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SONDERMELDUNG – IVS schlägt Konstanz vor:

3,25 FÜR 253

Viel los gerade auf unserem Parkett, heute schon wieder eine Sondermeldung: Die deutschen Pensionsaktuare fassen eine Debatte an, die schon länger schwelt – aber nach wie vor einer Lösung harrt. In das laufende Gesetzgebungsverfahren wird die Sache aber wohl keinen Eingang mehr finden.

Das IVS – Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. – hat heute in Köln ein Positionspapier „Handelsrechtliche Abzinsung bei Pensionsverpflichtungen“ veröffentlicht, in dem die Aktuare einen konstanten Abzinsungssatz von 3,25% für die handelsrechtliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen gem. § 253 HGB vorgeschlagen.

Das Papier adressiert die vielfache Kritik am derzeitigen handelsrechtlichen Zinsansatz und untermauert die Forderung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) nach einem festen Abzinsungssatz“, schreiben die Aktuare.

In der Tat. Die Art und Weise der Diskontierung der in der Zukunft erst fälligen Pensionsleistungen ist stetes Thema in allen Wirtschaftssektoren aller Länder, die mit betrieblichem Pensionswesen zu tun haben – v.a., weil es nur ein Mittel ist, um die Zukunft abzubilden, mit deren Realität in Form des Cashflow der Rentenauszahlung dies am Ende nicht das geringste zu tun hat. Endgültig befriedigende Lösungen gibt es da ex definitione nicht. Man denke nur an die vielfältigen Anpassungen, welche seit Jahr und Tag im IAS 19 vorgenommen werden. Und im Zentrum des Ganzen steht immer: der Zins.

Auch in Deutschland gab es hier stete Bewegung – nur drei Stichworte sind BilMog, sieben und zehn Jahre.

Aktuelle HGB-Zinskonzeption nicht sachgerecht

Zurück zum IVS: „Derzeit werden Pensionsverpflichtungen in der deutschen Handelsbilanz in Anlehnung an die internationale Rechnungslegung auf Basis der Marktzinssätze für hochwertige Unternehmensanleihen zum Bilanzstichtag abgezinst“, erläutert Stefan Oecking, der neue Vorstandsvorsitzende des IVS. Im Gegensatz zu IFRS (wo es ja das OCI, früher sogar noch den legendären „Korridor“ gab, und die P&L gar nicht berührt wird), müssen Marktwertschwankungen im HGB jedoch vollständig erfolgswirksam erfasst werden, was die Notwendigkeit des wohlbekannten Glättungsmechanismus’ für den Abzinsungssatz mit sich bringt – ab 2010 sieben, seit 2016 zehn Jahre zur Durchschnittsbildung.

Stefan Oecking, Mercer und IVS.

Sowohl IDW als auch IVS haben diese Zinskonzeption in der Vergangenheit wiederholt als nicht sachgerecht kritisiert: Sie entspreche weder handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen noch habe sie sich in der Praxis bewährt.

Das IDW hat sich im September 2023 darüber hinaus explizit für einen konstanten Zins zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen ausgesprochen, wobei Überlegungen aus der Solvency II-Bewertung von Versicherungsverpflichtungen, insbesondere die Ultimate Forward Rate, als Ansatzpunkte genannt wurden.

Das Positionspapier

Bjoern Ricken, Aon.

In dem heutigen IVS-Positionspapier werden nun Überlegungen zusammengefasst, die zur Entwicklung eines Ansatzes für einen konstanten Zins angestellt wurden, die das Institut in einer Mitteilung darlegt:

Ansätze, die auf eine risikolose Verzinsung abstellen, werden von den Aktuaren für die handelsrechtliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen verworfen. Stattdessen wird aus aktuarieller Sicht ein Abzinsungssatz als zielführend angesehen, der sich aus der langfristigen Inflationserwartung zuzüglich einer nachhaltigen Realverzinsung zusammensetzt.

Die langfristige Inflationserwartung wird dabei in Höhe des symmetrischen Inflationsziels der EZB von 2,0% p.a. angesetzt. Die langfristige Realverzinsung wird aus volkswirtschaftlichen Überlegungen abgeleitet, die zu einer Realrendite in der Größenordnung von 1,25% bzw. innerhalb einer Bandbreite von 1,0% bis 1,5% führen.

„Vor diesem Hintergrund hält das IVS einen konstanten Abzinsungssatz in Höhe von 3,25 % für die handelsrechtliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen und vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen für sachgerecht“, resümiert Björn Ricken, Vorstandsmitglied des IVS und Leiter der Arbeitsgruppe HGB-Zins. „Das IVS schlägt daher vor, diesen Abzinsungssatz gesetzlich festzuschreiben und Übergangsregelungen für die Umstellung der Rückstellungsbewertung vorzusehen,“ so der Aon-Aktuar weiter.

Das IVS sieht darüber hinaus keinen Bedarf für einen Automatismus zur regelmäßigen, anlasslosen Überprüfung oder Anpassung dieses Abzinsungssatzes. „Eine Anpassung erscheint nur dann erforderlich, wenn grundlegende Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder gesamtwirtschaftliche Strukturbrüche eintreten, die das nachhaltig erzielbare BIP-Realwachstum oder das Inflationsziel der EZB beeinflussen“, erläutert Ricken.

Oh Margarete, bewert’ mir die Knete

Bleibt die Frage, wie auf der anderen Seite der Bilanz vorgegangen werden soll. Die Festlegung eines konstanten Abzinsungssatzes müsse nach IVS mit einer Abkehr von der Zeitwertbilanzierung von Plan Assets einhergehen. Dieses sei aus Konsistenzgründen nach den allgemeinen GOB zu fortgeschriebenen Anschaffungskosten zu bewerten.

Die Zeitwertbilanzierung sollte lediglich im Fall wertpapiergebundener Zusagen beibehalten werden, da sie hier ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zeichnet, so die Mathematiker.

Wie dem auch sei, die Debatte ist nicht neu, sie ist berechtigt, doch Eingang in das BRSG 2.0, dessen Entwurf gestern vom Bundeskabinett verabschiedet worden ist, wird der Vorstoß kaum mehr finden.

Das IVS-Positionspapier „Handelsrechtliche Abzinsung bei Pensionsverpflichtungen“ findet sich hier.

Das zu einer heutigen Zwischen-Headline anregende Kulturstück, locker 40 Jahre alt, findet sich hier.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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