Die Stimmung für Sozialpartnermodell, Zielrente und reine Beitragszusage war dieser Tage schlecht wie nie – und mittenrein platzt heute die Meldung über den ersten Abschluss. Es ist eine Überraschung nicht ohne Ansage. Mit dabei sind ver.di, Talanx und Zurich sowie deren Joint Venture: Die Deutsche Betriebsrente.
Mehrere Tarifabschlüsse mit BRSG-Elementen, aber ohne Sozialpartnermodell, Metall-Abschlüsse zugunsten der ersten Säule sowie große Skepsis auf dem Gewerkschaftstag der IG-Metall ließen nicht zuletzt bei Kassandra jüngst die Unkenrufe, ob es überhaupt noch etwas werde mit dem SPM oder die Tarifpartner nicht eher klammheimlich auf ein Obligatorium warten, lauter werden.
Und nun das! „Das Sozialpartnermodell lebt“, konnte Talanx-bAV-Vorstand Fabian von Löbbecke, heute mittag in Köln verkünden, „und das allen Unkenrufen zum Trotz!“ (ob er mit den Unkenrufen Kassandra explizit meinte, sagte er nicht, könnte aber sein).
Basis des SPM bei Talanx ist ein Haustarifvertrag für die rund 12.000 inländischen Beschäftigten des Versicherers, den ver.di und der Konzern aktuell aushandeln. Umgesetzt wird das im März bereits angekündigte Modell durch Die Deutsche Betriebsrente, ein Joint Venture der Talanx mit der Zurich Gruppe Deutschland.
Die Vereinbarung soll bis zum 1. Januar 2020 geschlossen werden. Die Umsetzung erfolgt, sobald die Zustimmung der BaFin vorliegt.
„Rund zwei Jahre nach der Einführung des BRSG haben wir in ver.di einen wichtigen Partner gefunden, mit dem wir jetzt die Grundlage geschaffen haben, um das neue Altersvorsorgemodell unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugänglich zu machen“, so von Löbbecke weiter. Die Verhandlungen seien sehr konstruktiv und zielorientiert.

Martina Grundler, Fachgruppenleiterin Versicherungen der ver.di, ergänzt: „Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann das Sozialpartnermodell ein sinnvoller Baustein für finanzielle Sicherheit im Alter sein. Dass Talanx als erster Arbeitgeber in Deutschland dieses neue Vorsorgeinstrument nun gemeinsam mit uns plant einzuführen, ist gerade für Beschäftigte mit geringen Einkommen ein wichtiger Schritt bei der Absicherung gegen die Altersarmut und kann als Muster für andere Unternehmen dienen.“
Zurich next
Auch der Konsortialführer Zurich will die Deutsche Betriebsrente beauftragen, ihren inländischen Mitarbeitern ein SPM zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen plant, dazu demnächst Verhandlungen mit ver.di aufzunehmen. „Die Einigung zwischen ver.di und der Deutschen Betriebsrente ist eine wichtige Blaupause für die gesamte Branche. In der aktuellen Debatte hat die Entscheidung, ein Sozialpartnermodell einzuführen Signalwirkung und unterstreicht die Wichtigkeit von neuen Lösungen in der bAV“, sagt Lars Golatka, Vorstandsvorsitzender Deutscher Pensionsfonds AG und zugleich Konsortialführer der Deutschen Betriebsrente.
Bewertung von LEITERbAV
Die jüngst mit Händen zu greifende Skepsis gegenüber dem SPM kam und kommt nicht von ungefähr, sondern hat Gründe. Dass nun aber gleichwohl ein Modell zustande gekommen ist, kann hier durchaus als substantieller, vielleicht strategischer Erfolg gewertet werden. Das gilt nicht zuletzt für die beiden beteiligten Versicherer, die erst im September in Berlin eine kleine Fachtagung zum Sozialpartnermodell für rund 60 Vertreter von Tarifparteien veranstaltet hatten.
Wie schon bei der Ankündigung im März gilt weiterhin: Erstens können beide nun ihre bisher geschaffenen, aber bis dato zwangsweise weitestgehend brach liegenden SPM-Strukturen einer ersten Nutzung zuführen. Zweitens und noch wichtiger können sie künftig in jeder künftigen Ausschreibung von Tarifparteien darauf verweisen, dass das Sozialpartnermodell mit rBZ bei ihnen bereits laufe, also praxiserprobt sei.
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass nun die anderen Konsortien und Anbieter, die bereits in den Startlöchern stehen, insofern unter einen gewissen Handlungsdruck geraten, ihre Strukturen ebenfalls mittels SPM – ggf. für das eigene Haus – mit Leben zu füllen. Andererseits sollte der grundsätzliche Durchbruch auch ihnen nicht schaden.
Und selbst wenn das Versicherungswesen nun weder unbedingt für viele Geringverdiener noch für eine mangelhafte bAV-Durchdringung bekannt ist und man ein SPM sicher lieber sähe in Branchen wie bspw. den Einzelhandel: Wenn nun in Kürze weitere SPM-Anbieter sich veranlasst sehen, die Funktionsfähigkeit im eigenen Haus unter Beweis zu stellen, könnte dies in der Tat zu einer Initialzündung werden, die beizeiten auf andere Branchen übergreift. Und dass eine solche komplexe Herausforderung, in nicht einfachen Zeiten eine kollektive rBZ in einer neuen, tariflichen EbAV abzubilden, zunächst von der Assekuranz selber angenommen wird, entbehrt schließlich nicht einer gewissen Logik.
Die Akteure
Die Deutsche Betriebsrente ist die Konsortiallösung für das Sozialpartnermodell von Talanx und Zurich Gruppe Deutschland. Als Ziel nennt sie, „Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Sozialpartnern eine kostengünstige, renditestarke und besonders effiziente Altersversorgung zu ermöglichen“. Die Deutsche Betriebsrente wiederum basiert auf der Deutschen Pensionsfonds AG, ein Joint Venture der Deutschen Bank und der Zurich Gruppe Deutschland.
Die Talanx mit Sitz in Hannover ist mit Prämieneinnahmen in Höhe von knapp 35 Mrd. Euro und rund 20.000 Mitarbeitern eine der großen europäischen Versicherungsgruppen und operiert in mehr als 150 Ländern als Mehrmarkenanbieter (bspw. HDI, Hannover Rück, Targo Versicherungen, PB Versicherungen, neue leben und Warta). Ihre Ampega verwaltet als eine der größten deutschen Asset-Management-Gesellschaften u.a. die Anlagen des Talanx Konzerns.
Die Zurich Gruppe in Deutschland gehört zur ebenfalls weltweit tätigen Zurich Insurance Group. Mit Beitragseinnahmen von über 5,5 Milliarden Euro, Kapitalanlagen von mehr als 47 Milliarden Euro und rund 4.600 Mitarbeitern zählt die Zurich zu den führenden Versicherungen im Schaden- und Lebensversicherungsgeschäft in Deutschland.