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Zwischen BAG, BFH und LG:

Versprochen ist versprochen?

Darf aber unter bestimmten Bedingungen angepasst werden? Oder nicht? Und mit welcher rechtlichen Begründung (Rechtsinstitut)? Das komplexe Wechselspiel zwischen Arbeits-, Steuer- und Versicherungsrecht ist seit jeher eine vieldiskutierte Frage in der bAV, namentlich in der Garantiefrage. Das gilt umso mehr, wenn die Rechtsprechung dazu in unterschiedliche Richtungen geht, erläutert Markus Klinger.

Markus Klinger, VVB.

Eingangs kurz zur Lage: Die betriebliche Altersversorgung verlangt mit Ausnahme des Sozialpartnermodells garantierte Leistungen. Die Lebensversicherung bietet Produkte mit garantierten Leistungen an, in neuerer Form bestehend aus garantierten Mindestkapitalleistungen und garantierten Rentenfaktoren.

Die – trotz des jüngeren Zinsanstieges längst nicht überwundene – Niedrigzinssituation setzt in der bAV Garantiegeber – Produktanbieter wie Arbeitgeber – unter Druck. Es wird nach Wegen gesucht, weniger strenge Garantien zu geben sowie bestehende Garantien zu mindern.

Garantien in der Rechtsprechung …

Die Gerichte machten in der Vergangenheit im Einklang klar, dass Zusagen und Garantien einzuhalten sind und sich der Versprechende nur schwer davon lösen kann.

Der Artikel reißt drei Urteile von BAG, BFH und dem LG Köln (Fall Zurich) an, die dieses Credo nochmals unterstreichen. Ein viertes Urteil des LG Stuttgart (Fall Allianz) widerspricht dem ersten Urteil des LG Köln allerdings diametral und beurteilt die Niedrigzinssituation als unsystematisches Risiko, das nicht versichert sei, aber letztlich als Faktor in die Preisanpassungsklausel einbezogen werden könne.

zunächst grundsätzlich

Die Unterscheidung zwischen systematischen Kapitalanlagerisiken (Markt- bzw. Schwankungsrisiko) und unsystematischen (nicht planbare Strukturrisiken) eröffnet auf der einen Seite Chancen für einen ausgewogenen Lastenausgleich, aber auch erhebliche Durchgriffshaftungsrisiken für Arbeitgeber, wenn aufgrund rechtlicher Besonderheiten die Rechtsprechung von Arbeits- und Zivilgerichten auseinandertriften sollten. Es lohnt sich ein Blick in die rechtlichen Grundlagen.

Mit dem Abschluss eines Vertrages ist davon auszugehen, dass Leistung und Gegenleistung austariert wurden und somit äquivalent zueinanderstehen. Es ist den Parteien bewusst, dass es bis zur Abwicklung des Vertrages Risiken gibt, die vertragstypisch den Parteien zugeordnet werden.

Einige Risiken, die dem Schuldner bewusst sind und ihm zugeordnet werden, sind so gewichtig, dass er deren Tragung für den Fall einer starken Konkretisierung unter Vorbehalt stellen möchte (Vorbehalte, Ersetzungsbefugnis, Treuhänderklausel). Andere Risiken hat er nicht bedacht und konnte daher keine Regelung dazu vereinbaren (erweiterte Vertragsauslegung, Störung der Geschäftsgrundlage).

Mit Spielraum …

Kann die Leistung zu Vertragsbeginn nicht genau festgelegt werden, so gibt es einen Spielraum mit einer vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmung nach § 315 BGB.1) Dies stellt eine Ausnahme vom vertraglichen Bestimmtheitsgrundsatz da, überlässt die Leistung aber nicht der Willkür des Schuldners. Vielfach können Preis und Leistung im Voraus nur rahmenmäßig oder üblich, aber nicht konkret festgelegt werden. Ein Beispiel wäre eine ärztliche Behandlung, in der sich die nächsten Schritte erst durch die Untersuchung ergeben und es eine Gebührenordnung gibt. Dazu können Leistungsvorbehalts- und Preisänderungsklauseln gehören, wie z.B. auch Zinsanpassungsklauseln in Kreditverträgen.

Die entbehrliche Willenseinigung der Parteien wird durch ein billiges Ermessen überprüft. Das könnte auf Rentenfaktoren zutreffen, die erst zu Rentenbeginn festgelegt werden.

oder fest vereinbart

Ist die Leistung fest vereinbart, behält sich der Schuldner aber vor, die Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, und handelt es sich um eine AGB, so ist der Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB einschlägig. Neben Leistungsminderungen gehören auch andere Leistungen anstatt dazu (Ersetzungsbefugnis). Damit hierbei die Bindung an den geschlossenen Vertrag nicht unterminiert wird, muss die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung erheblich gestört sein. Die Änderung muss zumutbar und die Gründe und Voraussetzungen vorher vereinbart sein. Ob ein Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer zumutbar ist, lässt sich nur nach Abwägung der typisierten (objektiven) Interessen der Parteien beurteilen. Das Änderungsinteresse des Klauselverwenders steht dem Beibehaltungsinteresse des Arbeitnehmers gegenüber und muss dies zumutbar überwiegen. Das Prinzip der Erforderlichkeit besagt, dass die Änderung nicht bereits zu Vertragsbeginn absehbar war und nicht vertragstypische Risiken erfasst sind (liegen in der Sphäre des Verwenders der AGB).

In Erfurt mit Leitplanken …

In den Urteilen v. 17. Januar 2023 3 AZR 220/22 und 3 AZR 501/21 hat das BAG festgestellt, dass es sich beim Vorbehalt, eine einmalige Kapitalabfindung statt der Rente zu zahlen (Kapitalwahlrecht), um eine sog. Ersetzungsbefugnis handelt, also um das Recht, ein konkret bestimmtes Schuldverhältnis nachträglich inhaltlich zu ändern. Im Unterschied zur Wahlschuld ist bei der Ersetzungsbefugnis das Schuldverhältnis von Anfang an bestimmt. Die Versorgungszusage verleiht dem Versorgungsträger das Recht, die vertraglich vereinbarte Zahlung durch eine andere Leistung zu ersetzen.

Das BAG auf der Erfurter Zitadelle. Foto: Bazzazi.

Die Urteile stellen fest, dass eine Ersetzung durch eine nicht mindestens (bar)wertgleiche Kapitalleistung unzumutbar sei. Andernfalls würde dem Versorgungsempfänger bereits erdientes Entgelt im Nachhinein entzogen, obschon er seine Gegenleistungen bereits hat. Betriebliche Altersversorgung hat Entgeltcharakter.

Bei Änderungsvorbehalten nach § 308 Nr. 4 BGB sind grundsätzlich die Gründe und Grenzen der Anpassung anzugeben. Gemäß BAG-Urteil 3 AZR 501/21 sei diese Spezifizierung durch die Besonderheiten von Dauerschuldverhältnissen im Arbeitsrecht nicht möglich. Der Arbeitgeber solle nicht aus Vorsichtigkeitsgründen auf Rentenzusagen verzichten.

In einem zweiten Schritt sind gewichtige Interessen für eine Ersetzung mit einer wertgleichen Kapitalleistung oder für eine Beibehaltung der Rentenzahlung abzugleichen. Die Interessen des Arbeitnehmers liegen im Langlebigkeitsrisiko, Anpassung nach § 16 BetrAVG, Progressionswirkung auf die Steuer und Pfändungsschutz. Die Gründe des Arbeitgebers können in den Verwaltungskosten, Betriebsveräußerung, Verbesserung der Bilanzierung und Finanzierung und in rechtlichen Rahmenbedingungen liegen.

für München …

Der BFH hat in seinem Urteil v. 6. Dezember 2022 – IV R 21/19 entschieden, dass Vorbehalte nur positiv-arbeitsrechtlich formuliert sein dürfen. Die Bildung einer Pensionsrückstellung soll nur dann zulässig sein, wenn ein Vorbehalt positiv – also ausdrücklich – einen nach arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiert. Es sei eine zulässige Typisierung, die von dem möglichen oder wahrscheinlichen Ergebnis einer späteren Überprüfung abstrahiert.

Der Bundesfinanzhof in München.

Das korrespondiert mit der Sicht des BAG zu steuerlichen Vorbehaltsklauseln: „Nach ständiger Rechtsprechung des Senats drückt dieser sog. steuerunschädliche Vorbehalt nur klarstellend aus, was von Rechts wegen ohnehin gilt. Er wirkt deshalb nur deklaratorisch und begründet kein eigenständiges Widerrufsrecht.“ (BAG v. 19. Februar 2008 3 AZR 290/06 Rz. 18 Gründe A. mit weiteren Verweisen).

In dem zu beurteilenden Fall wird eine Transformationstabelle vereinbart, die einseitig durch eine andere festgelegte Transformationstabelle ersetzt werden kann. Mutmaßlich berücksichtigte der Arbeitgeber damit die Rentenfaktoren des RDV. Dies lässt sich aus dem Hinweis schließen, dass sich der Arbeitgeber bereits einen Regress gegen den Versicherer vorbehalten wolle.

Das Gericht führt aus, dass Vorbehalte dann unzulässig seien, wenn sie zu Abschlägen gegenüber den steuerlich maßgeblichen Rückstellungen/Formeln/Faktoren führen müssten. Ein Vorbehalt, der nach seinem Wortlaut die Minderung oder den Entzug der Pensionsanwartschaft in das Belieben des Arbeitgebers stellt, ist steuerschädlich. Es wird der Literaturmeinung widersprochen, dass sämtliche Widerrufsvorbehalte deshalb unschädlich seien, weil nach der Rechtsprechung diese ohnehin nur nach billigem Ermessen zulässig seien. Abschläge sind allein deshalb erforderlich, weil keine Prüfung des Einzelfalls erfolgt, solange kein arbeitsgerichtlicher Streit besteht. Es sei der Risikoeinschätzung des Arbeitgebers zu entgegnen, dass schon keiner klagen werde.

Damit sind keine Widerrufsvorbehalte zulässig, bei denen Zweifel zur arbeitsrechtlichen Anerkennung bestehen. Weitergehend müssen sie von vornherein eindeutig arbeitsrechtlich zu bejahen sein. Die Minderung oder der Entzug darf nur ausnahmsweise erfolgen, und die Billigkeit muss in der Klausel bereits enthalten sein. Das Finanzamt könne die (Arbeits-)Rechtslage nicht oder nur aufwendig prüfen. Dies sei unzumutbar. Damit erfolgt eine Absage zu Experimenten und kreativer Neuschöpfung von Klauseln.

doch unterschiedlich vor den Landgerichten

In zwei zivilgerichtlichen Fällen hatten die Landgerichte Vorbehaltsklauseln von Versicherern zu prüfen. In beiden Fällen ging es um garantierte Rentenfaktoren, die die Versicherer aufgrund der Niedrigzinssituation anhand der Klausel erheblich absenken wollten.

Das Begehren wurde nicht nur unterschiedlich abgeurteilt, sondern die Argumente und Rechtsgrundsätze wurden diametral entgegengesetzt ausgelegt. Das Landgericht Köln 26 O 12/22 (Fall Zurich) hat das Absenkungsbegehren versagt, das LG Stuttgart 53 O 214/22 (Fall Allianz) bewilligt.

Klauseln selber machen?

Im ersten wichtigen strittigen Punkt geht es darum, ob eine vertraglich vereinbarte Klausel neben der gesetzlichen Klausel des § 163 VVG (Treuhänderklausel) möglich ist. § 171 VVG bestimmt, dass § 163 halbzwingend ist. Damit könnten in einer Interpretationsweise vertragliche Anpassungsklauseln unzulässig sein.

Im Widerspruch dazu steht in der Gesetzesbegründung zu § 163 VVG, dass in „anderen Fällen“ solche Klauseln nicht ausgeschlossen sein sollen. Das LG Köln sieht die Zulässigkeit vertraglicher Klauseln nur außerhalb der Lebens- bzw. Rentenversicherung und begründet dies mit der Formulierung „anderen Fällen“sowie damit, dass die Vorgängerregelung noch nicht halbzwingend war.

Das LG Stuttgart sieht dies anders, weil solche Klauseln in der Vorgängerregelung möglich waren und in der VVG-Reformkommission keine Eingrenzung diskutiert wurde.

In der Literatur werden noch zwei weitere Interpretationen für „halbzwingend“ angebracht. Die eine besagt, dass auf das gesetzliche Anpassungsrecht nicht verzichtet werden dürfe, die andere besagt, dass sich die Voraussetzungen von § 163 VVG in den vertraglichen Regelungen wiederfinden müssten.

Spiegelbildlich oder nicht?

Folgt man der Auffassung, dass vertragliche Anpassungsklauseln möglich sind, so unterliegen diese der allgemeinen Kontrolle nach § 305 ff. BGB und damit auch § 308 Nr. 4 BGB, welches die spiegelbildliche Sicht vorschreibt und damit die Beachtung der Äquivalenzstörungen auf beiden Seiten (auch Verbesserungen) bereits in der Klausel. Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB schreibt die Orientierung an wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung vor. Im Sinne eines Gesetzesprivilegs der gesetzlichen Anpassungsregelung von § 163 VVG enthält dies keine spiegelbildliche Sicht. Während das LG Köln dennoch eine solche forderte, zog das LG Stuttgart den gesetzlichen Leitgedanken heran, um diese auch in der vertraglichen Version verzichtbar zu halten.

Der Begriff vom Leistungsbedarf

Unklar ist, ob das LG Stuttgart den gesetzlichen Leitgedanken verlassen wollte oder den Begriff „Leistungsbedarf“ in § 163 VVG anders interpretierte. Während das LG Köln sich an dem Begriff abarbeitete und mit diesem nur biometrische Risiken, nicht aber Zinsrisiken erfasst sah (h.M. in der Literatur), erwähnte das LG Stuttgart den Begriff erst gar nicht (Nebenbemerkung, weil sich das LG Stuttgart stark auf die Besonderheiten der fondsgebundenen Lebensversicherung stützt: Garantierte Rentenfaktoren werden in der Anwartschaftsphase in der konventionellen gegenüber der fondsgebundenen Versicherung nicht anders kalkuliert).

Stuttgarter Spagat

Besonders interessant und wichtig ist, dass das LG Stuttgart das Zinsrisiko differenziert und in zwei Teile bricht. Es spricht von einem spezifischen Risiko, das außerhalb der vertraglich übernommenen Gefahren wirkte und durch sonstige Umstände eine Äquivalenzstörung verursachte. Es versuchte also, das unsystematische Risiko als nicht planbares Strukturrisiko zu beschreiben, das auf der Niedrigzinssituation beruhe und von dem systematischen Risiko als Schwankungs- und Marktrisiko zu unterscheiden sei. Das Gericht versuchte, dieses Risiko im Weiteren von der Prämienanpassungsklausel zu umfassen, um es an dieser Klausel zu messen.

Wegfall der Geschäftsgrundlage …

Es wäre wünschenswert, wenn das unsystematische Risiko in der Berufung zum Urteil des LG Stuttgart beim BGH gewürdigt wird. Damit könnte verhindert werden, dass Versicherungs- und Arbeitsrecht in dieser Hinsicht unterschiedlich gewertet werden und eine Durchgriffshaftung entsteht.

Wenn das unsystematische Zinsrisiko nicht versichert sein soll, müsste dies nach allgemeinem Verständnis und Transparenzgebot so vereinbart bzw. ausgeschlossen worden sein. Vorbehalte erfassen nur Risiken, über die sich die Parteien bewusst und einig waren. Das ist restriktiv auszulegen.

Das unsystematische Zinsrisiko ist ein Risiko, über das sich die Parteien bei Vertragsabschluss keine Gedanken gemacht haben oder Fehlvorstellungen hatten und daher dazu auch keine Vereinbarung zur Risikoverteilung getroffen haben. Das ist der klassische Fall des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.

Die fraglichen Umstände müssen allerdings tatsächlich oder wenigstens stillschweigend Inhalt des vertraglichen Konsenses geworden sein. Das ist hier anzunehmen. Durch die undifferenzierte Zinsdarstellung wird der unsystematische Zins zusammen mit dem Marktrisiko dem Versicherer als Schuldner zugewiesen.

Fehlt eine vertragliche Risikozuweisung, ist nach der geschäftstypischen Risikoverteilung zu fragen. Die Abgrenzung der Risikosphären der beiden Parteien hat nach der Typizität des Risikos, des Rechtsverhältnisses, der Geschäftssitten und -erwartungen und Grundgedanken gesetzlicher Regelungen zu erfolgen. Ferner ist das Risiko regelmäßig demjenigen zuzuteilen, der es kostengünstiger vermeiden kann (Prinzip der kostengünstigsten Risikovermeidung). Bei Äquivalenzstörungen wird in aller Regel das Gleichgewicht durch Anpassung der einen Leistung an den Wert der Gegenleistung hergestellt. Häufig wird keine volle Wert- bzw. Kostenangleichung vorgenommen, sondern eine angemessene (oft hälftige) Aufteilung des Differenzbetrags versucht (so findet man es heute in der Literatur).1)

Bei langfristigen Rentenversicherungen würde es sich anbieten, in Analogie zur 3-Stufen-BAG-Regelung zwischen Besitzstand und künftiger Laufzeit zu unterscheiden. So könnte ein Interessenausgleich so hergestellt werden, dass der Arbeitnehmer das Risiko nur für die Zukunft tragen muss, aber nicht überraschend und unplanbar auch für die Vergangenheit.

bis zur Opfergrenze

Es ist noch zu beachten, dass das Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage noch eine Opfergrenze kennt. Dies gilt für das Zivilrecht genauso wie für das Arbeitsrecht.

So hat das BAG in seiner Rechtsprechung zur Feststellung einer Fehlentwicklung (§ 313 BGB) anerkannt, dass durch Änderungen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts nach Schaffung eines Versorgungswerkes mit Gesamtversorgungszusagen der ursprünglich zugrunde gelegte Dotierungsrahmen ganz wesentlich überschritten werden kann. Eine solche Zusage hänge von derart ungewissen Faktoren ab, dass der Arbeitgeber zum Ausdruck bringe, dass er des ungeachtet für ein bestimmtes Versorgungsniveau einstehen will. Dies stelle die Übernahme eines gesteigerten Risikos dar und komme einem Garantieversprechen sehr nahe. Hiervon könne der Arbeitgeber sich nur unter besonders strengen Voraussetzungen lösen, welches das Gericht mit einer Opfergrenze von 50% festgestellt hatte.

Bei Zusage einer bestimmten Versorgungshöhe geht das Versorgungswerk ein Zinsversprechen ein, das im Marktschwankungsrisiko liegt. Zumindest bei professioneller kollektiver Kapitalanlage ist das kein erhöhtes Risiko. Erst durch die Niedrigzinssituation konkretisiert sich ein unsystematisches Risiko, das insofern neu und überraschend war. Hier rechtfertigt sich nur eine geringere Opfergrenze, insbesondere für zukünftig zu erdienende Anteile sollte dies gelten.

In Abgrenzung zur Störung einer Vertragsgrundlage ist eine erweiterte Vertragsauslegung nach § 157 BGB abzulehnen. Dazu muss ein Regelungsgegenstand grundsätzlich erfasst, ein Risiko grundsätzlich bedacht und einbezogen sein. Eine Vertragslücke entsteht dadurch, dass die objektiv notwendigen Details entweder nicht geregelt wurden oder durch Nichtigkeit z.B. durch § 306 BGB wieder eine Vertragslücke entstanden ist (planwidrigen Unvollständigkeit), die nun durch die Ermittlung des „hypothetischen“, auch an heteronomen Gerechtigkeitsvorstellungen orientierten Vertragssinns (Treu und Glauben, Billigkeit), wieder geschlossen werden soll. Der Vertrag wird zu Ende gedacht, ohne neue Risiken und Regelungsgegenstände aufzunehmen, über die man sich nicht bereits zuvor ersichtlich geeinigt hat.

Der Weg über eine vertragliche Anpassungsklausel würde den wenigsten Versorgungsträgern helfen, da diese bisher unüblich waren. Die bisher angefallenen und künftigen Lasten bestehender Versorgungen können damit nicht gemildert werden. Der Weg über den Wegfall der Geschäftsgrundlage würde Versorgungsträgern und Arbeitgebern die Last von den Schultern nehmen und kann zu einem gerechten Interessenausgleich bei der Äquivalenzstörung durch die Niedrigzinssituation führen.

Fußnote 1): Die allgemeine Beschreibung der Rechtsinstitute in diesem Beitrag beruht im Wesentlichen auf den Münchener Kommentaren zum BGB und VVG, insbesondere § 315 BGB Würdinger, § 308 Nr. 4 BGB Wurmnest, § 313 BGB Finkenauer, § 157 BGB Busche und § 163 VVG Wandt.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors, gehalten am 20. Juni (und damit zeitlich vor dem hier einbezogenen Urteil des LG Stuttgart, daher in etwas anderer Form) auf dem Forum bAV der VVB im Hause des BWV München.

Der Autor ist Leiter des Forums „betriebliche Altersversorgung“ der Vereinigung der Versicherungs-Betriebswirte e.V. VVB, München.

Von ihm sind zwischenzeitlich bereits auf LEITERbAV erschienen:

Zwischen BAG, BFH und LG:
Versprochen ist versprochen?
von Markus Klinger, 16. Oktober 2023

Forum „bAV“ der VVB:
My sweet fifteen
von Michael Ries, Dr. Judith May, Klaus Bednarz und Markus Klinger, 16. August 2021

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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