Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV – und mit der vorliegenden endet die Winterpause auf LEITERbAV. Heute: Die einzige Steuer, die je bezahlt worden ist.
Westfalenpost (10. Januar): „Warum Arbeitgeber vor Entlastung von Betriebsrentnern warnen“
Geht die endlose Geschichte Doppelverbeitragung in die nächste Endlosschleife? Jüngst sah es so aus, als kämen Politik und Stakeholder einer Lösung zumindest in Trippelschritten näher.
Grüne und vor allem die Linke wollen die Abschaffung ohnehin und unbedingt, doch mit der SPD macht sich in abgeschwächter Form mittlerweile auch eine Partei dafür stark, die erstens in der Regierungsverantwortung ist und zweitens die zur Diskussion stehende Regelung mitzuverantworten hat.
Als im vergangenen Oktober im Deutschen Bundestag über den Linken-Antrag vom 12. Dezember 2017 beraten wurde, waren sich jedenfalls alle Fraktionen – mehr oder weniger – einig, dass die Doppelverbeitragung von Betriebsrentnern aufgehoben werden soll. Die SPD sprach sich seinerzeit für eine Rückkehr zum halben Beitragssatz und eine Umwandlung der Freigrenze von 152 Euro in einen Freibetrag aus. Der SPD-Sozialexperte Ralf Kapschack erklärte dabei, dass die hohen Rücklagen in der GKV zur Gegenfinanzierung ausreichten.
Und auch die CDU hat sich auf ihrem Parteitag im Dezember für eine „Reform“ ausgesprochen, wenn auch wie berichtet mit einer etwas fragwürdigen Terminologie.
Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hatte sich bereits Ende August 2018 dafür ausgesprochen, dass „für pflicht- und freiwillig versicherte Empfänger von Versorgungsbezügen“ wieder der halbe Beitragssatz gelten sollte.
Und nun stellen sich die Arbeitgeber quer? Die Überschrift der oben verlinkten Westfalenpost klingt jedenfalls so. Und in einem Zwischenhead schreibt das Blatt, das sich auf ein Positionspaper der BDA beruft, gar:
„Arbeitgeber wollen an Status quo festhalten“.
Das zumindest klingt in dieser Absolutheit überraschend. Die BDA hat sich seit Jahr und Tag für eine Abschaffung der Doppelverbeitragung ausgesprochen, das ist auch auf LEITERbAV gut dokumentiert. Richtig ist aber auch, dass sie sich dabei (der Begriff der Doppelverbeitragung hat ja zwei bis zweieinhalb Auslegungen) stets auf die Verbeitragung in Anspar- wie in Rentenphase bezog (betreffend also vor allem Arbeitnehmer, die sich oberhalb von vier Prozent der BBG engagiert haben) und nicht auf den Übergang vom halben auf den vollen Beitragssatz auf Renten und von Beitragsfreiheit auf die -pflicht bei Kapitalleistungen ab 2004.
Schon im September 2015 hatte BDA-Geschäftsführer Alexander Gunkel im Gespräch mit LEITERbAV (mit Blick auf Riester) gefordert:
In einer Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss vom April 2018 schrieb die BDA:
Diese Position hält die BDA auch laut dem Artikel in der Westfalenpost bei, scheint nun aber die Zeit für gekommen zu halten, sich verbal deutlicher zu positionieren. Dabei zitiert das Blatt BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter:
„Die Diskussion um Betriebsrenten hat einen sonderbaren Verlauf genommen. Aus der Klage über die zweimalige Belastung der bAV mit Krankenkassenbeiträgen ist eine Kritik am vollen Krankenkassenbeitrag auf Betriebsrenten geworden.“
Und weiter wird Kampeter zitiert:
„Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist Doppelverbeitragung die Regel, ohne dass das irgendjemand in der Politik stört.“
Jetzt verkompliziert es sich aber. Welche Art von Doppelverbeitragung meint Kampeter denn hier? Zumindest die Art von Doppelverbeitragung, welche die BDA für die Betriebsrentner augenscheinlich beibehalten will, gibt es in der gesetzlichen Rente jedenfalls nicht. Denn für in der GKV pflichtversicherte Rentner gilt der allgemeine Beitragssatz, von dem der Rentenversicherungsträger die Hälfte übernimmt. Gleiches gilt für den Zusatzbeitrag der Krankenkassen. Orientierte man sich an der Regelung, die bezüglich der Verbeitragung der gesetzlichen Rente gilt, müsste man sich ja für die beispielsweise von der SPD geforderten hälftigen Verbeitragung von Betriebsrenten in der Rentenphase einsetzen. Das aber will die BDA offenbar gerade nicht.
Nochmal Kampeter laut Westfalenpost:
„Entlastungen für die bAV könnten schnell dazu führen, dass auch für andere Alterssicherungssysteme entsprechende Beitragsentlastungen gefordert werden.“
Zumindest könnte eine hälftige Verbeitragung von Betriebsrenten nicht zu entsprechenden Forderungen zur hälftigen Verbeitragung von gesetzlichen Renten führen. Denn dort ist das längst so.
Wie dem auch sei, einfacher dürfte die ohnehin schwierige politische Diskussion nach Kampeters Äußerungen jedenfalls nicht werden, erst recht nicht angesichts einer zögerlichen CDU und eines noch zögerlichen Gesundheitsministers.
Ferner sei am Rande daran erinnert, dass die Politik die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Abschaffung der Doppelverbeitragung bei privat fortgeführten PK-Versorgungen bereits auf den Weg gebracht hat.
Allerdings ist schon jetzt klar, dass dieses Urteil in der Praxis EbAV und Arbeitgeber noch vor große administrative Herausforderungen stellen wird, die denen in der Frage der Umsetzung des 15-Prozent-Zuschusses in nichts nachstehen werden.
Die Welt (4. Januar): „Der Euro-Zone droht ein neuer Griechenland-GAU.“
Dass die ganze Causa Griechenland nichts weiter ist als eine supra-staatliche Insolvenzverschleppung auf Kosten von Steuerzahlern, Sparern und auch bAV-Berechtigten, ist auch in dieser Presseschau Legion. Der Begriff „Insolvenzverschleppung“ findet in den LbAV-Presseschauen 15 Treffer. In einer der betreffenden Meldungen hieß es schon 2016 über die Athener „Pokerspieler“, die :
Die Insolvenzverschleppung, die nicht zuletzt die Zukunft des griechischen Volkes für immer verspielt, droht laut Welt nun also in die nächste Runde zu gehen. Dass Deutschland – lange von Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble vorangetrieben – hier die Rolle des Dauerzahlers und Oberlehrers gleichermaßen einnimmt, ist gleich unter mehreren Gesichtspunkten Ausfluss deutscher Planlosigkeit:
Erstens wird der deutsche Drang, Griechenland zu einem nach deutschen Grundsätzen gegovernten Staat- und Steuersystem zu formen, scheitern, denn er verkennt einen wesentlichen Aspekt – nämlich den, dass die einzige Steuer, die in Griechenland über die Jahrhunderte wirklich bezahlt wurde, die Inflation ist.
Zweitens sollte Deutschland in Sachen Good Governance und Steuerehrlichkeit die Latte nicht zu hoch legen. Man denke nur die Causa cum/cum und cum-ex laut „Zeit“ der größte Steuerraub der Geschichte. Gegen das, was das deutsche Bundesfinanzministerium offenbar mitzuverantworten hat, sind Tsipras & Co. nur kleine Fische. Deutschland ist nicht nur unter dem Aspekt der Verschuldung, sondern auch unter dem Aspekt der Steuer-Governance nicht weniger als das Super-PIG der Eurozone.
Es bleibt dabei: Die Geschichte des Euro ist eine von Manipulation, Täuschung und Rechtsbeugung, nicht mehr und nicht weniger. Und die Geschichte wird nur weitergehen, wenn auch Manipulation, Täuschung und Rechtsbeugung weitergehen. In der Sphäre einer klassischen, rechtmäßigen und konsequenten Ordnungspolitik wäre der Euro von heute in seiner pathogenetischen Konstruktion ohne Überlebenschance.
Ferner sei daran erinnert, dass die endlose Posse um Griechenland ein Baustein in der geostrategischen Gemengelage ist, welche zumindest aus Sicht Kassandras eine substantielle Zinssteigerung in Euroland in absehbarer Zeit nicht zulässt.
FAZ (8. Januar): „Der Deutsche Staat spart viele Milliarden.“
Wo wir schon bei Manipulation, Täuschung und Rechtsbeugung sind: Wie die Frankfurter Allgemeine hier unter Berufung auf die Bundesbank berichtet, sollen infolge des (politisch herbeimanipulierten Niedrigzinses) Bund, Länder und Gemeinden von 2008 bis einschließlich 2018 demnach fast 370 Milliarden Euro gespart haben.
Weiter schreibt die FAZ:
„Fast ebenso viel wie der deutsche Staat profitierte Frankreichs Staat von den sinkenden Zinsen, die von durchschnittlich 4,4 auf 1,9 Prozent fielen: Frankreichs Zinsersparnis im Staatshaushalt belief sich dadurch auf 350 Milliarden Euro, so die Bundesbank-Berechnung. Der hochverschuldete italienische Staat, für den die Durchschnittsverzinsung seit 2008 von 4,9 auf 2,8 Prozent fiel, habe 260 Milliarden Euro gespart. Für alle Staaten des Euroraums zusammen gibt die Bundesbank-Berechnung die Zinsersparnis über ein Jahrzehnt mit 1,4 Billionen Euro an. Allein 2018 kamen 230 Milliarden Euro hinzu. Die Gesamtersparnis gegenüber dem Vorkrisenzinsniveau beträgt etwas mehr als ein Zehntel des Bruttoinlandsprodukts. Relativ gesehen haben von den großen Staaten Italien und Frankreich mit 15 Prozent des BIP am meisten gespart.“
Wenn in dem Kommentar zum vorherigen Beitrag die alte kassandrische These von der Unmöglichkeit steigender Zinsen in Euroland wiederholt worden ist, dann findet sich in diesen Zahlen der Bundesbank ein weiterer Beleg für diese These. Die Abhängigkeit Deutschlands und noch mehr der Südstaaten von dem billigen Geld der Notenpresse ist gigantisch. Ferner geben diese Zahlen die besonders in Berlin stets vielbeschworene „schwarze Null“ aufs Neue der Lächerlichkeit preis – ohne diese „Ersparnis“ würde die defizitäre Lage auch der nur scheinbar prosperierenden Bundesrepublik brutal zu Tage treten. Von den Kosten, die auch dem deutschen Staat infolge der Manipulation entstehen – EU-Rettungsschirme, Hilfskredite, Target-Salden etc. – ganz zu schweigen.
Daneben sollte man nicht vergessen (wie auch der Artikel im weiteren Verlauf erläutert), dass diese „Ersparnis“ der Staaten nicht vom Himmel fällt oder aus dem Nichts heraus entsteht. Wer nicht zuletzt den Preis dafür bezahlt, kann man dieser Tage bei den Berechtigten manch deutscher Pensionskassen erfragen. Denn diese zahlen nicht nur mit seit Jahren sinkenden Erträgen, sondern mittlerweile auch mit Eingriffen in ihre Renten – und wenn sie es nicht bezahlen, dann ihre Arbeitgeber.
Die Welt (5. Januar): „Früherer Chefökonom Stark sieht die EZB als ‚Risiko‘.“
Hier ein weiterer Aspekt aus dem Multikomplex Niedrigzins: Dass die EZB – wie Ex-EZBler Jürgen Stark hier erläutert – auch in konjunkturell guten Zeiten keine geldpolitischen Spielräume aufgebaut hat, um jederzeit mögliche Krisen zu bekämpfen, kann man nicht oft genug erläutern. Davon, dass die Notenbanken „ihr Pulver trocken halten sollten“ redet auch Kassandra regelmäßig:
„Einen wesentlichen Unterschied gibt es zu 2007: Damals hatten die Notenbanken, als die Krise mit Wucht einsetzte, angesichts des noch halbwegs auskömmlichen Leitzinsniveaus die Möglichkeit der echten geldpolitischen Lockerung. Die haben sie heute nicht mehr. Denn nachdem man sich ab 2007 entschlossen hat, eine durch zu viel und zu billiges Geld entstandene Krise durch noch mehr und noch billigeres Geld zu bekämpfen (also dem Alkoholiker Schnaps zu geben) und damit in völliger Hemmungslosigkeit das Ziel zu verfolgen, den Reformbedarf zu verschleiern, haben die Notenbanken bis heute ihr Pulver verschossen. Wollten sie in einer weiteren echten Krise diese Politik fortsetzen, würden die Geldmengen, die sie die Hand nehmen müssten, Größenordnungen annehmen, die nichts anderes bedeuten könnten als den Währungsverfall – mit allen Folgen nicht nur für die Realwirtschaft, sondern auch für Wohlstand, Demokratie, Frieden und Freiheit.
Zu der Konservierung der finanzwirtschaftlichen Defizite tritt hinzu, dass die Problematik nicht auf die Finanzwirtschaft beschränkt ist, denn das zu billige Geld erzeugt nachhaltige Fehlallokationen auch in der Realwirtschaft. Das einzige, was Draghi damit bis heute erreicht hat, ist, dass die Fallhöhe ständig zunimmt und er selbst längst Gefangener des eigenen Handelns ist
Die Problematik betrifft in gewisser Weise zwar auch die USA, doch mehr noch Euro-Land, das nicht nur geostrategisch von den gegenwärtigen politischen Krisen (Ukraine, Syrien, Libyen) ohnehin stärker betroffen ist, sondern wegen der Einheitswährung auch in viel diffizileren Währungsturbulenzen steckt.“
DIA (9. Januar): „Neuerlicher Vertrauensschwund in der Altersvorsorge.“
Alle Dinge sind relativ, und hier wenigstens eine relativ positive Meldung.
Die jüngste Erhebung des DIA-Deutschland-Trend Vorsorge hat für das Jahr 2018 einen neuerlichen auffälligen Vertrauensschwund der Deutschen in die Altersvorsorge festgestellt.
Mit der Befragung ermittelt das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) einmal jährlich das Vertrauen in die drei Säulen der deutschen Altersvorsorge, die Erwartungen an den Lebensstandard im Alter und die Vorsorgeplanungen. Ergebnis: 2018 fiel das Vertrauen der Deutschen in die gesetzliche Renten wieder auf einen ähnlich tiefen Wert wie im Jahr 2016. Auch die bAV musste Federn lassen, doch dies weniger stark.
Überhaupt schneidet die bAV am besten ab. Auf einer Skala von 0 (völlig unsicher) bis 10 (ganz sicher) ermittelte das DIA für die bAV im Durchschnitt einen Wert von 5,0 (Vorjahr 5,7). Die gesetzliche Rente erreicht nur noch den Wert 4,2 nachdem sie im Vorjahr ebenfalls 5,7 erreichte. Der Ex-Spitzenreiter private Altersvorsorge verschlechterte sich von 5,9 auf 4,8.
Bleibt abzuwarten, wie sich die Werte weiterentwickeln. Besonders positiv muss man für alle Formen der Vorsorge angesichts der in dieser Presseschau ausführlich geschilderten Folgen der Zins- und Währungsmanipulation nicht gestimmt sein. Für die bAV tritt die auch zunehmend außerhalb der Fachöffentlichkeit ankommende nicht einfache Lage der Pensionskassen hinzu, die beizeiten auch auf die Stimmung durchschlagen könnte.