Bis dato ging die deutsche Wirtschaft davon aus, dass die neue Mobilitätsrichtlinie zwar Verschlechterungen bei den Unverfallbarkeitsfristen mit sich bringen werde, doch man damit würde leben müssen und können. Doch nun dreht der Entwurf mitten im Trilog in Sachen Bürokratie nochmal richtig auf.
Seit Ende September 2013 laufen sie, die Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Rat, Europäischem Parlament und der EU-Kommission über den Richtlinienvorschlag mit dem beschaulichen Titel „Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern durch Verbesserung der Begründung und Wahrung von Zusatzrentenansprüchen“. Hat der Entwurf in grauer Vorzeit noch als „Portabilitätsrichtlinie“ Angst und Schrecken verbreitet, lässt er sich heute unbürokratisch-kurz „Mobilitätsrichtlinie“ rufen. Doch damit ist auch schon Schluss mit der Unbürokratie. Denn just in diesen Tagen ist es an einem bisher völlig ruhigen Frontabschnitt – den Abfindungen von Kleinstantwartschaften – zu kritischen Einbrüchen gekommen, die sich vermutlich kaum mehr bereinigen lassen werden:
Ein geänderter Artikel 5 III des Entwurfs, auf den sich Rat, EP und Kommission Ende November geeinigt haben, sieht nun vor, dass Anwartschaften nur noch einvernehmlich und nach vorheriger Information abgefunden werden dürfen. Mit dieser Regelung würde die in Deutschland bestehende arbeitgeberseitige Abfindungsmöglichkeit von Kleinstanwartschaften nach Paragraf 3 BetrAVG abgeschafft werden müssen. Entsprechend fürchtet die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dass „dies in der Praxis die Unternehmen mit erheblichem zusätzlichen Verwaltungsaufwand belasten würde“. In einem Rundschreiben an die Mitglieder verweist die BDA allerdings auf das Bundesarbeitsministerium, das zugesichert habe, auf eine Revision dieser Änderung im Rahmen der Verhandlungen hinwirken zu wollen. Allerdings dränge die derzeitige litauische EU-Ratspräsidentschaft auf einen schnellen Abschluss der Trilog-Verhandlungen in der laufenden Legislaturperiode, so dass nur wenig Zeit bleibe, weitere Mitgliedstaaten gegen diese Neuregelung im Rat zu organisieren (gemäß Vertrag von Lissabon ist keine Einstimmigkeit mehr nötig). Auch die BDA werde sich über ihren europäischen Dachverband BusinessEurope dafür einsetzen, dass die Änderungen des Artikels 5 keinen Eingang in den Richtlinientext findet, so das Rundschreiben weiter.
Weiter nur bei Grenzüberschreitung
Ansonsten ist soweit alles beim alten geblieben: So soll die Obergrenze für Unverfallbarkeitsfristen drei Jahre betragen (in Deutschland bislang fünf Jahre), die Gleichbehandlung von ausgeschiedenen und aktiven Mitarbeitern bei der Anwartschaftsanpassung soll festgeschrieben und das Mindestalter für den Erwerb unverfallbarer Ansprüche auf maximal 21 Jahre herabgesetzt werden (in Deutschland derzeit 25 Jahre). Der Anwendungsbereich der Richtlinie soll sich weiterhin auf Arbeitnehmer beschränken, die ihren Arbeitsplatz zwischen den EU-Mitgliedstaaten wechseln, nicht jedoch für Arbeitsplatzwechsel beispielsweise innerhalb Deutschlands gelten. In den Erwägungsgründen des Richtlinienentwurfs wird den Mitgliedstaaten allerdings weiter empfohlen, die Regelungen der Richtlinie auch auf innerstaatliche Arbeitnehmerwechsel anzuwenden.
Nationale Spielräume
Wie sich die neue Bundesregierung hier positionieren wird, bleibt abzuwarten. Doch wenn die Ankündigung des BMAS, sich für eine Revision einzusetzen, ernst gemeint ist, könnte das Ministerium bei einem Scheitern dieses Vorhabens seine Ernsthaftigkeit ja ohne weiteres bei der nationalen Umsetzung beweisen – nämlich die Anwendung auf grenzüberschreitende Fälle beschränken.
Zustimmen muss dem Kompromissentwurf am heutigen 9. Dezember noch der EP-Ausschuss für Beschäftigung und Soziales (EMPL), doch kann hiervon sicher ausgegangen werden. Die Abstimmung im EP sollte noch in dieser Legislaturperiode stattfinden, also vermutlich Februar oder März 2014.