Mitte April hat die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA einen Bericht zu einem „Common Framework“ veröffentlicht. Adressat sind das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission. Im Kern steht der Holistische Bilanzansatz – mit neuem Namen.
Mit dem Bericht „Opinion on a Common Framework for Risk Assessment and Transparency for IORPs“ erreicht die aus eigenem Antrieb der European Insurance and Occupational Pensions Authority auf Basis von Artikel 34 der EIOPA-Verordnung vorgenommene, rund dreijährige Arbeit an dem Holistischen Bilanzansatz einen neuen vorläufigen Höhepunkt.
Die Behörde empfiehlt in dem Bericht eine stärkere europäische Regulierung von IORPs mit einem standardisierten Risk Assessment, um die Wirkung vordefinierter Stress-Szenarien auf eine nach einem sogenannten „Common Framework“ gestaltete Bilanz einer IORP zu kalkulieren. Hinter diesem Common Framework verbirgt sich nichts weiter als der Holistische Bilanzansatz – standardisiert, Mark-to-Market, mit Risikomarge und risikolosem Zins zu kalkulieren und alle vorhandenen Sicherheits- und Anpassungsmechanismen einbeziehend (also Sponsor Support, Pension Protection Schemes und Benefit Reductions).
Will die Behörde in Sachen HBS bzw. Common Framework nun offenbar im Rahmen der Trilog-Verhandlungen Nägel mit Köpfen machen, betont sie andererseits, dass sie „at this point in time“ nicht zu einer Harmonisierung der Eigenmittel- und Bedeckungsanforderungen rät:
„EIOPA believes that the introduction of a one-size-fits-all framework with harmonised capital or funding requirements at this point in time will not be effective […].“
Außerdem betont sie ausdrücklich:
„The opinion is expressly not intended to amend the existing Commission's proposal for the revision of the IORP Directive (IORP II) published on 27 March 2014, which is currently being negotiated in trilogue.“
Doch Obacht, an anderer Stelle schreiben die Frankfurter:
„EIOPA stands ready to cooperate with the EP, the Council and the Commission to implement the common framework for risk assessment and transparency for IORPs into EU legislation.“
Eine mit der Angelegenheit vertraute Person kommentierte gegenüber LEITERbAV die vorgebliche Zurückhaltung mit dem Satz: „Niemand hat die Absicht, Einfluss auf den RL-Vorschlag EbAV-II zu nehmen.“
Hehre Ziele
Die EIOPA, die jüngst erst in ihrem ersten EbAV-Stresstest neben nationaler Rechnungslegung auch den einheitlichen HBS mit Mark-to-Market-Bewertung und risikolosen Zinssätzen für die technischen Rückstellungen angewandt hatte und damit bei so manchem Beobachter Alarm und bei anderen Kritik (siehe hier und hier) ausgelöst hatte, begründet ihren Vorstoß mit der Notwendigkeit von Transparenz:
„IORPs should be transparent towards plan members, sponsors and other interested parties through regular public disclosure of the market-consistent balance sheet and the outcome of standardised risk assessment.“
Zu exekutieren wäre diese Solvency-II-artige Regulierung dann von den nationalen Aufsichten:
„Consequently, national supervisors should be provided with sufficient powers to act in response to the conclusions of the standardised risk assessment.“
Was heißt hier „klein“?
Des zusätzlichen Aufwands für die EbAV ist sich die Behörde dabei bewusst, daher solle es Erleichterungen für kleinere Einrichtungen geben:
„To minimise the burden on smaller IORPs, EIOPA recommends that the standardised risk assessment is applied in a proportionate manner, allowing for simplified methods and approaches. In addition, EIOPA's Opinion allows for the possibility to exempt small IORPs and to lower the frequency of their risk assessment from annually to once every three years.“
„Klein“ heißt hier für die Behörde „less than 100 members, in line with the small IORP exemption in the current IORP Directive.“ Ausgenommen werden sollen auch IORPs, die keine 25 Millionen Euro Assets aufweisen.
Gefügige nationale Aufsichten?
Wenn die operative Umsetzung dieses EU-weit standardisierten Ansatzes durch die nationalen Aufsichten erfolgen soll, muss damit gerechnet werden, dass die EIOPA hier den entsprechenden Rahmen vorgeben will – auf welcher Rechtsgrundlage, bliebe abzuwarten.
Wie sieht hier die mögliche Perspektive aus? Sollten die EIOPA-Vorstellungen zwar keinen unmittelbaren Eingang finden in die EbAV-II-RL, hätte die Behörde immer noch die Möglichkeit, auf Basis von Artikel 8 der EIOPA-Verordnung (ggf. iVm Art. 29 EbAV-II-RL) einfache EIOPA-Leitlinien (oder wenigstens Empfehlungen) an die nationalen Aufsichten abzugeben, die dann auch von der BaFin umgesetzt werden können (so wie es im Rahmen der EIOPA-Leitlinien zur Vorbereitungsphase von Solvency II in den Jahren 2014 und 2015 geschehen ist).
Auf Säule II in EbAV II folgt Säule I in EbAV III?
Und wenn der Ansatz schließlich auch „nur“ für Risikobewertung und Transparenz zur Anwendung kommen sollte, wäre es gleichwohl nur ein kleiner Schritt, bei einer eines Tages zur Debatte stehenden EbAV-III-RL den Ansatz aus Säule II und III – wo er sich dann ja sicher bewährt habe – dann auch europaweit auf die Säule I zu übertragen. Die Warnungen, dass Solvency II für EbAV durch die Hintertür eingeführt werden könnte, sind jedenfalls so alt wie Solvency II selbst (vor gut einem Jahr allerdings von der Europäischen Kommission ausdrücklich zurückgewiesen worden).
Der 35 Seiten starke Bericht der EIOPA findet sich in englischer Sprache hier.
Informationen zur Sicht der deutschen Aufsicht auf die Dinge gibt es zwischenzeitlich hier.