Wie die turnusgemäße Studie zeigt, sind die Bewegungen der pensionsspezifischen Kerngrößen in der deutschen Großindustrie in den ersten sechs Monaten des Jahres verhältnismäßig stabil geblieben. Doch Kritik gibt es am Gesetzgeber, der in einem Punkt seit 37 Jahren nicht gehandelt hat.
Wie die Langzeit-Modellberechnung „German Pension Finance Watch“ von Willis Towers Watson für das erste Halbjahr 2018 zeigt, habenVeränderungen im Zins- und Inflationsumfeld dazu geführt, dass der Umfang der Pensionsverpflichtungen der DAX-Unternehmen im Berichtszeitraum um 1,0 Prozent leicht gestiegen ist, während die Pensionsvermögen um 0,3 Prozent sanken. In der Folge gab der Ausfinanzierungsgrad leicht nach und liegt nun bei 66,6 Prozent.
Nachdem die Lebenserwartung in Deutschland weiter steigt, waren jüngst die Heubeckschen Sterbetafeln aktualisiert worden, die eine der Grundlagen für die Berechnung der Höhe der Pensionsverpflichtungen sind. Willis Towers Watson erwartet, dass auf Basis dieser neuen Sterbetafeln viele Unternehmen ihre Pensionsverpflichtungen neu berechnen werden. Da die Lebenserwartung gegenüber den Tafeln aus dem Jahr 2005 weiter gestiegen ist, werden die Pensionsverpflichtungen bei Berücksichtigung der neuen Sterbetafeln ebenfalls zulegen. Bei Heubeck erwartet man in der Steuerbilanz je nach Zusammensetzung des Bestandes eine Zuführung zur Pensionsrückstellung zwischen 0,8 und 1,5 Prozent. Nach handelsrechtlichen und internationalen Grundsätzen der Rechnungslegung dürfte der Einmaleffekt mit 1,5 bis 2,5 Prozent dagegen deutlich höher ausfallen, wobei er maßgeblich von Rechnungszins, Gehaltsdynamik und Fluktuation abhängt.
37 Jahre und kein bisschen niedriger
Während sich der Ausfinanzierungsgrad entlang der Parameter Rechnungszins, Inflationserwartung und Performance der Kapitalanlagen völlig normal bewege, die Lebenserwartung zur Berechnung des Verpflichtungsumfangs ebenfalls regelmäßig überprüft werde und im Ergebnis Pensionsverpflichtungen realistisch berechnet, solide finanziert und damit „gewartet“ werden können, verharrten die Pensionswerke nur in einem Punkt in einem erzwungenen Stillstand:
„Der Rechnungszins, den Unternehmen beim Ansatz ihrer Pensionsverpflichtungen in der Steuerbilanz heranziehen müssen, liegt seit 37 Jahren bei sechs Prozent und damit schon lange fern von der Realität an den Kapitalmärkten“, kritisiert Heinke Conrads, bei Willis Towers Watson für das Beratungsgebiet bAV in Deutschland und Österreich verantwortlich. Hier sei der Gesetzgeber dringend gefragt, seinen „Wartungsarbeiten“ nachzukommen.“ Conrads verweist auf eine Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, wonach sich die Mehrbelastung der deutschen Unternehmen durch den überhöhten steuerlichen Rechnungszins allein für den Zeitraum 2008 bis 2014 auf 20 bis 25 Mrd. Euro summiere. Die Sache geht bekanntlich nach Karlsruhe.
Moderater Markt beeinflusst Pensionswerke
Im Einzelnen stiegen die Pensionsverpflichtungen der DAX-Konzerne laut der Modellberechnung von Willis Towers Watson im ersten Halbjahr um ein Prozent auf 385,9 Mrd. Euro. Gleichzeitig sanken die spezifisch für die Pensionen vorgehaltenen Planvermögen vor allem aufgrund der niedrigen Performance der europäischen Aktienmärkte sowie aufgrund von Währungseffekten um 0,3 Prozent auf 257,1 Mrd. Euro.
Im MDAX stieg der Verpflichtungsumfang geringfügig stärker um 1,2 Prozent auf 81,9 Mrd. Euro, während die Pensionsvermögen minimal zulegten (um 0,1 Prozent auf 46 Mrd. Euro). Diese Veränderungen reflektieren neben einer weiteren leichten Verringerung des Rechnungszinses um drei Basispunkte u.a. auch einen leichten Anstieg der Inflationserwartung um acht Basispunkte. „Die Inflation spielt insbesondere für die jährliche Anpassung der Betriebsrenten eine Rolle. Daher ist sie bei der Berechnung der Pensionsverpflichtungen einzubeziehen“, erläutert Aktuarin Hanne Borst, die bei Willis Towers Watson die versicherungsmathematische Beratung im bAV-Bereich leitet.
Die Modellberechnung „German Pension Finance Watch“
Der GPFW stellt die Auswirkungen der Kapitalmarktentwicklungen auf deutsche Benchmark-Pensionspläne dar. Verglichen wird ein Musterplan, der Ende 2003 vollständig ausfinanziert war (100-Prozent-Plan) und laufend in Höhe der neu erdienten Ansprüche dotiert wird, mit einem für ein DAX- beziehungsweise MDAX-Unternehmen typischen Pensionsplan. Analysiert werden die aktuellen Entwicklungen auf der Verpflichtungsseite sowie die Erträge der für Pensionsverpflichtungen reservierten Kapitalanlagen. Die Untersuchung ergänzt die von Willis Towers Watson herausgegebenen Studien zu US-amerikanischen und weltweiten Benchmark-Pensionsplänen sowie zu den Schweizer Pensionsplänen, die quartalsweise erscheinen.