Unregelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: von Motoren im roten Bereich, von Krokodilstränen, von Schildbürgerstreichen – und mehr…
Reuters (3. November): „Habeck will ‚flexible‘ EU-Finanzregeln für Kampf gegen Klimawandel“
Robert Habeck will mehr Staatsgeld ausgeben. Das hat er mit den meisten Politikern gemein, und dass das Geld Richtung eigene Klientel fließen soll, auch. So weit – so schlecht.
Nun, wer behauptet, dass die Ökologie bei den Grünen von heute vor allem Fassade ist, der wird nicht nur bspw. bei dem kritischen Spannungsverhältnis Elektroauto vs. Lithium-Abbau fündig, sondern auch hier in dem Habeckschen Statement. Denn es muss ein Aspekt betont werden, der in der Debatte um Geldschwemme und Staatsschulden (die in dieser Exzessivität nur wegen des herbeimanipulierten Nullzinses möglich sind) meist untergeht:
Wenn Staaten, gar ganze Kontinente (genaugenommen praktisch die ganze Welt) mittels ständig neuem Geld ihre Ökonomien einem überhitzen Motor gleich permanent im roten Drehzahlbereich laufen lassen, hat das nicht nur schwerwiegende Folgen v.a. für Haushalte, Real- und Finanzwirtschaft, geldpolitische Fallhöhe und die soziale Balance, sondern auch für die Umwelt.
Produzierendes Gewerbe, Fabriken, Rohstoffabbau, Minenwirtschaft, Bitcoin-Blockchains etc, doch vor allem unendliche Mengen an Bauprojekten: Im Nullzins lohnt sich praktisch alles! Die Volkswirtschaften produzieren und produzieren, auf Teufel komm aus, auch am Bedarf vorbei, doch solange sich alles zu Null gegenfinanzieren lässt oder von verschuldeten Staaten gefördert wird, wird der Motor weiter hochgedreht. Erst wenn der letzte Zipfel Afrikas von Stollen durchzogen ist, die letzte Grünfläche in europäischen Metropolen zugebaut ist, das letzte Dorf seine Flächen für ein eigenes Gewerbegebiet versiegelt hat, wird Habeck merken, dass … ach, lassen wir das. Er wird es nie merken.
DNB (11. November): „Norwegen – Nächste Zinserhöhung wahrscheinlich im Dezember“
Wie hieß es eben zum Nullzins? Praktisch die ganze Welt? Nein, ein kleines Land am Rande Europas scheint den ewigen Nullzins nicht mitmachen zu wollen. Jedenfalls berichtet hier die DNB aus ihrem Heimatland, dass die Norwegische Zentralbank den Leitzins vermutlich im Dezember erneut anheben wird und weitere Schritte in Erwägung zieht. Dabei liegt die örtliche Inflation derzeit bei nur 1,2%. Auch wenn die Norweger hier mit einem Anziehen rechnen, ist man auch bei der Geldentwertung in deutlich komfortablerer Lage als die EZB, ungeachtet einer stärker werdenden Krone.
Ähnliche Zinsentscheidungen kommen dieser Tage aus Osteuropa. Man wird sehen, welche Folgen das dort für Wachstumsraten, lokale Kapitalmärkte, Staatshaushalte und Wechselkurse haben wird – und ob die Peripherie-Staaten dies werden durchhalten können. Doch bestätigt das zunächst einmal die alte kassandrische These, dass die Staaten, die Herr über die eigene Währung sind, viel mehr Spielräume haben als eine EZB, die längst nicht mehr Herrin über den Euro, sondern submissivste Dienerin ihrer Trägerstaaten ist, vorneweg des ClubMed.
Übrigens: Mehr zur skandinavischen Zinswende und welche Opportunitäten dies für Fixed Income und Pensionsinvestoren bedeutet, in der kommenden Ausgabe der Tactical Advantage.
stern (10. November): „Weidmann: Digitaler Euro wäre kein Ersatz für Bargeld.“
Zur Tragik des grundanständigen, aber kraftlosen Jens Weidmann ist auf LEITERbAV oft philosophiert worden, zuletzt angesichts seines Rücktritts, der zumindest für Kassandra mit unübersehbarer Ansage kam.
Hier nun setzt er sich – erneut – in vorbildlicher Weise für den Erhalt des Bargelds ein. Er dürfte sehr genau wissen, welche Rolle nicht nur ein stabiles Geldsystem, sondern auch die Existenz von Bargeld für das Fortbestehen einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat.
Doch auch hier wird er der tragische, kassandrische Rufer in der Wüste bleiben; jedenfalls gibt es keinen Grund für die Annahme, dass seine Mahnung betreffend das Bargeld bei Bundesregierung und in Euroland ingesamt auf mehr Gehör stößt als seine Warnung vor der ständigen Geldmengenausweitung.
Für ihn persönlich war der Rücktritt eine gute Entscheidung. Die Tränen, die darob mancher in der deutschen Politik nun vergießt, weiß er sicher genau zu deuten: Es sind die von Krokodilen.
Und wer wissen will, was es mit dem hier beigefügten Foto auf sich hat, auch der sei auf die kommende Ausgabe der Tactical Advantage verwiesen.
Lustige Liste zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Platz 1: Nord-Korea. Platz 2: Der Iran. Auf Platz drei folgende einige Staaten, in denen westliche Streitkräfte in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten maßgeblich die Governance gesteuert haben. Aber schon auf Platz vier listet die Anstalt – Seit an Seit mit Haiti – auch einen EU-Staat auf, mehrere Anwärter und ein Überseegebiet, das vor kurzem noch zur EU gehörte.
Immerhin: Die Cum-Ex-Republik Deutschland ist nicht gelistet.
Die Welt (3. November): „Nur rauf, nie runter – neue Formel verspricht Rentnern ein Plus von zehn Prozent.“
Erinnern Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, noch an die Rente mit 63? Das war wahrhaftig Kassandras Lieblingsschildbürgerstreich in der an Kapriolen wahrlich nicht armen Historie der deutschen Altersvorsorge. Dass eine alternde Industrienation, die unter schwerem Fachkräftemangel leidet, ihren Erfahrensten noch Geld dafür gibt, zwei Jahre früher aus dem Arbeitsleben auszuscheiden – kein Satiriker hätte sich das besser ausdenken können.
Doch im Altersheim Deutschland, in dem die große Mehrheit der Wähler – Beamte, ÖD, Transferleistungsempfänger, Rentner – von Staatsgeld lebt, können Politiker selten widerstehen, mit Steuergeld (von dem schon jetzt über 100 Mrd. Euro jährlich in die erste Säule fließen müssen) v.a. Rentengeschenke zu verteilen. Hier berichtet die Welt über ein Geschenk, das ein ehemaliger Arbeitsminister, ein geschäftsführender Finanzminister und ein künftiger Bundeskanzler gemeinsam zu verantworten haben.
Übrigens sei daran erinnert, dass Mercer jungst in seinem CFA Institute Global Pension Index, der 43 Rentensysteme vergleicht, Deutschland im Gesamtranking auf Platz 14 identifiziert hat.
Und bei welchem Aspekt hat Deutschland hier am schlechtesten abgeschnitten, mit lediglich 45.4 von 100 möglichen Punkten? Richtig, bei dem der Nachhaltigkeit.