Neben den Tarifparteien haben sich zahlreiche andere Stakeholder zu dem Sozialpartnermodell positioniert – darunter auch welche, die gleichermaßen gut rechnen können, aber gleichwohl nicht die gleiche Rechnung aufmachen. LEITERbAV dokumentiert Auszüge aus verschiedenen Stellungnahmen. Heute: DAV und IVS.
An dieser Stelle ist Ende 2016 bereits über die Positionspapiere der aba und des GDV, des Instituts der Wirtschaftsprüfer sowie des DGB und der BDA berichtet worden.
Heute folgen (infolge der redaktionellen Weihnachtspause von LEITERbAV und der Nachrichtendichte mit etwas Verspätung) die Stellungnahmen der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV) und des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS). Die Papiere sind kurz: Die DAV kommt mit zwei Seiten aus, das IVS benötigt deren dreie. Grund ist, dass beide sich auf einen wesentlichen Aspekt des Modells konzentrieren: den vorgesehenen Ausschluss der Garantien. Und das ist auch der Punkt, in dem sie sich unterscheiden.
„Das Sicherheitsbedürfnis der Arbeitnehmer“
Die DAV steht der Reform grundsätzlich positiv gegenüber und begrüßt in ihrer Stellungnahme vom 24. November 2014 ausdrücklich auch das Konzept der Zielrente. Doch dann heißt es:
„Um dem Ziel der größeren Verbreitung der bAV gerecht zu werden, ist es gleichzeitig von großer Bedeutung, dem Bedarf der Versorgungsberechtigten und deren Angehörigen Rechnung zu tragen. Dabei darf das Sicherheitsbedürfnis der Arbeitnehmer nicht außer Acht gelassen werden.“
Ergo hält man:
„… die Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten der reinen Beitragszusage des Arbeitgebers durch das Verbot von Garantiezusagen der Versorgungseinrichtungen für weder erforderlich noch hilfreich für die verstärkte Verbreitung der bAV.“
Zur Begründung bemüht man nicht weniger als ausgerechnet Solvency II, denn mit:
„… dem seit dem 1. Januar 2016 gültigen Aufsichtsregime für LVU wurde ein effektives Instrument geschaffen, um Garantien ökonomisch zu bewerten und mit den entsprechenden Eigenmitteln zu unterlegen.“
Die Aktuare hätten vor dem Hintergrund der aktuellen Niedrigzinsen und der neuen Bewertungsregeln von Solvency II die Garantien der LV weiterentwickelt, so dass diese die Erzeugung sicherer Leistungen unter Wahrung von Renditechancen erlaubten und dabei dem dem VN Wahlmöglichkeiten böten, in welchem Maße er Garantien und Renditechancen für sich gewichtet, so die DAV weiter. Folglich fordert man, explizit die Direktversicherung vom Verbot der Garantien auszunehmen, da dieses Verbot nicht erforderlich und unverhältnismäßig sei und die Sozialpartner unnötig einschränke.
Bei dieser Argumentation setzt man auf landestypische Mentalität:
„Insbesondere in der Leistungsphase ist von einem hohen Sicherheitsbedürfnis der Versorgungsberechtigten auszugehen. Hier sollten die Sozialpartner die Möglichkeit erhalten, mit den Versorgungseinrichtungen garantierte Mindestleitungen zu vereinbaren.“
Die Aktuare so heißt es weiter, seien auch im Rahmen von Solvency II in der Lage, LV-Produkte mit Garantien auszustatten, die eine Mindestleistung im Alter sicherstellten und die damit das Vertrauen in das neue Vorsorgemodell der reinen Beitragszusage maßgeblich stärkten.
Garantien ohne zu garantieren
Die DAV hat ihre Position am 14. Dezember 2015 noch einmal bekräftigt. Das wollte offenbar nicht jeder ganz unwidersprochen hinnehmen. Jedenfalls hat die Schwesterorganistation IVS – in dem sich im Gegensatz zur versicherungsorientierten DAV verstärkt die bAV-Kompetenz sammelt – ebenfalls am 14. Dezember eine eigene Position verfasst. Von einer Kritik am Garantieausschluss ist dort keine Rede, im Gegenteil, stehe doch dieser Ausschluss:
„… im Einklang mit den künftigen regulatorischen Bestimmungen für Pensionskassen und -fonds, insbesondere hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen, die nicht nach den für LVU maßgeblichen Solvency-II-Bestimmungen, sondern nach der kürzlich vom EP endgültig verabschiedeten Neufassung der Pensionsfondsrichtlinie festgelegt werden.“
Außerdem müsse die EbAV die Garantien ja nicht geben, könne sie aber bei Bedarf aber trotzdem umsetzen:
„Die Versorgungseinrichtung kann finanzielle Mittel in LV-Verträge investieren und damit zumindest indirekt Garantien absichern. Eine weitere Möglichkeit, die Akzeptanz der reinen Beitragszusage zu erhöhen, könnte sich ergeben, wenn dem Versorgungsberechtigten (ggf. tarifvertraglich) das Wahlrecht eingeräumt würde, bei Eintritt des Versorgungsfalles das Versorgungskapital teilweise oder ganz zu entnehmen und als Einmalbeitrag für eine private Rentenversicherung zu verwenden.“
Geschiedene Geister
Fazit von LEITERbAV: Am Sozialpartnermodell scheiden sich – wie bei jeder größeren politischen Reform – die Geister. Grundsätzlich kann man festhalten, dass mit zunehmender Nähe zur Versicherungswirtschaft der Wunsch nach Beibehaltung der Garantien – man darf wohl annehmen, dass die Motivation hier mehr geschäftlichen Interessen als sozialpolitischer Überzeugung entspringt – stärker wird. Das gilt wie hier beschrieben für die DAV, aber auch für BDA und DGB, denn schließlich sind auch Versicherer große Arbeitgeber, beschäftigen viele Arbeitnehmer und sind erfahrene Lobbyisten. Versicherungsferne Branchen, wie beispielsweise die Chemie, wünschen sich dagegen den klaren Fortschritt, also die Abkehr von den Garantien (dazu in Kürze mehr auf LbAV). Der Riss geht seit Jahren – schon während der Solvency-II-Debatte stets auch durch die aba, doch behält hier regelmäßig der originäre Blick auf die bAV als Sozialleistung der Industrie (und nicht als Finanzprodukt) die Oberhand, so dass die Meinungsverschiedenheiten zumeist nicht offen zutage treten. Hier – bei den Aktuaren – blieb dagegen am Ende wohl nur, zwei unterschiedliche Standpunkte zu kommunizieren.
Die Stellungnahme der DAV findet sich hier.
Die Stellungnahme des IVS findet sich hier.