… oder Vorbereitung auf die Pleite? Im Vergleich zum PSV, der auf weiten Teilen der gesamten deutschen Volkswirtschaft beruht, scheint Protektor etwas schwach auf der Brust – insbesondere, wenn man den Niedrigzins als Bedrohung für das Lebensversicherungswesen sieht. Die Bundesregierung hat nun erläutert, dass sie bereits handele. Eben daran regt sich wiederum schwerste Kritik von anderer Seite.
LEITERbAV hatte berichtet: Erneut hatte sich jüngst die AfD unter ihrer Rentenexpertin Ulrike Schielke-Ziesing mit zwei Kleinen Anfragen, welche auch die bAV tangieren, an die Bundesregierung gewandt. Eine davon betraf die Digitale Rentenübersicht (zu der BMAS zwischenzeitlich bereits den Gesetzesentwurf vorgelegt hat). Die Antwort der Bundesregierung auf diese Anfrage hat LEITERbAV bereits vermeldet.
Zwischenzeitlich liegt auch die Antwort der Bundesregierung auf die zweite der beiden Anfragen vor. Dort erkundigte sich die Rechtspartei unter dem Titel „Private Altersvorsorge unter Druck – Lebensversicherungen und Protektor im Zeitalter dauerhafter Niedrigzinsen“ unter Verweis auf die neuliche Analyse des BdV und der Zielke Research Consult GmbH nach der Sicht der Bundesregierung auf die Lage von Lebensversicherern und ihrer Sicherungseinrichtung, u.a. betreffend die Einsatzfähigkeit von Protektor auch für den Fall einer stark eingeschränkten Zahlungsfähigkeit mehrerer mittelgroßer Lebensversicherer – eine Frage, die nach dem neuen PSV-Insolvenzschutz für PK-Zusagen für die bAV durchaus von Relevanz ist.
Kommission kommt mit Vorschlag – 20 auf der Intensivstation
Mit Blick auf eine sachgerechte Ausgestaltung des Aufsichtsrechts im Niedrigzinsumfeld verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort zunächst auf die gegenwärtigen Überprüfung der Solvency-II-Richtlinie 2009/138/EG. Hier sei ein Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission für 2021 zu erwarten.
Außerdem stünden derzeit ca. 20 Lebensversicherer unter intensivierter BaFin-Aufsicht (Anm.: Bei Pensionskassen beträgt die Anzahl derzeit 36).
Ähnlich wie bei Pensionskassen werden LVU der intensivierten Aufsicht unterworfen, wenn sie der jährlichen Prognoserechnung zufolge mittel- bis langfristig finanzielle Schwierigkeiten haben könnten. Diese LVU müssen der BaFin Berichte zur wirtschaftlichen Entwicklung über einen mittel- und langfristigen Zeithorizont vorlegen sowie insb. erläutern und quantitativ darlegen, ob und wie die Maßnahmen zur Finanzierbarkeit der eingegangenen Verpflichtungen wirken. Zu den Berichten fordert die Anstalt Stellungnahmen von Abschlussprüfer und Aufsichtsrat an. Anders als bei Pensionskassen greift die intensivierte Aufsicht auch, soweit LVU Übergangsmaßnahmen von Solvency II anwenden und dies zumindest zeitweise notwendig war, um die Solva-Anforderung zu erfüllen.
VAG in Veränderung
Zu der AfD-Frage nach dem Kampfgewicht von Protektor erläutert die Bundesregierung: Für die Durchführung seiner Aufgaben steht der Sicherungseinrichtung ein Sicherungsvermögen zur Verfügung, das durch jährliche Beiträge ihrer Mitgliedsunternehmen aufgebaut wird. Dieses beträgt gegenwärtig ca. 1,038 Mrd. Euro und erreicht damit das Soll von einem Promille der versicherungstechnischen Nettorückstellungen der Mitglieder. Darüber hinaus können bei Bedarf zusätzlich Sonderbeiträge in gleicher Höhe erhoben werden.
Weiter betont die Bundesregierung die ergänzende Selbstverpflichtung der deutschen Lebensversicherungsbranche, im Zweifel weitere Finanzmittel bereitzustellen:
„Dadurch erhöht sich die Leistungsfähigkeit von Protektor auf insgesamt rund 10,4 Mrd. Euro.“
Gleichwohl sieht die Regierung offenbar Handlungsbedarf. Wie sie erläutert, ist sie im Rahmen der Evaluierung des LVRG zu der Einschätzung gelangt, dass punktuelle Präzisierungen bei Protektor erforderlich seien. Ziel sei ein klar strukturierter, verfahrenssicherer Prozess im Sicherungsfall.
Die Regierung verweist darauf, dass sie entsprechende Änderungen des VAG bereits am 29. Juli 2020 auf den Weg gebracht hat – in einem Gesetz, dass sich eigentlich mit der Bankwirtschaft beschäftigt (s. Art. 6 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor).1
BdV: „Vorbereitung auf die Pleite“
Massive Kritik an dem Vorgehen kommt vom Bund der Versicherten: Ohne Beteiligung von Verbraucherverbänden habe das BMF den Gesetzentwurf vorgelegt. Sowohl Gesetzgebungsprozess als auch wichtige Regelungen seien intransparent.
„Der Sicherungsfonds für die Bestände von Pleiteversicherungen soll eine Blackbox werden“, bemängelt BdV-Chef Axel Kleinlein, und „das BMF bereitet sich augenscheinlich auf die Pleite mehrere Lebensversicherer vor“.
Besonders heikel sei die Finanzierung des Fonds; Kleinlein: „Ich befürchte, dass sich die Versicherer zügig aus der freiwilligen Selbstverpflichtung verabschieden und dann Steuerzahler die Milliardenlücke schließen sollen.“
Obwohl der Entwurf seit April vorliegt und die Versicherungslobby bereits Stellung genommen hat, verzichtete das BMF darauf, auch die Expertise der Verbraucherseite einzuholen, kritisiert der BDV. „Augenscheinlich will die Regierung möglichst unbemerkt von Verbrauchern und Versicherten dieses Gesetz durchpeitschen.“ Man sei nur durch Zufall (möglicherweise vorliegende Kleine Anfrage?) auf den Gesetzentwurf aufmerksam geworden, beklagt der BdV.
Konkret bemängelt Kleinlein, der „bereits 22 Lebensversicherer in Deutschland als angezählt“ sieht, dass die betroffenen Versicherten keinen Einblick bekämen, wie erfolgreich der für sie einschlägige Bestand von Protektor geführt werde. Ebenso kritisch sei, dass das Gesetz für Versicherte flächendeckende Kürzungen ermögliche, die Versicherer aber nur über die freiwillige Selbstverpflichtung in die Finanzierung des Fonds einbezogen würden. „Versicherte werden bluten, die Unternehmen sollen aber nur nach Gutdünken freiwillig zahlen oder nicht“, fasst Kleinlein zusammen. Schon jetzt hätten die Versicherten auf etwa 75 Mrd. Euro an Überschussleistungen verzichtet, um damit die ZZR zu finanzieren. Hinzu kämen etwa 25 Mrd. Euro weiterer Überschüsse, die den Kunden vorenthalten würden und in der freien RfB schlummerten. „100 Milliarden sind genug, jetzt sollten endlich die Aktionäre und die Branche zur Kasse gebeten werden“, so Kleinleins Fazit.
Im Falle einer Unterfinanzierung des Sicherungsfonds befürchtet Kleinlein, dass wieder nur der Ruf nach staatlicher Unterstützung komme: „Wenn es eng wird, dann wollen die Lebensversicherer stets an die Taschen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und weigern sich, selbst finanzielle Verantwortung zu übernehmen.“
Die Antwort der Bundesregierung 19/21338 auf die Kleine Anfrage der AfD findet sich hier.
1) Der Bundesregierung sei an dieser Stelle zugerufen, bei der Verwendung von Links in ihren Dokumenten aufmerksamer zu arbeiten und fehlerhafte Verlinkungen zu vermeiden. In parlamentarischen Vorgängen sind solche Fehler nicht standesgemäß.