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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen


Nichts genaues weiss man nicht (I):

Purple Pain

USA im Shutdown, Trump launisch, Frankreich planlos, Geolage weiter unklar, Dollar mal im Sinkflug, mal wieder nicht: Und die Aktien? Nicht wenige nahe ATH oder darüber wie auch die Krisenwährung Gold – und beide durchaus mit heftigen Rücksetzern. Ist es Puffer, ist es Fallhöhe? Wer weiß das schon. Verwirrend ist die Lage allemal. Grund genug für Jochen Hägele und Pascal Bazzazi, bei Investoren und Asset Managern die Stimmung abzufragen. Teil I eines zweiteiligen Parforceritts: Wer sich zum Stelldichein verabredet hat, wem wofür die Phantasie fehlt, welche Kräfte das Karussell treiben, an wen man sich erinnern sollte, und was noch schlechter ist, als es vorher gut war und viel mehr …

Ist Ihnen, liebe Leserschaft, derzeit zuweilen auch etwas mulmig? Auch wenn Sie schon lange im Geschäft sind? Da sind Sie nicht allein. „Von Tag zu Tag nehmen Risikobewusstsein und Respekt vor den immer weiter steigenden Märkten zu“, sagt stellvertretend für viele Marktteilnehmer einer von denen, die schon viel gesehen haben, nämlich Martin Thiesen, Vorstand der drei Pensionsfonds der Metzler Pension Management.

Martin Thiesen, Metzler.

Zu den Lernerfahrungen der letzten Dekade gehört auch: In den kurzen und heftigen Korrekturen der jüngeren Vergangenheit wurden stets diejenigen Investoren belohnt, die voll im Risiko blieben: „Bei allen potenziellen Krisenereignissen der vergangenen Jahre wurden die Kursrückgänge in kürzester Zeit wieder ausgebügelt“, sagt Aktuar und Investment-Veteran Thiesen. Die Tage vor und nach dem Liberation Day haben das jüngst erst wieder bewiesen.

Egal ob institutionelle oder private Anleger, es ließ sich in den letzten fünf oder mehr Jahren immer wieder aufs Neue beobachten: Viele Anleger stiegen zum richtigen Zeitpunkt aus – was gut war.

Gerade das ist ja auch wieder das Beunruhigende.“

Und verpassten dann den rechtzeitigen Wiedereinstieg – was noch schlechter war, als es vorher gut war.

Lage und Stimmung: Beunruhigend beruhigend

Alles sieht danach aus, dass sich dasselbe Muster auch beim neulichen Kurz-Rücksetzer im Zusammenhang mit dem US-chinesischen Handelsstreit und dem First Brands-Kollaps wiederholt. „Mir fehlt aktuell die Phantasie, welches Ereignis am Aktienmarkt eine echte, langanhaltende Korrektur auslösen könnte“, sagt Thiesen: „Aber gerade das ist ja auch wieder das Beunruhigende.“

Skeptisch denken, optimistisch handeln

Vielen Investoren geht es ähnlich – vom Privatanleger bis zum Anlagevorstand: Sie sehen steigende Risiken – und wollen zugleich die Rallye nicht verpassen. „Es gibt oft Unterschiede zwischen der skeptischen Weltsicht und dem, was man im Portfolio macht“, bringt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International die Sache auf den Punkt.1

Carsten Roemheld, Fidelity.

Die großen Konzentrationsrisiken in einem recht engen Bereich des Marktes – konkret dem der Magnificent Seven – beunruhigen ihn jedenfalls: „Gleichzeitig zeigen repräsentative Umfragen wie der Fund Manager Survey der Bank of America, dass die Cash-Quoten immer weiter runter und die Investitions- und Aktienquoten hoch gehen.“ Klingt also alles danach, als wenn sich Buy the Dip und FOMO auf ein Stelldichein verabredet hätten.

US-Tech Circular Financing: wie du mir, schieb ich dir

Sorgen bereiten Roemheld auch die jüngsten gegenseitigen Multimilliarden-Investments der US-Techfirmen – von Nvidia über OpenAI zu Oracle, jüngst war tatsächlich Nokia – Champion der Jahrhundertwende – an der Reihe: „Der Markt hängt immer stärker am KI-Thema“, so Roemheld, und „wenn sich diese Firmen dann noch gegenseitig mit Investitionen in solchen Dimensionen ausstatten, dann wirft das Fragen auf.“ In der Tat kann man hier den Eindruck von Industrie- und Finanzalchemie bekommen. Als säße man auf einem Karussell, das ständig an Tempo zulegt. Und mit dem Tempo steigen die Fliehkräfte.

Dortmund: Remember Cisco

Sind die Aktienmärkte also in einer Bewertungsblase wie in der Dotcom-Bubble Anfang der 2000er Jahre? Sie erinnern sich: 6. März 2000, Deutsche Telekom bei 105 Euro.

Die Aussichten einer gewinnbringenden Monetarisierung stehen schlecht.“

Einen Unterschied zur damals sieht Stratege Roemheld allerdings: „Bei der Dotcom-Blase waren die Firmen fundamental schwächer aufgestellt als viele große Unternehmen heute“, sagt Roemheld. So ist es, zumindest die Großen der Highflyer von heute machen bereits milliardenschwere Umsätze und schwindelerregende Gewinne. Ebenso schwindelerregend jedoch die Bewertungen. Angesichts der Größenordnungen, die hier bewegt werden, ist Roemheld skeptisch: „Die Aussichten, dass all das Geld gewinnbringend monetarisiert werden kann, stehen schlecht. Aber bis dahin möchte jeder solange dabei bleiben, wie es aufwärts geht.“

Wolfram Gerdes, KZVK Dortmund.

Das erinnert fatal an den Fall Cisco: Im Gespräch mit dem Herausgeber führte KZVK-Anlagevorstand Wolfram Gerdes schon im Februar dieses Jahres das durchaus solide US-Unternehmen als Beispiel dafür an, wie frühe Anleger mit exorbitanten Wetten auf die Zukunft viel Geld erst verdienten, späte Anleger es dann verloren – während Cisco selbst aber nach dem Platzen der Blase operativ weiter meist erfolgreich wirtschaftete – doch der Kurs etliche Jahrzehnte benötigte, um wieder standesgemäße Höhen zu erreichen, diesmal freilich fundamental eher gerechtfertigt.

Hamburg: „Glänzend“ stabil im ungemütlichen Umfeld

Dass die Welt ungemütlicher geworden sei, sagt auch Frank Oliver Paschen. „Die Institutionellen haben sich in immer kürzeren Abständen mit geopolitischen Risiken und Verwerfungen auseinander zu setzen“, stellt der Vorstand der Pensionskasse der Hamburger Hochbahn AG fest – ist aber mit Blick auf die Möglichkeiten der Anlage durchaus optimistisch und hält die Risiken mit einer diversifizierten Anlagepolitik und gutem Risikomanagement für beherrschbar. Auch die Pensionskasse der Hamburger Hochbahn sieht er gut aufgestellt: „Wir fahren mit unserem bewährten Anlagen-Mix sehr gut, haben keinerlei stille Lasten, sondern hohe stille Reserven aufgebaut.“ Besagter Anlage-Mix der Hamburger umfasst Immobilien, einen diversifizierten Masterfonds mit etwa 20% Aktienquote, einen kleinen Schuldscheinbestand in der Direktanlage – und viel physisches Gold im freien Vermögen (das Paschen von seinem Vorgänger erbte, der hier eine Vorliebe hatte). Insgesamt fährt die Kasse eine signifikante Edelmetallquote von über 10%. Zur Causa Gold später mehr.

Frank Oliver Paschen, PKH.

„Das reicht – für uns braucht es kein Mezzanine, keine Debt-Produkte und angesichts unserer SAA auch kein PE und keine Infrastruktur, so Paschen, und „auch Krypto ist kein Thema für uns.“ Glänzend aufgestellt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Leverkusen: die Sache nicht persönlich nehmen, Disziplin schlägt Timing …

„Die Märkte sind aktuell nicht nur sehr volatil, sie sind auch äußerst fragil und sehr politisch“, sagt Stefan Nellshen.

Wir möchten bewusst keine starken persönlichen Meinungen einfließen lassen.“

Das zeige sich, wenn bspw. einzelne Zoll-Androhungen des US-Präsidenten die Märkte am gleichen Tag um mehrere Prozent nach unten schickten. In solchen erratischen Märkten sei es fast unmöglich, aktives Timing zu betreiben, so der CEO der Bayer-Pensionskasse. „Man muss wirklich das langfristige Investmentziel im Blick haben und dann auch die Disziplin haben, die sich für einen Asset-Liability-getriebenen Investor aus seiner Aufgabe heraus ergibt“, so Nellshen. Die Sicherstellung der langfristigen Finanzierungsziele – also konkret Bedeckung und Einhaltung der Solvabilitäts-Vorschriften – gibt auch der Bayer Pensionskasse den Rahmen der SAA vor.

und Aktuelles ist immer nur taktisch

Des Leverkusener Mathematikers langfristige durchschnittliche Return-Annahmen für die verschiedenen Anlagesegmente basieren dabei auf einer breit angelegten Umfrage unter vielen deutschen und internationalen Investmenthäusern. „Wir möchten als langfristiger Pensionsinvestor ganz bewusst keine starken persönlichen Meinungen einfließen lassen und so ‚prognosefrei‘ wie möglich arbeiten“, sagt Nellshen. Die durchaus vorhandene Hausmeinung wird nur dann relevant, wenn sie skeptischer als die Konsensus-Annahme ist, denn die ALM-Studie wird immer am konservativen Ende ausgerichtet.

Trotzdem gilt: „Aktuelle Entwicklungen sind bei der langfristigen Ausrichtung sekundär, aber sie haben natürlich taktischen Einfluss auf etwaige kurzfristige Maßnahmen, etwa im Rahmen von Sicherungsstrategien“, so Nellshen.

Fühlen Sie sich US-übergewichtig?

Um mehr als 80% sind die großen Indizes wie MSCI World, Russell 1000 und S&P 500 in den vergangenen drei Jahren gestiegen, der S&P 500 allein seit Jahresanfang um 15% – in USD gerechnet und bei erheblichen Ausschlägen, man denke nur an die Tage rund um den erwähnten L-Day.

Bei Aktienrisiken denken die meisten daher erstmal an die großen US-Werte, die die Indizes nach oben gezogen haben: „Wenn man sich die Konzentration anschaut in den globalen Standardindizes, dann hat man hier mehr als 70% US-Aktien, und davon stellen die Megacap-Tech-Aktien ein Drittel“, so Thiesen: „Allein aus Risikogesichtspunkten ist das keine gute Portfoliostruktur.“

Wir haben das US-Risiko strukturell zurückgefahren.“

Grundsätzlich hält man bei Metzler Pension Management den Anteilsscheinen aber die Treue: „Wir haben die Quoten in den vergangenen beiden Jahren insgesamt sogar teils noch erhöht – gerade bei längeren Anlagehorizonten, wo wir uns die Volatilität erlauben können“, sagt Thiesen. Das gilt aber nicht unisono für alle Segmente: „US-Aktien sind schon stark überbewertet“, und darauf habe man reagiert: „Wir haben das US-Risiko strukturell zurückgefahren und sind von besagten 70 bis 75% eher in Richtung 50% gegangen.“ Man nehme damit „ein Stück Risiko vom Tablett“, so der Aktuar.

American Gretchenquestion

„Es gibt durchaus Investoren, die sich fragen, ob US-Assets investierbar bleiben“, sagt auch Wolfgang Murmann: Auf diese Gretchenfrage geben die Anleger zwei Antworten, so der Head of Workplace Consulting bei Fidelity International in Deutschland: Die einen blieben in den USA investiert und diversifizierten ihr Portfolio breiter etwa über mehr Small Caps. „Die anderen gehen zunehmend aus den USA raus, etwa nach Europa oder Asien ex-China.“ Speziell bei China würde nach wie vor die Skepsis überwiegen, aber abseits dessen, also nach Asien Ex-China und Europa sieht er durchaus Flows.

Wofgang Murmann, Fidelity. Foto: Scherhaufer.

Einen großflächigen Rückzug aus den USA kann aber auch er bislang nicht ausmachen. Europäische Investoren hätten insb. nach dem Liberation Day begonnen, ihre Europa-Gewichtung nach oben zu schrauben, aber in jüngster Zeit sei nicht mehr viel passiert. Eine größere Allokationsänderung bedeutet natürlich – all Things equal – einen höheren Tracking Error und damit Handlungsbedarf: „Ich kann entweder eine neue SAA rechnen und die Quoten neu festzurren oder taktisch von der SAA abweichen. Die Risikokontrolle kann über eine Anpassung der Benchmark erfolgen“, erklärt der Pensions-Fachmann.

EM ist nicht EM: Orientierung in einer fragmentierten Welt

Die geopolitischen und fiskalischen Herausforderungen in den USA werfen zunehmend Fragen auf, die man traditionell eher mit Schwellenländern verbindet.

EM sind kein homogenes Risiko-Cluster mehr.“

Und umgekehrt? „Gleichzeitig erleben wir in vielen Schwellenländern eine bemerkenswerte Stabilisierung – sowohl wirtschaftlich als auch institutionell“, sagt Albrecht Bassewitz. Für langfristig orientierte Investoren lohne ein differenzierter Blick: „EM sind heute kein homogenes Risiko-Cluster mehr, sondern ein vielfältiges Spektrum mit unterschiedlichen makroökonomischen Fundamenten“, so der Head of Corporate & Pensions Germany, Invesco.

Nicht Label, sondern Governance

Bei Ländern wie Indien oder Indonesien sieht Bassewitz robuste Wachstumsdynamiken, während andere Regionen von strukturellen Reformen und einer wachsenden Mittelschicht profitieren. In einem Umfeld, in dem die Konzentration in US-Aktien zunehmend als Klumpenrisiko wahrgenommen wird, könne eine gezielte Öffnung gegenüber ausgewählten EM-Märkten zur Risikodiversifikation und zur Erschließung neuer Renditequellen beitragen.

Albrecht Bassewitz, Invesco.

„Entscheidend ist dabei nicht das Label ‚EM‘, sondern die Qualität der Governance, die fiskalische Disziplin und die institutionelle Reife der jeweiligen Märkte.“

Fixed Income: Bonds bringen Rechnungszins …

Und der Anleihenmarkt? Könnte dort nicht eigentlich alles in bester Ordnung sein? Bekanntlich stellen hochwertige Staatsanleihen die klassische Risk-free-Anlage, und mit aktuell etwa 2,6% rentieren selbst zehnjährige Bunds deutlich über dem Rechnungszins der meisten bAV-Investoren.

Man muss fragen, wie risikolos US-Treasuries noch sind.“

Entsprechend ziehen viele Anleger ihren Direktbestand weiter hoch, zumal der in der Niedrigzinsphase oft deutlich abgeschmolzen war. Metzlers Thiesen: „Wir haben in klassischen Pensionsfondsmandaten eine recht hohe Zinsträgerallokation mit 60%, dann 30% Aktien und 10% Alternatives und Immobilien.“ Strukturell habe man aber gerade den Anteil an Sovereigns über die Jahre zu Gunsten von Corporates und anderer qualitativ hochwertiger Credit Spreads zurückgefahren und behalte diese Marschrichtung auch weiter bei. Dahinter steht auch eine geänderte Sicht auf das Risiko: „Man muss sich ja fragen, wie risikolos US-Treasuries noch sind“, so Thiesen.

aber sichere Zinshäfen werden knapp

Tatsächlich gibt es deutliche Warnsignale am Rentenmarkt. Da ist etwa die Rückstufung des Ratings für die USA auf Aa1 durch Moody’s, die den USA bis Mai dieses Jahres als letzte der drei großen Ratingagenturen die AAA-Treue hielten.

Doch zeigen wir nicht mit dem Finger auf andere. Denn in Europa, insb. bei den französischen Staatsanleihen, könnte man sich aktuell erst recht über die Sicherheit streiten. Frankreich wird gegenwärtig von Moody’s mit Aa3 bewertet, von S&P mit AA-, Fitch hat dagegen bereits im September den Daumen respektive das Urteil auf A+ gesenkt. Damit dürfte nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Doch wie soll das weitergehen?

Besuch der alten Tante und …

Nizza, Place Masséna 1016. Foto: Kassandra.

Dass sich die französischen Spreads trotz des Politikdramas – oder eher Komödie – noch einigermaßen halten, dürfte vor allem dem Vertrauen in die EZB geschuldet sein, die seit der Eurokrise und Draghis „Whatever-it-takes“-Rede ihren QE-Instrumentenkasten etwa mit dem Transmission Protection Instrument (TPI) sogar noch kräftig ausgebaut hat – entgegenstehendes Voßkuhle-Urteil hin oder her, der Capital Key interessiert dann eh keinen mehr.

Formales Problem: Für die französische Situation, bei der ein Staat sehenden Auges in die Schuldenfalle steuert, sind diese Instrumente eigentlich nicht gedacht. Doch wer wird im Ernstfall danach fragen? Jedenfalls wäre es eine echte Überraschung, stünde der erneute Besuch unserer alten Tante QE nicht schon bald auf der EUropäischen Agenda. Und dann? Dann gilt zumindest in der Wiederanlage: Real Assets only, please! Das haben wohl alle Pensionsinvestoren in der Dekade des Nullzinses tief verinnerlicht.

Richtig ist aber auch: Die französische Katastrophe wurde schon oft besungen. Nur ein Beispiel: 2016, vor knapp zehn Jahren, musste Kassandra, gerade vor Ort in Nizza weilend, die Tageszeitung Die Welt für ihre Wortwahl tadeln, die vom absehbaren Zusammenbruch der Grande Nation warnte – von dem faktisch nichts zu spüren war. Nun, das war mitten im Minizins. Die Zeiten sind vorbei. Heute ist das Geld teuer. Am Ende gilt das, was eingangs steht, auch für die Causa Frankreich: Nichts genaues weiss man nicht. Man wird sehen.

die Angst am langen Ende

Wie dem auch sei, noch ein Indikator alarmiert manch Anleihenprofi: Der ultralange Spread von 30-jährigen gegenüber zehnjährigen Anleihen ist zuletzt deutlich angestiegen, vor allem in den USA, aber auch in Frankreich und anderen Euro-Staaten. Während Zehnjährige vor allem Inflationsprognosen einpreisen, gelten die 30-jährigen als deutlich stärker von der Schuldentragfähigkeit abhängig. Die extrem schwache Performance des langen Endes der Zinskurve in den USA sehen die Experten daher als direktes Signal eines gefährlichen Verschuldungspfades: Und damit als nichts anderes als ein aufkommendes Misstrauensvotum gegen den Staat.

Keine grundsätzlichen Bedenken, aber keine Allokation

Bei der Bayer-Pensionskasse hat Nellshen mit seinem Team zwar den Direktbestand seit 2022 weiter ausgebaut, hier werden aber nur Namenstitel höchster Bonität allokiert.

Warum sollte ich dann zusätzliche Risiken nehmen?“

Der Ausbau des Direktbestands ging primär zu Lasten börsennotierter Renten und Risiko-Assets im Fondsbestand, erklärt der Chef aller Pensionsvehikel des Chemiekonzerns: „Wenn ich mit einem Namenstitel allerbester Kreditqualität meinen Rechnungszins annähernd risikofrei verdienen kann, warum sollte ich dann zusätzliche Risiken nehmen?“ Übrigens: Frankreich spielt im Direktbestand keine Rolle, auch wenn Nellshen betont, aktuell keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Rückzahlung französischer Staatsanleihen zu haben.

Stefan Nellshen, Bayer AG. Foto: Gerst.

Die engen Spreads bei Unternehmensanleihen fügen sich für Nellshen zu den hohen Bewertungen an den Aktienmärkten. Mit einem Modell ermittelt man bei der Bayer Pensionskasse den fairen Wert des jeweiligen Aktienmarktes in Abhängigkeit von Gewinnsituation und den Kapitalkosten der Unternehmen. „Und da sehen die USA schon relativ teuer aus“, so Nellshen, und auch für ihn „hängt der jüngste US-Börsenaufschwung an einer Handvoll Unternehmen. Uns stellt sich damit umso mehr die Frage, wie lange das so weitergehen kann.“ Für ihn dürfte sich die Antwort auf diese Frage v.a. am künftigen Gewinnwachstum entscheiden.

Alles auf Nummer Sicher? Ganz ohne Speck?

Nochmal zu Anleihen: Die Redaktion weiß durchaus von Pensions-Investoren, die angesichts eines Zinssatzes oberhalb des eigenen Rechnungszinses die Fixed Income-Sache bis zum Exzess getrieben haben – und praktisch nur noch Bonds fahren.

Anders im Norden: Bei der Hamburger Hochbahn tangieren Paschen die Überlegungen zu Anleihen kaum. Er sieht nur begrenzten Mehrwert in FI: „Aus unserer Sicht wäre es falsch, angesichts der turbulenten Märkte und der geopolitischen Entwicklungen von einer sachwertorientierten und diversifizierten Kapitalanlagepolitik abzurücken.“ Wer ausschließlich auf Fixed Income setze, vergebe zum einen Potentiale, „denn Ziel kann es ja nicht nur sein, den Rechnungszins zu erwirtschaften, sondern auch Überschüsse verteilen und Speck ansetzen zu können.“ Zum anderen mache man sich mit einem hohen Anleihenanteil auch angreifbar, wie das Jahr 2022 eindrucksvoll gezeigt habe, als Aktien- und Anleihenkurse quasi im Gleichschritt nach unten rauschten. Wehe, wenn dann noch die Bonität leiden sollte …

Ende des ersten Teils des Beitrages. Der zweite folgt in Kürze auf ALTERNATIVESINDUSTRIES.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.

FN1) Zumindest der Herausgeber kann in der Tat genau das für sich selbst bestätigen. Eine Kassandra zu sein, im Portfolio ist keine Lösung.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

Alle Bilder von Kassandra ab Februar 2025 sind KI-generiert.

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