Ein Betriebsrentner und seine Ex-Arbeitgeberin streiten um die richtige Berechnung der Dienstjahre, die der bAV zugrunde zu legen sind. Das Zeug zum Musterprozess hat der detailreiche Fall wohl eher nicht. Und sollte eigentlich gar nicht den Weg von Berlin nach Thüringen finden. Tut er aber doch.
Die Zeiträume in der bAV sind lang, und weit zurück in die Vergangenheit des 20. Jahrhunderts reicht der zweite der drei Fälle, die am 14. März vor dem Dritten Senat des BAG verhandelt werden. Auch hier streiten die Parteien streiten um die Höhe einer Betriebsrente. Einige grundlegende Einzelheiten zu dem detailreichen Fall:
Der 1954 geborene Kläger war ab 1976 bei der Beklagten sowie deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, kündigte jedoch im November 1978 zwecks Studium. 1984 trat er wieder ein, im Arbeitsvertrag wurden zusätzlich drei Jahre der Ausbildung/Studium als anrechenbare Dienstjahre vereinbart (die bei der Feststellung, ob ein Rentenanspruch oder eine unverfallbare Anwartschaft erworben wurden, außer Betracht bleiben sollen). Im weiteren Verlauf regelten Betriebsvereinbarung und Richtlinien und Versorgungsordnungen der Arbeitgeberin sehr detailliert, wie sich Unterbrechungen des Beschäftigungsverhältnisses negativ auf die Berechnung der Dienstjahre auswirken.
Just mit deren Auslegung mussten sich die Richter des LAG Berlin-Brandenburg beschäftigen, und das auf vielen, langen Seiten. Denn 2008 teilte die Arbeitgeberin dem Kläger mit, wie seine erworbenen Rentenansprüche überführt würden, und berechnete die erworbene Anwartschaft. 2020 teilte die Beklagte die Höhe der bAV mit insg. 2.932 Euro brutto mit unter Berücksichtigung von gut 26 anrechnungsfähigen Dienstjahren.
Der Kläger bezieht seitdem Altersrente und Betriebsrente. Er verlangte mit seiner Klage vom Mai 2020 bei der Berechnung seiner Betriebsrente die zusätzliche Berücksichtigung von drei Jahren und einem Monat Vordienstzeiten ab dem Ausbildungsbeginn 1976 bis zum Ende des ersten Arbeitsverhältnisses 1979 zusätzlich zu besagten 26 Dienstjahren, welche die drei Jahre seiner Studienzeit umfassen; insg. also gut 29 Jahre mit einer bAV von 3.193 Euro brutto.
Rentners Niederlage in erster Instanz …
Das Berliner Arbeitsgericht hat die Klage am 14 April 2021 – 29 Ca 2551/21 – abgewiesen, denn v.a. die Rückkehr zum Ex-Arbeitgeber nach dem Studium sei zufällig und damit ohne inneren Zusammenhang erfolgt. Prompt ging der Kläger in Berufung.
Seine Argumentation: Ein inhaltlich innerer Zusammenhang zwischen der früheren und späteren Tätigkeit sei nach Wortlaut und Zweck der Richtlinie nicht erforderlich. Ein zeitlicher innerer Zusammenhang bestehe, da der Übergang aus dem ersten Arbeitsverhältnis in das Studium und aus diesem 1984 heraus nahtlos sei.
… und Sieg in der zweiten
Das LAG gab dem Mann am 1.Dezember 2021 – 23 Sa 835/21 – recht: Der Kläger erfüllt die in den verschiedenen Regelungen des Unternehmens geregelten Voraussetzungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis zum Zwecke einer Ausbildung unterbrochen wird.
Nun, da sich dieser Fall v.a. darum dreht, wie die vielfältigen Formulierungen des Arbeitgebers in seinen verschiedenen Regularien auszulegen sind, hat er wohl nicht gerade das Zeug um Musterfall.

Das sahen die Berliner Richter offenbar ähnlich, maßen dem Fall keine grundsätzliche Bedeutung bei, da er allein an den Besonderheiten des Einzelfalles orientiert ist, und ließen keine Revision zu – wiesen aber natürlich auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72a ArbGG hin. Und genau diesen Weg hat die unterlegene Ex-Arbeitgeberin offenbar beschritten.
Nun also heute Erfurt.
Mehr zu dem ersten am 14. März in Erfurt zu verhandelnden Fall findet sich auf LEITERbAV hier, mehr zu dem dritten – 4 Sa 337/20 des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom vom 26. November 2021 – erübrigt sich zu diesem Zeitpunkt, da er mit dem ersten geschilderten Fall vergleichbar ist.
Eine erste Berichterstattung zu den Urteilen der drei Fälle findet sich auf LEITERbAV zwischenzeitlich hier.