Die in Schieflage geratene Bonner Kasse schickt die Bondholder ihrer Nachrangdarlehen zum Friseur. Das geht in vielerlei Hinsicht auch die Aufsicht an, besonders infolge eines gegenwärtigen, eigenen Vorstoßes.
Die in Schieflage geratene Deutsche Steuerberater-Pensionskasse hatte wie berichtet 2014 nach Abstimmung mit der Aufsicht nachrangige 10jährige Schuldverschreibungen (WKN: A13R48 / ISIN: DE000A13R483) im Gesamtnennbetrag von 10 Mio. Euro zu 4,375% begeben, die im Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden. Die betreffenden Gläubiger schickt die Kasse nun zum Friseur, zumindest vorläufig. Dies hat sie am 13. September adhoc mitgeteilt.
Hintergrund: Nachdem die Kasse am 19. August 2019 auf einer Gläubigerversammlung mit Änderungen der Bedingungen (Aufhebung der Zinsverpflichtung) bei den Bondholdern (hier federführend offenbar das Bankhaus Max Flessa) erstmal abgeblitzt ist, weil diese zunächst weitere Unterlagen sehen und prüfen wollten, hat die Kasse sich entschieden, die zum nächsten Fälligkeitstermin (17. September) fällige Zinszahlung vorläufig nicht zu leisten, sondern zunächst die Entscheidung der Anleihegläubiger abzuwarten.
Pathogenese weiter unklar
Kurz zur Erinnerung: Der Vorstand der Bonner Kasse hatte schon am 29. November 2018 einen geänderten Jahresabschluss und Lagebericht für das Jahr 2017 aufgestellt, Ergebnis: Solva Ende 2017 nicht mehr bedeckt, Unterdeckung rund 17,77 Millionen Euro, Eigenmittel nur noch 55,3 Prozent der Anforderung.
Am 19. Juni d.J. hatte die Kasse dann in einer AdHoc-Mitteilung die Nichtbedeckung der Mindestkapitalanforderung sowie den Verbrauch sämtlicher (!) Eigenmittel und den erwarteten Fehlbetrag zum Bilanzstichtag Ende 2018 kommuniziert. Die Verstärkung der Deckungsrückstellung führe zu einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 158 Mio. Euro entsprechend satten ca. 13% der Deckungsrückstellung. LEITERbAV hatte seinerzeit ausführlich dargelegt, inwiefern sich die Öffentlichkeit die Hintergründe der Krise in Bonn im Wesentlichen selber zusammenreimen muss.
Nun also der Haircut bei den Schuldverschreibungen (die zugehörige Pflicht zur AdHoc-Publizität ist übrigens eine der wenigen Quellen für die Öffentlichkeit). Was kann man daraus ableiten? Nicht allzu viel, aber:
Die Tatsache, dass die Gläubiger auf der Versammlung der Aufhebung der Zinsverpflichtung nicht zustimmen wollten, weil ihnen offenbar substantielle Informationen fehlten, passt zu der limitierten Information der Öffentlichkeit durch Kasse und Aufsicht.
Die Aufsicht hat dabei einen guten Grund für ihre Informationspolitik, denn sie darf sich zu einzelnen Instituten gar nicht äußern (übrigens hat die BaFin gegenüber LbAV jüngst auch die Auskunft verweigert, ob sie nun der Kasse die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb widerrufen habe).
Die Vorstände der Kasse dürften einen weniger guten, aber dafür praktikablen Grund haben: nämlich in dieser Lage stumpf den Kopf einzuziehen (und Anwälte wie D&O-Versicherung konsultieren).
Wird denn die Aufsicht aus dem nun gegenwärtigen Haircut Konsequenzen ziehen? Das könnte man sie fragen, ist aber wie erwähnt zwecklos. Doch dürfte die Haltung der Anstalt ohnehin klar sein: Im Zentrum der Aufsichtstätigkeit steht stets die Wahrung der Interessen der Berechtigten. Insofern sollte es die Aufsicht begrüßen, wenn zur Sanierung nicht nur Verlustrücklage, RfB sowie Berechtigte und Rentner (durch Herabsetzung der Leistungen und/oder Erhöhung der Beiträge) herangezogen werden, sondern zeitnah auch Bondholder (übrigens: da die Kasse keine Trägerunternehmen hat, sind Nachschüsse der Arbeitgeber hier keine Option. Auch ist die Kasse nicht Mitglied bei Protektor).
Haircut bis zur Glatze
Dass die Bondholder in Bonn nun offenbar nicht gegenüber Berechtigten privilegiert, sondern schon vor dem Insolvenzfall herangezogen werden, geht parallel mit einer neulichen Ankündigung der BaFin (ergangen vielleicht sogar angesichts des Bonner Falls), eben diese (ordnungspolitisch nachvollziehbare) Vorgehensweise bei Versicherern und Pensionskassen als in künftigen Anleihebedingungen verankerten Regelfall sehen zu wollen – und da geht es nicht mehr wie nun in Bonn nur um Zinsen, sondern um den Totalausfall
Freundlicherweise gibt die Anstalt direkt eine Formulierungshilfe an die Hand, wie eine solche Klausel in den Bedingungen aussehen sollte:
„Der Gläubiger des Nachrangdarlehens haftet bereits vor Eintritt der Insolvenz, wenn die BaFin ansonsten einer von dem Unternehmen vorgeschlagenen Leistungskürzung zustimmen oder diese nach § 314 Absatz 2 VAG anordnen würde. Die BaFin informiert den Nachrangdarlehengläubiger über den Eintritt des die Haftung auslösenden Ereignisses. Der Höhe nach haftet der Nachrangdarlehengläubiger so, wie er haften würde, wenn in diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. Spätestens mit Anordnung einer Leistungskürzung fällt der Gläubiger des Nachrangdarlehens vollständig aus.“
Es geht also nicht mehr nur um nicht gezahlte Zinsen. Wie ernst es der Aufsicht damit ist, zeigt sich auch daran, dass sie bei Kassen und Versicherern, die bereits Nachrangdarlehen aufgenommen bzw. nachrangige Schuldverschreibungen begeben haben, auf eine entsprechende Änderung der Bedingungen hinwirken will, sollten diese die Bondholder privilegieren. Ob das auch noch auf die Bondholder der Steuerberater-PK-Anleihen zutreffen wird, bleibt abzuwarten und wird man wohl erst über AdHoc-Meldungen erfahren. Ebenso ist unklar, ob die Bondholder die Kasse nun in die Insolvenz schicken können.
Die Anstalt hat ihre Vorstellungen betreffend künftige Anleihebedingungen jüngst in der Juli-Ausgabe ihre BaFin-Journals ausführlicher dargelegt.
Auch auf der jüngsten BaFin-Pensionskassentagung Anfang September in Bonn referierten zwei aba-Vertreter zu diesem Thema (die Berichterstattung dazu folgt in Kürze auf LbAV).