Bei der Doppelverbeitragung geht es einen kleinen formalen Schritt voran: Das, was das Grundgesetz offenbar befiehlt, setzt der Gesetzgeber nun um. Alles andere wird auf die mittelfristige Bank geschoben. Manfred Brüss berichtet.
Gestern Nachmittag in Berlin: Der Deutsche Bundestag verabschiedet das GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) in der Ausschussfassung (Bundestagsdrucksache 19/5112).
Der Gesundheitsausschuss hatte insgesamt 16 Änderungen in den Gesetzentwurf der Bundesregierung eingearbeitet. Dazu gehört auch die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni, in welchen Fällen Rentenzahlungen von Pensionskassen in der GKV nicht beitragspflichtig sind.
Im Kern geht es bei dem Reformgesetz darum, die paritätische Finanzierung in der GKV wiederherzustellen. Nach Regierungsangaben werden dadurch die dort versicherten Arbeitnehmer und Rentner um bis zu acht Milliarden Euro entlastet, weil ab 2019 die Arbeitgeber respektive die Krankenversicherung der Rentner den halben Zusatzbeitrag übernehmen. Bisher muss der Zusatzbeitrag, der über dem Grundbeitrag der paritätisch finanzierten 14,6 Prozent, hinausgeht, allein von den Versicherten bezahlt werden.
Weitere wesentliche Kernelements des Reformgesetzes sind die Reduzierung der Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich tätige Selbstständige auf 1.015 Euro im Monat, die Beschränkung der Finanzreserven der GKV-Kassen ab dem Jahr 2020 und die Öffnung der GKV für Zeitsoldaten nach dem Ende ihrer Dienstzeit.
GKV-VEG reagiert auf Urteil des Verfassungsgerichts
Außerdem beschloss der Gesundheitsausschuss in Reaktion auf das Urteil des BVerfG vom 27. Juni eine Ergänzung des Paragrafen 229 Sozialgesetzbuch V (Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahmen).
Danach wird der dortige Absatz 1 Satz 1 Nummer fünf ergänzt um den Zusatz„sowie Leistungen, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer aus nicht durch Arbeitgeber finanzierte Beiträge erworben hat“.
In der Begründung zu der Ergänzung wird auf die bisherigen einschlägigen Entscheidungen des Verfassungsgerichts verwiesen. Für die Unterscheidung von Altersvorsorgeleistungen, die für versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei oder beitragspflichtig sind, sei entscheidend, ob der Versicherte nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts weiterhin unverändert nutze oder den Vertrag vollständig aus dem beruflichen Bezug löse (BVVs Marco Herrmann hat den Fall bereits auf LbAV analysiert).
„Die insoweit aufgestellten Abgrenzungskriterien des Bundesverfassungsgerichts werden mit der vorliegenden Änderung einheitlich gesetzlich festgelegt“, heißt es in der Begründung. Die Zahlstelle soll beitragsproportional die Gesamtversorgungsleistung in einen betrieblichen und einen privaten Anteil aufteilen.
Weiter geht’s erst 2019
Im Übrigen soll der Antrag der Linksfraktion zur generellen Abschaffung der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten erst im kommenden Jahr wieder aufgegriffen werden. Denn erwartungsgemäß wurde der Antrag auch diesen Mittwoch wieder von der Tagesordnung des Gesundheitsausschusses genommen. Strittig in der Koalition ist weiter die Kompensation von Beitragsausfällen in der GKV von jährlich 2,9 Milliarden Euro, wenn man zur halben Verbeitragung zurückkehrte.
Die SPD will zunächst auf die Rücklagen in der GKV zurückgreifen. Die Union sucht nach einer anderen Finanzierungslösung. Dies will die CDU auch auf ihrem Parteitag Mitte Dezember thematisieren.
Die Presseschau folgt am Montag.