des Arbeitgebers Ausdruck einer Bindung zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einerseits und dem Arbeitgeber andererseits. Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vertrauen auf die Leistungen ihres Arbeitgebers, der deshalb nicht durch zunehmend ungünstige steuerliche und handelsrechtliche Rahmenbedingungen an der Weiterführung seines Engagements gehindert werden sollte.“

 

 

 

Detaillierte Berichterstattung zur der gegenwärtigen aba-Mathematiker-Tagung folgt beizeiten auf LEITERbAV im Zuge der derzeit laufenden Berichterstattung zu den zahlreichen Herbsttagungen in der bAV.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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