Vergangene Woche in Berlin, HB-Tagung zur bAV: Auf dem Podium mehrere Produktgeber und die Versorgungswerke BVV und Metall-Rente, die das Angebotsspektrum für das Sozialpartnermodell ausloten und sich sukzessive aufstellen. LEITERbAV dokumentiert Auszüge aus der Diskussion, sein Autor Detlef Pohl war dabei.
„Vorausgesetzt, unsere Tarifparteien engagieren sich in dem SPM, werden wir als EbAV zur Verfügung stehen“, bekräftigte Vorstand Helmut Aden zu Beginn der Podiumsdiskussion erneut die Haltung des BVV. Aktuar Aden gab dem SPM vorab gute Noten: reduzierte Komplexität, kein Kapitalwahlrecht für Rentner, keine Garantien und auch keine Einschränkungen bei der Kapitalanlage.
Ob die Sozialpartner mitmachen, bleibe dennoch abzuwarten. Gewisse Zurückhaltung hatte Aden bereits in der Vergangenheit geäußert. „Letztlich entscheiden die Tarifpartner, wie erfolgreich das eigentliche SPM sein wird“, gab er kürzlich an dieser Stelle zu Protokoll.
Im potenziellen Kundenkreis des BVV stünden derzeit keine Tarifverhandlungen an. Man wolle Produkte der reinen Beitragszusage (rBZ) in verschiedenen Varianten anbieten, aber die genaue Ausgestaltung der Produktvarianten hinsichtlich des Chance-/Risikoprofils werde sich an den speziellen Anforderungen der Tarifpartner orientieren. Schon im vergangenen Jahr hatte BVV angekündigt, bei der rBZ die Gewichte in der Kapitalanlage in Richtung höheres Risiko zu ändern, ohne dass er dabei nun alles anders machen werde.
BVV: Keine überzogenen Renditeträume, erstmals Fondsprodukte
Aden prognostizierte, dass die Performance mit der Zielrente nicht deutlich attraktiver sein werde als in der bisherigen bAV. Man agiere in demselben Kapitalmarkt und müsse vor allem an einem weniger aufwendigen Vertrieb arbeiten. Auf Nachfrage präzisierte der BVV-Vorstand: „Eine Outperformance ist denkbar, aber eben nicht systematisch erreichbar.“ Damit gar noch zu werben, sei ungeeignet angesichts bis zu 60 Jahren Vertragslaufzeit. „Wir nehmen Kundenwünsche auf, wollen aber überzogene Hoffnungen bei der Rendite relativieren“, so Aden, der in einem Tagungspapier noch präziser wurde: „Was nicht auf der Kapitalanlagenseite verdient wird, kann auf der Leistungsseite nicht ausgegeben werden. Das richtige Händchen auf der Kapitalanlagenseite ist allemal wichtiger als hochartifizielle Puffer- und Verteilmechanismen. Puffer bedeutet immer: Verluste und Gewinne werden verteilt, Puffer bedeutet nie: Verluste entstehen nicht. Ansonsten gilt: Was nicht als Provision für Vertriebe, Dividende für Aktionäre und Kosten für die Verwaltung ausgegeben wird, landet in der Rente.“
Je nach Risikoaversion biete die rBZ die Möglichkeit, sich einerseits sehr nahe an der bisherigen Klassik zu orientieren. Andererseits wurde die rBZ ins Leben gerufen, um die Beschränkungen in der Kapitalanlage der bisherigen bAV zu lockern. Dafür biete sich ein Produkt an, das alle Vorzüge einer kollektiven Kapitalanlage mit langen Anlagehorizonten behält und gleichzeitig das Anlagespektrum heutiger Fondsprodukte nutzt – insbesondere also die Chance einer deutlichen Höhergewichtung von Realwerten. Hierbei bestehe die Möglichkeit, Erträge und auch Beiträge auf kollektiver Basis zur Abpufferung von Volatilität einzubehalten. So Aden weiter.
Das Produktangebot des BVV bildet laut Aden beide Varianten ab: eine Produktfamilie, die sich stark an der bewährten sicherheitsorientierten Produktgestaltung in der bAV orientiert. Daneben werde es erstmals Produkte geben, die eine freiere Wahl in der Kapitalanlage ermöglichen und die Chancen einer höheren Gewichtung in Realwerten nutzen. „Beide Produktfamilien werden aber weiter unsere Grundsätzen verpflichtet bleiben: einfach, transparent, und alle Erträge für die Versicherten.“ Jetzt bestehe die grundsätzliche Möglichkeit, die rBZ zwischen einer fondsgebundenen Rente und dem bisherigen Standardangebot in der bAV (klassische beitragsorientierte Leistungszusage) einzuordnen. Hierfür müsse die Welt nicht vollständig neu erfunden werden – die meisten Produkt- und Kapitalanlagekonzepte seien bereits heute vorhanden.
Zurich und Talanx: Gemeinsam Pensionsfonds nutzen
„Es muss bei der rBZ mehr herauskommen als mit Garantien“, stellt Lars Golatka klar. Der Der bAV-Chef der Zurich und Vorstand der Deutschen Pensionsfonds AG (ein Joint Venture von Deutscher Bank und Zurich) kam dazu auch auf das frisch gebildete Konsortium „Die Deutsche Betriebsrente“ (Zurich und Talanx) zu sprechen.
Ein solches Konsortium erhöhe für die Sozialpartner noch einmal die Sicherheit. Als ideales Plattform für das SPM brachte Golatka Pensionsfonds ins Spiel, die „bereits bei der Auslagerung von Pensionsverpflichtungen ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt haben“. In einem Tagungspapier wurde er noch präziser: „Die Nutzung von Freiheiten im nicht-versicherungsförmigen Pensionsfonds mit ‚intelligenten Garantien“ ist bereits mehrjährig erprobt.“ Es finde eine volatilitätsoptimierte Kapitalanlage statt, auf diese dann kostenfreie aktuarielle Ausgleichsmechanismen gesetzt werden könnten, um die Rendite je nach individueller oder kollektiver Gerechtigkeit zuzuteilen. Zur Abmilderung der Volatilität im SPM ließen sich den einzelnen Arbeitnehmern Teile ihres Beitrags und ein Teil der Rendite nicht individuell zuordnen, sondern kollektiv verwalten.
Metall-Rente: Metall/Elektro arbeitet schon an einem SPM
Durch den Aufbau des kollektiven Puffers in einem Pensionsfonds könnten Wertschwankungen am Kapitalmarkt geglättet werden, stimmte Heribert Karch zu. Der Geschäftsführer des tariflich organisierten Versorgungswerks Metall-Rente empfindet den Pensionsfonds ebenfalls als „sachgerecht, zumal mehrere Sozialpartner dort schon Erfahrungen besitzen“. Der aba-Vorstandschef wiederholte seine frühere Forderung, dass die gesamte Wertschöpfungskette aufgespalten werden müsse, also zum Beispiel separat Aufträge für Administration, Kapitalanlage und Aktuariat zu vergeben wären.
„Die Pakete müssen kostenmäßig entschlüsselt werden, sonst wird es zu teuer“, so Karch wörtlich.
In diesen Zusammenhang will die Metall-Rente nach dem Tarifabschluss in Baden-Württemberg ohne bAV-Ergebnis nun in der Tarifrunde 2020 an einer möglichen Umsetzung des SPM in der Metall- und Elektroindustrie mitarbeiten.
Generali: Pensionsfonds ideal für das SPM
Viele mit der Gründung von Pensionsfonds seit 2002 verbundene Hoffnungen haben sich bisher nicht erfüllt. „Das SPM bietet nun eine riesige Spielwiese mit vielen Varianten“, erklärte Michael Reinelt in der Podiumsdiskussion. Der Abteilungsdirektor Produkt- und Beratungsmanagement bAV bei Generali Deutschland wurde in einem Tagungspapier noch deutlicher: „Die Erfahrungen im Handling großer Kollektive, sei es in der Verwaltung oder bei der Kapitalanlage, könnten dem Pensionsfonds den entscheidenden Vorteil im SPM verschaffen.“ Darüber hinaus gewährleiste der Pensionsfonds als Träger der Versorgung die aktuarielle Bewertung langlaufender Versorgungsverpflichtungen.
Damit würden die Karten nun neu gemischt. „Schon in den vergangenen Jahren zählten viele vom BRSG geforderte Rahmenbedingungen zum Standardrepertoire des Pensionsfonds und eröffnen nun neue Chancen“, so Reinelt. Zum einen verzichte der Gesetzgeber nun erstmals auf Garantien, zum anderen entfalle im SPM die gesetzliche Insolvenzsicherungspflicht. Hinzu komme, dass man bei Pensionsfonds auf langjährige Erfahrungen in Verwaltung und Vertrieb großer Kollektive zurückgreifen könne.
Ein wesentliches Schlüsselelement bei der rBZ falle der Kapitalanlage zu. „Hierbei kann die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Aufteilung des Versorgungskapitals in individuelle und kollektive Bestandteile der Schlüssel zum Erfolg sein, um Kapitalmarktrisiken für einzelne Anwärter zu vermeiden“, sagte Reinelt mit Blick auch auf nicht-versicherungsförmige Pensionsfonds.
„Jetzt müssen Kundenservice, Bestandssysteme und Verarbeitungsprozesse maximale Flexibilität beweisen und unterschiedlichste Modelle umsetzen, ohne die Sozialpartner mit großer Komplexität zu belasten“, nannte Reinelt die nächsten Aufgaben.
Allianz: Wir stellen uns selbst viele Fragen und warten auf Gesprächspartner
Mit fast schon ein wenig Understatement nahm Marktführer Allianz sich auf dem Podium zurück. „Bei der Konzeption von SPM sind – auch aus Sicht eines potentiellen Anbieters – eine Reihe spannender Detailfragen zu berücksichtigen“, betonte Andreas Wimmer. Der Firmenkunden-Vorstand der Allianz Lebensversicherung nannte insbesondere:
1. Wie können die neuen Freiheitsgrade in der Kapitalanlage genutzt werden, um eine attraktive, aber zugleich verlässliche Versorgung der Arbeitnehmer zu erreichen? Diese Organisation einer Renditewertartung sei „methodisch weitgehend Neuland“.
2. Wie kann Sicherheit gerade auch in der Anlaufphase erreicht werden?
3. Wie können digitale und schlanke Prozesse aufgesetzt werden, einschließlich geeigneter Kommunikationskonzepte?
Langjährige Erfahrungen von der Administration über die Kapitalanlage bis hin zur Kommunikation sind auch im Rahmen bestehender Versorgungswerke vorhanden und sicher eine hilfreiche Startbasis, so Wimmer weiter. Auch er gab weitere Details in dem Tagungspapier preis: „Allianz Leben arbeitet gemeinsam mit der Konzernschwester Allianz Global Investors an einem modularen Angebot für das SPM.“ Ziel seien verlässliche und faire Lösungen in der Anwartschafts- und auch der Rentenphase. „Dabei kann eine kollektive Wertsteuerung für die optimierte Aufteilung zwischen Performance- und Sicherheitsbausteinen sorgen.“ Und: „Wir wollen den Tarifpartnern innovative und ganzheitliche Lösungen auf Basis der jeweiligen Kernkompetenzen bieten“, so sein Fazit.
Diskussion: keine Pokerrente, und manche schon im Take-off
„Kommt eine Pokerrente?“, fragte Moderator Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn anschließend. Das Podium verneinte dies einhellig. „Die Kapitalanlage ist Primus inter pares, erst dann folgt das jeweilige Konzept“, erklärte Reinelt. „Der Mix aus individueller und kollektiver Sicherheit bei möglichst großen Kollektiven macht die Volatilität beherrschbar“, pflichtete ihm Golatka bei. Hinzu kämen die Kriterien „Stabilität der Produktgeber, exzellente Wertsteuerungsmechanismen im Pensionsfonds und Langfristigkeit der Performance“, ergänzte Wimmer. Reinelt hält für die Renditeerwartung zudem eine brancheneinheitliche Zinsannahme für wahrscheinlich.
Die Erfolgsaussichten des BRSG wurden ebenfalls einhellig als positiv eingeschätzt – wenn auch differenziert. „Insgesamt wird das BRSG wohl ‚fliegen‘, beim SPM konkret bleibt das noch abzuwarten“, schätze Aden die kommende Entwicklung ein. Die Konzeptionen benötigten Zeit, pflichtete Karch bei, obwohl „manche schon im Take-off sind“. Es bleibe noch viel zu tun und hänge letztlich an den Sozialpartnern, relativierte Golatka.
Anders als mancher Politiker sieht Golatka, dass „die Beratung in der bAV noch wichtiger wird“. Neben persönlichen Beratungsangeboten steige die Nachfrage nach intelligenten und automatisierten Beratungsprozessen. „Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, will Zurich digitale Selfservice-Portale als Beratungs- und Verwaltungszentrale einrichten.“ Auch Reinelt sagte, dass man sehr viel unternehme, um das BRSG zum Erfolg zu führen. „Die Sozialpartner jonglieren mit den Bällen und wir warten darauf, dass sie uns die Bälle zuspielen“. Derzeit führten die Sozialpartner die Gespräche noch unter sich, hatte Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger in einer anderen Podiumsdiskussion auf der Tagung berichtet. Dulger appellierte an die Geduld der Produktgeber. „Wir wollen jetzt erst einmal gründlich und nur mit unseren Tarifpartnern sprechen. Don’t call us, we call you“.