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Vergangenen September in München (I):

Keine Einheit

Im Herbst hatte sich der das höchste deutsche Finanzgericht mit der Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen bei Direktversicherungen zu beschäftigen – und erteilte der hier forsch vorgehenden Finanzverwaltung prompt eine Abfuhr. Das Urteil dürfte, so erwartet es ein Beratungshaus, auf die anderen Durchführungswege der bAV ausstrahlen.

 

Mit Urteil vom 1. September 2021 – VI R 21/19 – hatte der BFH entschieden: Ob eine Direktversicherung vorgelagert pauschal oder nachgelagert zu besteuern ist, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die zugrunde liegende Zusage vor 2005 (Alt-) oder danach (Neuzusage) erteilt wurde.

 

Die Leitsätze des zwischenzeitlich verfügbaren Urteils lauten:

 

1. Der Zeitpunkt, zu dem eine Versorgungszusage erstmalig erteilt wurde, bestimmt sich nach der zu einem Rechtsanspruch führenden arbeitsrechtlichen bzw. betriebsrentenrechtlichen Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers (Anschluss an BMF-Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 350).

 

Der Bundesfinanzhof in München.


2. Hat der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers mehrere Direktversicherungen abgeschlossen, ist die Frage, ob diese auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Das Fehlen oder Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos kann dabei lediglich als ein Indiz herangezogen werden. Es ist keine gesetzliche Voraussetzung für eine Neuzusage (entgegen BMF-Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 355).“


Die
Longial die sich das Urteil genauer angesehen hat, schildert die Ausgangslage des Falls:

 

Für einen Arbeitnehmer war 1997 eine Direktversicherung abgeschlossen worden. Der Arbeitgeber versteuerte die Beiträge pauschal nach § 40b EStG a.F.. Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses 2013 wurde 2014 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen. Demnach erhielt der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung, die anteilig als Beitrag für eine Direktversicherung zu verwenden war. Der ex-Arbeitgeber schloss hierfür eine zweite Direktversicherung bei einem anderen Versicherer ab. Die Beitragszahlung erfolgte gemäß § 3 Nr. 63 EStG unter Anwendung der sog. Vervielfältigungsregel steuerfrei.

 

Die Sicht der Finanzverwaltung auf die Bestimmung des Zusagedatums …


Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung versagte das Finanzamt für die zweite Direktversicherung jedoch die Steuerfreiheit des Beitrags. Die Regelungen des EStG zur Pauschalbesteuerung seien bei Beiträgen für eine Direktversicherung weiter anzuwenden, wenn diese aufgrund einer vor 2005 erteilten Versorgungszusage geleistet werden und der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber auf die Steuerfreiheit der Beiträge verzichtet habe. Dies sei hier gegeben. Die Finanzverwaltung betrachtete die beiden Direktversicherungen deshalb als insgesamt im Jahr 2005 erteilt und damit als Einheit. Da bei der ersten Direktversicherung an der Pauschalversteuerung festgehalten worden war, also auf die Steuerfreiheit der Beiträge verzichtet wurde, sah es die Pauschalbesteuerung bei der zweiten Direktversicherung als zwingend an.

 

… wollte sich der BFH nicht zu eigen machen …


Der Einschätzung, dass die beiden Direktversicherungen im Sinne der Zusageerteilung eine Einheit bilden, erteilte der BFH im vergangenen September jedoch eine klare Absage. Bei der Frage, wann eine Zusage erteilt wird, sei grundsätzlich die arbeitsrechtliche bzw. betriebsrentenrechtliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers maßgeblich. Diese wurde im vorliegenden Fall – betreffend den Abschluss der zweiten Direktversicherung– nach Ansicht des BFH unzweifelhaft erst im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs abgegeben. Die Zusage auf Einrichtung der zweiten Direktversicherung wurde also nicht bereits 1997, sondern erst 2014 erteilt. Vor diesem Hintergrund wurde das Verfahren vom BFH an das FG zurückverwiesen, das noch weitere Feststellungen nachzuholen hat.


… und kritisierte das BMF-Schreiben zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen

 

Michael Gerhard, Longial.

Wie erwähnt, geht der BFH in der Urteilsbegründung geht auch auf Kriterien ein, die das BMF-Schreiben vom 24. Juli 2013 (IV C 3 – S 2015/11/10002, IV C 5 – S 2333/09/10005, Rz. 351) zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen benennt. Insbesondere setzt er sich kritisch mit der Forderung der Finanzverwaltung auseinander, wonach bei Erhöhungen einer bAV in der Regel weiterhin von einer Altzusage auszugehen sei, wenn die betreffende Versorgungszusage nicht um zusätzliche biometrische Risiken (Alter, Invalidität, Tod) erweitert werde. Dieser Einschätzung folgt der BFH nicht. Das Fehlen oder das Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos kann nach seiner Meinung vielmehr allenfalls ein Indiz für eine einheitliche oder nicht einheitliche Versorgungszusage sein. „Mit anderen Worten: Dem Kriterium kommt keine substanzielle Bedeutung zu“, schreibt Michael Gerhard, Aktuar der Longial, dazu.

 

Fazit: Steuerrecht folgt Arbeitsrecht

 

Der BFH stellt in seinen Leitsätzen des Urteils klar, dass die Frage, ob Direktversicherungen auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten ist. Grundsätzlich ist dabei die jeweilige arbeitsrechtliche bzw. betriebsrentenrechtliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers maßgeblich. So betont die Longial in ihrer Bewertung des Urteils, dass das Steuerrecht hier insoweit dem Arbeitsrecht folgt.

 

Insbesondere ist das Fehlen oder Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos keine gesetzliche Voraussetzung für die Einordnung einer Direktversicherung als eine Neuzusage. Der BFH äußert sich diesbezüglich sehr allgemein, finden die Düsseldorfer Consultants, und gehen daher davon aus, dass analoges auch für die anderen Durchführungswege der bAV gelten dürfte.

 

Das Urteil des BFH findet sich hier.


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