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Steuerberater-Pensionskasse:

Nichts Genaues weiß man nicht

Erneut muss eine Einrichtung der bAV Nichtbedeckung vermelden. Doch Einzelheiten von den Beteiligten zu erfahren ist nicht einfach. Detlef Pohl berichtet.

 

Angesichts anhaltend niedriger Zinsen tut sich manch Versorgungswerk schwer, die Leistungsversprechen nachhaltig zu erfüllen. Jüngstes Beispiel ist die Deutsche Steuerberater-Versicherung, Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG, die mit Unterdeckungen der Solvabilitätsanforderung kämpft und wohl Leistungen kürzen oder Beiträge erhöhen muss.

 

Erst am 4. Dezember hatten die Kölner Pensionskasse und ihre Schwester, die Pensionskasse der Caritas, einen Wechsel des Vorstandschefs vermeldet und auf Schieflagen verwiesen, die zu Korrekturen der Leistungen auch für die Vergangenheit (Past Service) zwingen werden.

 

Auch die Deutsche Steuerberater-Versicherung, Pensionskasse des steuerberatenden Berufs, kämpft – wie in einigen Medien schon berichtet – aktuell mit Unterdeckungen der Solvabilitätsanforderung und muss wohl Leistungen kürzen oder Beiträge erhöhen. Laut einer Ad-hoc-Mitteilung vom 5. Dezember hatte der Vorstand der Bonner Kasse am 29. November 2018 einen geänderten Jahresabschluss und Lagebericht für 2017 aufgestellt. Mit diesem geänderten Jahresabschluss wurde festgestellt, dass per 31. Dezember 2017 die Solvabilitätskapitalanforderung nicht mehr bedeckt sei.

 

Der Meldung zufolge bestand bereits Ende 2017 eine Unterdeckung von rund 17,77 Millionen Euro. Die Eigenmittel beliefen sich auf nur 55,3 Prozent der Anforderung. Weiter heißt es:

 

… die Nichtbedeckung der Solvabilitätskapitalanforderung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2018 ist bereits eingetreten. Es droht weiterhin die Nichtbedeckung der Mindestkapitalanforderung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2018.“

 

 

Krise mit Ankündigung

 

Die Krise hatte sich für die interessierte Öffentlichkeit bereits per Ad-hoc-Meldung vom 19. Oktober angekündigt.Es werden möglicherweise erhebliche Erhöhungen der Deckungsrückstellung zur weiteren Zinsverstärkung vorzunehmen sein“, hieß es seinerzeit. Falls dies durch eine Entnahme aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) geschehe, würden die Eigenmittel voraussichtlich unter die Anforderungen an das Solvabilitätskapital sinken. „Auch ohne eine derartige Entnahme aus der RfB erscheint es derzeit fraglich, Fehlbeträge in Folge der Zinsverstärkungen vermeiden zu können, die gegebenenfalls aus der Verlustrücklage zu decken wären. Die Eigenmittel würden dann durch Entnahme aus der Verlustrücklage unter die Solvabilitätskapital-Anforderung sinken“, schreiben die Vorstände Petra Albrecht und Martin Bollmann. Je nach Umfang der vorzunehmenden Zinsverstärkungen könne auch die Nichtbedeckung der Mindestkapitalanforderung eintreten.

 

Folge dürfte sein, dass die Pensionskasse gemäß ihrer Satzung (§ 16 Absatz 3) einen Fehlbetrag, soweit er nicht aus der Verlustrücklage gedeckt werden kann, eben aus der RfB decken müsste. Wenn auch diese nicht ausreicht, ist der Fehlbetrag laut Satzung durch Herabsetzung der Leistungen oder durch Erhöhung der Beiträge oder durch beide Maßnahmen auszugleichen. Ein Nachschießen ist per Satzung ausgeschlossen. Die Kasse ist kein Mitglied bei Protektor, dem Sicherungsfonds für die Lebensversicherer, dem sich 21 Pensionskassen freiwillig angeschlossen haben. Insofern muss die Kasse, die seit 1998 von der Aufsicht als „Pensionskasse von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“ geführt wird und heute rund 900 Millionen Euro Versicherungssumme schwer ist, aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen.

 

 

BaFin antwortet dezent auf Nachfrage…

 

Dazu hat LEITERbAV bei den Vorständen sowie auch der Aufsichtsbehörde nachgehakt. Den Autor interessiert, wie es 2017 so plötzlich zu einer Unterdeckung des Solvabilitätskapitals kommen konnte.

 

Im Geschäftsbericht 2016 war noch von guten Erträgen, erhöhter Nettoverzinsung, fast 3,4 Millionen Euro Überschuss (der voll in Verlustrücklage und RfB einging) und einer Erfüllung der Solvabilitätsvorschriften mit 39,7208 Millionen Euro die Rede. Das Solva-Eigenkapital müsste demnach 2016 gerade so eben erfüllt worden sein. Nun fehlen bis Ende 2017 rund 17,8 Millionen Euro, und für Ende 2018 wird gar keine Zahl genannt. Gibt es schon Beschlüsse der Kasse zur Korrektur, und hat die BaFin diesen zugestimmt?

 

Die BaFin in Frankfurt am Main, Foto: Kai Hartmann.

Die BaFin hat relativ schnell geantwortet. „Ich bitte um Verständnis, dass ich mich aufgrund meiner gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich nicht zu einzelnen Unternehmen äußern kann“, schreibt Pressesprecher Norbert Pieper. Unabhängig vom konkreten Einzelfall habe die BaFin aber mehrfach darauf hingewiesen, dass einige Kassen zusätzliche Mittel benötigen könnten, um ihre Leistungen auch bei andauernder Niedrigzinsphase weiterhin in voller Höhe erbringen zu können. „Soweit die Träger einer Kasse nicht willens oder in der Lage sind, Sonderzuwendungen zu leisten, steht gegebenenfalls eine Leistungskürzung im Raum“, so Pieper.

 

Pensionskassen in der Rechtsform des VVaG verfügen hierzu in aller Regel über eine Satzungsbestimmung, nach der nicht durch Eigenmittel gedeckte Fehlbeträge durch eine Kürzung der Leistungen in entsprechender Höhe auszugleichen sind. „Nach dieser Bestimmung erfolgt die Leistungskürzung aufgrund eines Vorschlags des Verantwortlichen Aktuars durch Beschluss des obersten Organs des Versicherungsvereins“, betont Pieper. Der Beschluss bedarf üblicherweise der Genehmigung der BaFin. Bei der Leistungskürzung ist das Gleichbehandlungsgebot (Paragraf 138 VAG) zu berücksichtigen. „Dies bedeutet, dass gegebenenfalls auch laufende Renten gekürzt werden“ so Piepers Zwischenfazit. Übrigens: „Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen, die keine ausreichende Risikotragfähigkeit aufweisen, auch kein Neugeschäft betreiben dürfen“, so Pieper.

 

 

und Kassenvorstände wie Abschlussprüfer mauern

 

Gespannt war der Autor auf die Antworten der Pensionskasse selbst. Immerhin war ja wie erwähnt erst zum 29. November 2018 der Jahresbericht 2017 und der Lagebericht 2017 geändert worden. Warum so spät und mit welchem Inhalt? Bis Redaktionsschluss gab es dazu nur einen spärlichen Satz: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Informationen über unsere Ad-hoc-Mitteilungen hinaus geben können.“

 

Jeder, der eine Intransparenz bemängelt, hinter der viele deutsche Pensionskassen ihre Arbeit vor der Öffentlichkeit quasi geheim hielten, könnte sich hier bestätigt sehen. Und dass Geschäftsberichte den Ernst der Lage möglicherweise nicht immer vorausschauend darstellen, zeigt der Bericht 2016 der Steuerberater-Pensionskasse, der zumindest auf den ersten Blick keinerlei Hinweise auf eine drohende Schieflage gab. Oder ist diese erst durch ein singuläres Ereignis 2017 eingetreten?

 

Außerdem könnte man fragen, wie der Wirtschaftsprüfer die Lage 2016 gesehen hat. Doch Abschlussprüfer Thomas Volkmer (BDO AG) teilte auf Nachfrage durch LbAV lediglich mit: „Leider können wir Ihnen aufgrund der strafbewehrten berufsrechtlichen Verschwiegenheitsverpflichtung als Abschlussprüfer keine Auskünfte erteilen.“

 

Wie geht es nun weiter? Nach Paragraf 134 VAG muss die Pensionskasse der BaFin innerhalb von zwei Monaten einen „realistischen“ Sanierungsplan vorlegen. Zudem muss sie innerhalb von sechs Monaten ihre Eigenmittel aufstocken oder ihre Risiken, die sie mit diesen Mitteln abdeckt, senken. Erfüllen diese Maßnahmen ihren Zweck nicht, kann die Aufsicht einschreiten und etwa das Neugeschäft ggf. dauerhaft verbieten – wie im Fall der der Kölner PK und der Caritas PK bereits geschehen. Im Übrigen sei hier auf die Ultima Ratio des Paragraphen 314 des VAG verwiesen.

 

Nachtrag zum Redaktionsschluss: Wie der Focus unter Bezug auf die BamS hier vermeldet, soll die Baden-Badener Pensionskasse der ARD in Schieflage geraten sein, was sich bei einem internen Stresstest gezeigt habe. Inoffiziell sei von einem dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr die Rede, eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags stehe bereits im Raum.

 

 

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