Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Deutsche Aktuarvereinigung und Eberbacher Kreis:

Die Zeit ist jetzt!

Und jetzt muss der Durchbruch kommen! Die Politik in Berlin kocht gerade bekanntlich ihr ganz eigenes Süppchen, das die Republik dieser Tage tief spaltet und das Land noch lange beschäftigen wird. Die Altersvorsorge kommt dort unmittelbar nicht vor, die bAV erst recht nicht. Das heißt aber nicht, dass diese Fragen nicht wieder auf die Tagesordnung drängen werden, im Gegenteil. Zwei Kompetenzzentren haben derweil Forderungen in Sachen bAV formuliert – die einen können gut rechnen, die anderen gut Rechte geltend machen.

Im schwarz-roten Sondierungspapier kam sie noch vor, doch derzeit ist die Altersvorsorge von der politischen Tages-Agenda verschwunden; die Politik hat andere Sorgen (oder besser: Interessen). Das heißt nicht, dass die Stakeholder der bAV schweigen. Vorgestern erst erschien auf PENSIONSINDUSTRIES der Kommentar von VFPK- und BVV-Vorstand Helmut Aden. Heute melden sich an dieser Stelle zwei weitere Verbände zu Wort:

Die Mathematiker: Deutschland rutscht in eine Krise der Alterssicherungssysteme

Die Deutsche Aktuarvereinigung sieht in der Reform aller drei Säulen „eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort Deutschland und den Zusammenhalt der Gesellschaft.“

DAV-Vorsitzender Maximilian Happacher (im Zivilleben Ergo-Vorstand) mahnt – ohne die Bedeutung von Verteidigungsfähigkeit und Infrastruktur infrage zu stellen – die Politik, dass nun unter keinen Umständen andere wichtige und „wirklich entscheidende“ Herausforderungen anzugehen versäumt werden dürfe, und „um es ganz deutlich zu sagen: Wir dürfen die Reform der Alterssicherung nicht aus den Augen verlieren. Diese muss in allen drei Säulen, aufeinander abgestimmt und zeitnah innerhalb der anstehenden Legislaturperiode das Parlament passieren und umgesetzt werden.“

Und sonst? „Sonst laufen nicht nur die Kosten aus dem Ruder, sondern es wird in den aktuell jüngeren Generationen später in der Rentenphase zu deutlichen Einbußen und vermehrt zu Altersarmut kommen,“ so Happacher weiter.

Die DAV – ohnehin steter Teilnehmer der politischen Diskussion – hatte jüngst erst wesentliche Aspekte in ihrem Positionspapier zur Bundestagswahl zusammengefasst.

Max Happacher, Ergo und DAV.

Nun machen die Aktuarinnen und Aktuare unmissverständlich klar, dass der Kurs der Altersvorsorge weiter in die falsche Richtung zu steuern droht, sie schreiben:

„Eine Stabilisierung des Rentenniveaus durch eine pauschale Festschreibung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente, wie sie z.B. auch im Rentenpaket II vorgesehen war, ein Beibehalten teurer Sonderleistungen wie der abschlagsfreien Rente nach 45 Berufsjahren oder großzügige Ausweitungen der ‚Mütterrenten‘, wie in den Sondierungen vorgesehen, führen allesamt zu einer Verschärfung des Problems.“

Das ist ein Zirkelschluss-Dilemma.“

Happacher verweist hier auf die ebenfalls erwartbaren Anstiege der Beiträge in den Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen – was Kaufkraft und damit auch Vorsorgefähigkeit der Menschen drücke und via Lohnnebenkosten auch dem Standort D schade. Happacher: „Das ist ein Zirkelschluss-Dilemma. Auf die Art rutscht Deutschland zunehmend in eine Krise seiner Alterssicherungssysteme und fördert Altersarmut sowie intergenerationale Konflikte in der Gesellschaft.“ Gleichzeitig würden auch noch jenseits des Verteidigungshaushaltes die Geldschleusen geöffnet, was den Druck von der nötigen Ausgabendisziplin nehme und obendrein das Potenzial habe, die Inflation wieder anzukurbeln.

Statt die Trends aus rentenpolitischen Anpassungen der Reformen von 1989 (u.a. Einführung von Abschlägen, Herausnahme beitragsfreier Zeiten etc.) sowie von 1997 bis 2007 (u.a. die Stärkung kapitalgedeckter Absicherung, Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67)fortzusetzen und sich demographisch zukunftssicher aufzustellen, „wurde seit 2013 der Rückwärtsgang eingelegt, und zwar vollständig zulasten kommender Generationen“, läßt die DAV kein gutes Haar an dem eingeschlagenen Kurs – den die Politik nun offenbar mit anziehendem Tempo fortsetzen will.

Teils unbequeme Entscheidungen seien nötig, so die DAV: Fortsetzung der Anpassung des Renteneintritts an die steigende Lebenserwartung, aber v.a. Reformen, die die bAV stärken und die staatlich geförderte Altersvorsorge deutlich attraktiver machen und so insgesamt zu einer Stärkung der zusätzlichen Alterssicherung führen (was ja an sich keine unbequeme Entscheidung wäre). „Die Wirkungen von Maßnahmen, die die Alterssicherung betreffen, haben lange Vorlaufzeiten und die Zeit wird immer knapper“, so Happacher, und „es muss jetzt etwas passieren.“

Die Juristen: Deutschland bewegt sich auf eine ernste Altersversorgungsmisere zu

Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des Eberbacher Kreises haben ihre Forderungen an die Politik in Sachen bAV unter dem Titel „Jetzt den Durchbruch für die flächendeckende Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung ermöglichen“ formuliert – und sie fokussieren sich ganz auf die Sorgen und Nöte derjenigen, auf die es in Sachen Verbreitung der bAV zentral ankommt: die Arbeitgeber.

Auf sieben Seiten formulieren die Pensions-Experten ihre Argumente. Das Papier, das der Redaktion vorliegt, wird auf dem gleichnamigen Kongress des Kreises am 2. April in der Hessischen Landesvertretung in Berlin-Mitte Politik und Fachöffentlichkeit übermittelt. Daher hier nur Auszüge:

Wie die Aktuare betonen auch die Juristen das „Jetzt“, und statt von „Krise“ sprechen sie von „Misere“: Das Rentenniveau werde sinken, soweit dies nicht durch Beitragssatzerhöhungen, die ohnehin bevorstünden, überkompensiert werde. Seit Jahren werde deshalb nach einer Stärkung der bAV gerufen, leitet das Papier ein. Dies erfordere ein stärkeres Engagement der Arbeitgeber, ganz besonders in KMU, wo die bAV bisher nahezu nicht vorkommt.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der bAV gingen jedoch an den Bedürfnissen ausgerechnet dieses besonders beschäftigungsintensiven Teils der deutschen Wirtschaft vorbei, bemängeln die Eberbacherinnen und Eberbacher.

Die unternehmerische Handlungsfähigkeit muss auch mit bAV erhalten bleiben.“

Es sei deshalb zwingend erforderlich und auch überfällig, die gesetzlichen Bedingungen der bAV so zu gestalten, dass für Arbeitgeber bezüglich der betrieblichen Versorgungsregelungen

• Kostensicherheit

• Rechtssicherheit

• Flexibilität und eine

• bessere Übertragbarkeit von Versorgungsversprechen

erreicht werde.

Marco Arteaga, Luther und Sprecher Eberbacher Kreis.

„Die unternehmerische Handlungsfähigkeit muss auch mit bAV erhalten bleiben. All dies ist möglich, ohne die Arbeitnehmerrechte zu beeinträchtigen“, so das Papier wörtlich. Der Eberbacher Kreis verlangt deshalb gesetzliche Korrekturen in folgenden Bereichen:

1. Entfall des Tarifvorbehalts für reine Beitragszusagen

2. Alternativ: Die Ermöglichung reiner Beitragszusagen auch als „Verbandsmodell“ von Berufs- oder Branchenverbänden, wenn ein Tarifvertrag nicht existiert

3. Einfache Kontenmodelle für flexible Dotierungen, beliebige Übertragbarkeit und Transparenz

4. Steuerfreiheit für Dotierungen reine Beitragszusagen

5. Zulassung einer barwerterhaltenden Harmonisierung betrieblicher Versorgungsversprechen

6. Erleichterungen für die Übertragbarkeit von Versorgungsverpflichtungen

7. Beschleunigte Herstellung von Rechtssicherheit nach Änderung von Versorgungsregelungen

8. Beseitigung der Kollisionen von Versicherungsaufsichtsrecht und Arbeitsrecht

Fazit von PENSIONSINDUSTRIES

Bekanntlich sind Union und SPD (und als Schatten-Koalitionspartner die Grünen mit am Tisch) derzeit vor allen Dingen damit beschäftigt, ihre künftigen Machtstrukturen auszuhandeln – und sie haben dabei keinerlei Hemmungen, all das über Bord zu werfen, was diesem darbenden Land bis dato zumindest noch einen Rest an fiskalischer Stabilität bewahrt hat. Das betrifft eindeutig auch die erste Säule, in der sündhaft teure Wahlgeschenke auf der Agenda stehen.

Ob künftig daher auch in der bAV die richtigen Weichen gestellt wurden, bleibt abzuwarten, man darf aber getrost skeptisch sein. Jedenfalls gilt: Im auf Halde liegenden BRSG 2.0 befindet sich Abseits der 100er-Förderung praktisch nichts, was ernsthaft Geld kostet.

Richtig ist, dass die Aktuare v.a. zu fiskalischer Zurückhaltung in der ersten Säule mahnen (auch wenn das vergeblich sein dürfte). Und man beachte, dass auch die Juristen ausschließlich Forderungen stellen, die wenig bis gar keinen fiskalischen Effekt haben (abseits der Tatsache, dass eine weitere Verbreitung der bAV, die ja politisch zweifelsfrei wünschenswert ist, auch die Fördertatbestände in mehr Breite bringt – die aber ohnehin überschaubar sind), sondern faktisch nur eine Good Governance adressieren.

Es ist gut, dass in diesen Wochen, wo auf allen Politikfeldern alle nur nach immer mehr Freibier für alle rufen, es die Stakeholder der bAV sind, die in diesen Chor nicht einstimmen – im Gegenteil.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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