In Sachen Betriebsrentenstärkungsgesetz ist noch vieles unklar und im Fluss. Klar ist, dass neue Aufgaben auch auf die Aufsicht zukommen, und just die hat sich jetzt geäußert – gewohnt zurückhaltend.
Vergangene Woche Mittwoch in München, jährliche Pensionskassen-Konferenz der Aon Hewitt. Auf dem Podium auch Dietmar Keller, Leiter des Grundsatzreferates für Einrichtungen der bAV bei der BaFin, der zum Stand des Betriebsrentenstärkungsgesetzes spricht – und der dies mit der gebotenen Zurückhaltung tut, die einer Aufsichtsbehörde zu eigen ist, wenn sie laufende Gesetzgebungsverfahren kommentiert.
Keller, der eingangs am Rande darauf hinwies, dass die in der öffentlichen Diskussion häufig benutzen Begriffe „Sozialpartnermodell“ und „Zielrente“ im Gesetzesentwurf nicht auftauchen, äußerte sich naturgemäß nur zur aufsichtsrechtlich relevanten Aspekten der absehbaren neuen Möglichkeiten, die mit dem Gesetz Einzug in die bAV halten dürften.
Garantieverbot schafft Wettbewerb
Ein weithin diskutierter Aspekt in der Reform ist das auf den ersten Blick recht harsch wirkende Verbot von Garantien, das alle Leistungsarten einschließlich der Invaliditätsrenten umfasst. Kritik kommt hier – wenig überraschend – vom GDV und auch – nur wenig weniger überraschend – von den Gewerkschaften.
Keller erläuterte die aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ersichtliche Motivlage, Garantien in dem Modell nicht zuzulassen: Da ist zum einen die Möglichkeit einer ertragreicheren Anlagepolitik in offenkundig nicht leichter werdenden Kapitalmärkten zu erlauben. Zum anderen betonte Keller auch das Motiv der Sicherstellung ausreichenden Wettbewerbs, und hierzu müssten die Markteintrittsbarrieren gering gehalten werden.
Schließlich sei ein wichtiges Ziel des Gesetzes – eine stärkere Verbreitung der bAV– wohl nur ohne Garantien möglich, da der Aufbau von Eigenmitteln über Überschüsse in einer Niedrigzinsphase kaum möglich scheint. Im Übrigen wolle man Einrichtungen der bAV auch vor einer möglichen Unterwerfung unter Solvency II bewahren (wobei dies Kellers Ansicht nach für den Gesetzgeber nicht der Hauptgrund gewesen sein dürfte, Garantien in der neuen Zusageform nicht zuzulassen).
Konsequent sei daher die Zulassung von Produkten der neuen Zusageform zur Sparte der FLV, da deren Bilanzvorschriften passten: Risiko auf Seiten des Berechtigten sowie Bilanzierung zum Zeitwert. Eben dieser Zeitwert sei auch ein guter Maßstab zur problemlosen Sicherstellung der Portabilität und darüber hinaus für die Berechtigten die verständlichste Bewertungsform, so Keller weiter. Dass es hier auch keine separaten Überschüsse aus Kapitalanlage und Biometrie gebe, mache die Sache für die durchführende Einrichtung ebenfalls etwas weniger komplex. Die Verpflichtung für die durchführenden Einrichtungen, die Kapitalanlagen der reinen Beitragszusage durch gesonderte Sicherungsvermögen von ihrem anderen Geschäft zu trennen, sei den Unterschieden der Geschäfte hinsichtlich Bilanzierung und Anlagevorschriften geschuldet und diene dazu, Quersubventionen zu verhindern.
Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung: Gleiche Anlagevorschriften für alle drei
Bekanntlich werden nur die Durchführungswege Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung für die reine Beitragszusage zugelassen. Die PFAV kommt hier mit ihren Anlagevorschriften universell zur Anwendung, wie Keller erläuterte, und zwar genaugenommen deren Kapitel 4 (Anlagen) mit den Vorschriften zu Anlagegrundsätzen und -management, Anlageformen, Mischung, Streuung und Kongruenz. Über den Verweis zu Paragraf 124 I VAG tritt das Prudent Person Prinzip hinzu. Insgesamt seien die Anlagevorschriften insbesondere aufgrund fehlender quantitativer Beschränkungen ausreichend liberal, ohne auf die gewünschte Flankierung der reinen Beitragszusage zu verzichten.
Deckungsrückstellung und Verrentung des angesparten Kapitals
Infolge des Verzichts auf Garantien entspricht bei der reinen Beitragszusage die Deckungsrückstellung immer dem Zeitwert der Anlagen, Unterdeckungen sind damit definitionsgemäß unmöglich und die Bilanz immer ausgeglichen. Dabei ist die Deckungsrückstellung zweigeteilt und besteht aus dem Vermögen der Anwärter (als Summe der individuellen angesparten Versorgungskapitalien) und dem Vermögen der Rentner.
Bei der Verrentung des Versorgungskapitals finden dann Rechnungsgrundlagen zweiter Ordnung Anwendung, die zwar vorsichtig gewählt werden sollen, aber keine expliziten Sicherheiten enthalten. Dies gelte für die Biometrie und den Verrentungszins, der auf der erwarteten Rendite der Kapitalanlagen basiert. Folge der Verwendung von Rechnungsgrundlagen zweiter Ordnung ist eine gegenüber der versicherungsförmigen Durchführung höhere Anfangsrente.
Die Verrentung kann auch mit einem Zins unterhalb der erwarteten Rendite vorgenommen werden, was dazu führt, dass das Versorgungskapital höher ist als der Barwert der Rente mit Rechnungsgrundlagen zweiter Ordnung. Allerdings darf der Verrentungszins nur soweit vermindert werden, dass das Verhältnis von Versorgungskapital und Rentenbarwert, der sog. Kapitaldeckungsgrad, maximal 125% beträgt. Die Differenz zwischen Versorgungskapital und Rentenbarwert stellt einen Puffer dar, den der Neurentner ins Rentenkollektiv einbringt.
Im Korridor…
Garantielos heißt Renten dürfen schwanken. Das heißt aber nicht, dass es hier gar keine Vorschriften geben soll. Auch hier gab Keller einen Überblick über die Regelungen, die sich an denen des noch jungen Paragrafen 236 VAG orientieren:
Rentenanpassungen müssen in Abhängigkeit vom Kapitaldeckungsgrad des Rentnerkollektivs erfolgen. Dieser muss sich stets in einem Korridor zwischen 100 und 125 Prozent befinden. Wenn dies der Fall ist, sind Rentenanpassungen möglich, aber nicht verpflichtend. Bei einem Überschreiten des Korridors nach oben hat eine Rentenerhöhung stattzufinden, bei einer Unterschreitung eine Kürzung. In der Folge muss sich der Kapitaldeckungsgrad wieder innerhalb des Korridors befinden. Nötige Anpassungen könnten auch über mehrere Jahre gestreckt werden. Geprüft werden muss die Einhaltung des Korridors mindestens einmal jährlich, d.h. laut Keller nötigenfalls auch unterjährig immer dann, wenn es Indikationen für Über- und Unterschreitungen gibt.
… und konsistent
Kern des Sozialpartnermodells ist es, den Tarifparteien Möglichkeiten und Spielräume, aber auch mehr Verantwortung für eine breitere und tiefere betriebliche Altersversorgung der Deutschen zuzuweisen. Folglich will das neue Gesetz ihnen mannigfache Entscheidungsspielräume zubilligen. Die wichtigsten von ihnen zu beantwortenden Fragen sind hier:
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Einheitliche oder getrennte Kapitalanlage für Anwärter und Rentner?
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Ansparphase mit einheitlicher oder individueller Kapitalanlage?
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Rentenbezugsphase mit einem oder mehreren Sicherungsvermögen (bspw. mit Kapitalanlagen unterschiedlicher Rendite- und Risikoorientierung)?
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Grundsätzliche Anlagepolitik?
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Erwartete Rendite und Abschläge von der erwartenden Rendite?
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Etwaige Rentenanpassungen direkt oder zeitlich gestreckt?
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Höhe und Verwendung etwaiger Sicherungsbeiträge?
Diese Spielräume besagen aber nicht, dass die Tarifparteien Entscheidungen hier nach Lust und Laune treffen können, oder wie es Keller formulierte: „Die getroffenen Entscheidungen müssen konsistent sein.“