Nachdem das Gesetzgebungsverfahren in Gang gekommen ist, hat dieser Tage nun mit Yasmin Fahimi eine politisch Verantwortliche die Kernpositionen der Bundesregierung (fach-)öffentlich klargestellt. LEITERbAV war zugegen – und fragte in einem entscheidenen Punkt im Ministerium nochmal nach. Sicherheitshalber.
Vergangenen Mittwoch in Berlin, gemeinsame Tagung von BAVC und IG BCE zur bAV: „Neue Wege der Alterssicherung – Chemie Sozialpartner im Gespräch zur bAV-Reform“.
Auf dem Podium nicht nur wie berichtet die Spitzen der beiden Veranstalter, sondern auch Yasmin Fahimi, SPD-Politikerin und parlamentarische StS im BMAS. Neues zu berichten hatte sie wenig, genaugenommen gar nichts, umso mehr aber Positionen zu bekräftigen und zu erläutern. Und hier lohnte das Zuhören durchaus.
Fahimi ist Chemikerin und ist nach ihrer Jugend im linken Flügel der Jusos in den Jahren um die Jahrhundertwende in der IG BCE politisch sozialisiert worden. Sie hat zu der chemischen Industrie also ein besonderes Verhältnis. Dass sie eingangs ihres Vortrages die Chemie als „geradezu vorbildlich“ in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung charakterisiert und deren Bereitschaft zu vernünftigen Vorsorgelösungen lobte, überrascht zwar nicht, muss aber gleichwohl nicht zu Denken geben, da deren bAV-Strukturen bekanntlich ja durchaus recht beachtlich sind.
Das wegfallende Hindernis
Kein Wunder auch, dass die Staatssekretärin ihren Blick demzufolge umso mehr auf die bAV bei KMU und Geringverdienern richtete. Ähnlich wie Ende Januar schon Peter Görgen auf dem Berliner bAV-Auftakt erläuterte sie die technische und politische Herausforderung, die es darstellte, die Problematik der Anrechnung von Betriebsrenten auf die Grundsicherung abzumildern. Doch sei das nötig, denn: Der Anteil der Rentner, die heute von der Grundsicherung abhängig sind, sei zwar noch gering, doch sei gewiss, dass dieser steigen werde – und noch größer werde die Zahl derer, die fürchten, dass sie in die Grundsicherung abrutschen könnten, auch wenn dies dann schließlich nicht geschehe. Eben die bis dato vorgeschriebene Anrechnung auf die Grundsicherung sei der Grund, warum in manchen Tarifverträgen von weniger gut aufgestellten Branchen die bAV überhaupt keine Rolle spiele, wusste die Staatssekretärin zu berichten. „Dieses Hindernis fällt nun weg.“
„Riester Teil des Baukastens“ – und 3.36 bleibt wie es ist
„Die zweite wichtige Hürde, die wir auch gerade mit Blick auf KMU abbauen, ist die der Doppelverbeitragung in der Riester-bAV“, so Fahimi weiter. In diesem Zusammenhang erklärte sie, dass sie die in der Öffentlichkeit weit verbreitete Kritik an der Riester-Rente für unzutreffend halte, im Gegenteil, „Riester gehört in dem Gesamtbaukasten der Altersvorsorge.“ Die Förderung der Geringverdiener ist für Fahimi das zentrale Signal, wie sie betonte, um diejenigen zu erreichen, die bisher von der Versorgungslücke betroffen sind. Entsprechend bekräftigte sie den Entschluss, die steuerliche Aufstockung des 3.63 nicht sozialversicherungsseitig zu begleiten.
Die Innovation der Zielrente und die ewigen Versicherer
Auch für Fahimi ist die reine Beitragszusage das wirklich „Innovative“ (treffender wäre wohl das „Neue“) innerhalb der Reform. Den Wunsch der Arbeitgeber nach Pay and Forget und Enthaftung in der ihnen kerngeschäftsfremden bAV hält sie für nachvollziehbar, wenn auch nicht für immer real. Denn man wisse doch, dass man sich als Arbeitgeber bei Einschaltung eines „großen“ Versicherers – namentlich und beispielhaft nannte sie deren zweie, nämlich die Allianz und freundlicherweise die mit-gastgebende R+V – eigentlich keine Sorge um die Haftungsfrage machen müsse. In der Praxis sei eben dies gleichwohl ein Hemmnis, dass man daher nun ebenfalls beseitige.
Nun, der Staatssekretärin Glaube an den ewigen Bestand der Versicher, gepaart mit dem wettbewerbsseitig leicht fragwürdigen Hinweis auf große Häuser, sei mal dahingestellt. Im weiteren Verlauf kam Fahimi auf das Verbot der Garantien zu sprechen: „Leider“ müsse man eben wegen der Enthaftung auf Garantien verzichten, da Enthaftung und Garantien sich logisch beissen würde. Außerdem „gibt es auf den Märkten einfach viel zu wenig Spielraum, um auskömmliche Renditen zu erreichen“. Im Gegenzug habe man beschlossen, dass sich die Arbeitgeber mit einem zusätzlichen Beitrag im Fall der Entgeltumwandlung beteiligen müssen, genaugenommen mit den eingesparten SV-Beiträgen (abzüglich einer kleinen Verwaltungspauschale, so dass sich die bekannten 15 Prozent ergeben).
Zwingender Ausschluss der Garantien?
Aus den Erläuterungen Fahimis zur Notwendigkeit des Garantieausschlusses konnte man mit etwas gutem Willen herauskombinieren, dass es bei dem vorgesehenen zwingenden Charakter dieses Ausschlusses auf auch Ebene der durchführenden EbAV im weiteren Verlauf des parlamentarischen Verfahrens bleiben werde. Doch unzweideutige Aussagen, auf die sich eine Politikerin vom Schlage einer Fahimi später festnageln ließe, schien die Staatssekretärin vermeiden zu wollen. Das Wort „Verbot“ tauchte jedenfalls in ihren Ausführungen kein Mal auf. Immerhin haben soeben erst die Ausschüsse des Bundesrats der Kammer empfohlen, den Garantieausschluss aufzuweichen.
Es war an Hans Ludwig Flecken, Leiter der Abteilung „Sozialversicherung und Alterssicherung“ im BMAS, in seinem später gehaltenen Vortrag den Garantieausschluss technisch zu erläutern und weiter zu begründen, und zwar nicht zuletzt damit, dass eine Aufweichung des Garantieverbots durch den Ausschluss der Firmenpensionskassen den Wettbewerb behinderte. Gleichwohl, der Status Quo ist das eine, die weitere Entwicklung das andere. Und die Frage, ob es im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bei dem Ausschluss bleiben wird, stellte und beantwortete auch Flecken nicht unmittelbar (der Vortrag Fleckens war im übrigen eine technische Darstellung des Staus Quo der Reform und muss daher angesichts der jüngst erfolgten Berichterstattung über den oben erwähnten Vortrag von Peter Görgens hier nicht en Detail weiter behandelt werden).
Angesichts der zentralen Rolle, die das Garantieverbot in der Reform und für ihre Wirkung spielt, waren die Aussagen der StS Grund genug für LEITERbAV, im Ministerium eine unzweideutige Auskunft einzuholen. Und die gab es: Auf die Frage von LEITERbAV, ob das BMAS an dem zwingenden Charakter des Garantieausschlusses festhalten will/wird oder hier eine Aufweichung hin zu einem dispositiven Charakter für das BMAS denkbar ist, stellte das Ministerium schriftlich klar:
„Das BMAS hält im Hinblick auf die Garantiefrage an den Regelungen im Regierungsentwurf fest.“
Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass in dem ursprünglichen 17b-Entwurf als auch in der zweiten Version noch ausschließlich von tarifvertragsparteieigenen EbAV als Pensionskasse oder -fonds die Rede war. Auf der aba-Jahrestagung 2015 erklärte dann Arbeitsministerin Andrea Nahles, dass sich die Tarifparteien auch dritter, bestehender Einrichtungen bedienen können, und gleichzeitig wurde die bis dato noch gar nicht erwähnte Direktversicherung in die Riege der möglichen DFW aufgenommen. Ob man die Entwicklung im Sinne einer Art „Trendfolgemodell“ extrapolieren kann, sodass beizeiten im nächsten Schritt eine Aufweichung des Garantieverbotes folgt, bleibt abzuwarten (scheint nach der nun erfolgten klaren Aussage des BMAS aber unwahrscheinlich).
And die Wand: Mahnung und Warnung
Ob das Modell am Ende für ausreichend Sicherheit und Glaubwürdigkeit bei den Berechtigten sorgen werde, müsse und wolle die Politik am Ende den Sozialpartnern überlassen, so Fahimi weiter in ihrem Vortrag auf der Tagung, und ermahnte diese zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Möglichkeiten. „Denn wenn hier das Vertrauen verloren geht, dann geht mehr kaputt als nur ein neues Modell.“
Neben der Mahnung gab es aber auch eine Warnung. Denn bei einem Misserfolg der Reform könnte die Freiwilligkeit in der bAV durchaus zur Disposition stehen. „Wir haben uns derzeit gegen ein Obligatorium entschieden, da wir glauben, dass die Gestaltungsmöglichkeiten auf der Ebene der Freiwilligkeit noch nicht ausgeschöpft sind“. Eine quantitative Zielmarke gebe es hier aber nicht, sagte sie auf Nachfrage von BAVC-Geschäftsführer Lutz Mühl. „Wichtig ist aber, dass wir in zwei bis drei Jahren nicht hier stehen und von Fortschritten im Promillebereich reden müssen und bei der Schließung der Versorgungslücke nichts erreicht worden ist.“ Im Gegenteil, die Folgen eines Scheiterns sieht Fahimi für alle Beteiligten kritisch:
„Wenn wir am Ende nur Rückgänge in den bestehenden Systemen haben, aber ein Scheitern in der reinen Beitragszusage konstatieren müssen, dann fahren wir alle drei – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Politik – gemeinsam an die Wand.“
Grundsätzlich gebe es laut Fahimi nur zwei (respektive drei) Akteure, denen die Menschen so vertrauten, dass sie eine bAV ohne Garantien akzeptierten: den Staat und die Sozialpartner. Man habe sich nun für die Freiwilligkeit mit den Sozialpartnern entschieden. Die andere Option sei ein Obligatorium – mit Staatsfonds. Ein Staatsfonds ist übrigens genau das, was alles andere einfach umzusetzen wäre (Görgen hat jüngst erst ein Kernproblem geschildert, welche dabei aufträte, nämlich wo überhaupt so ein Fonds technisch aufzuhängen wäre).
Glasklar die Entscheidung der Tarifparteien
Ein weiteres Kernelement der Reform ist die Tarifexklusivität. In Paragraf 24 des Regierungsentwurfes heißt es zwar:
Fragt sich im Zweifel nur, ob Versorgungswerke der Tarifparteien bereit wären, diese Unternehmen und Berechtigten ihrer Branche („einschlägig“!) überhaupt aufzunehmen. Aller Erfahrung nach kann man hiervon jedoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgehen. Die Bundestagsausschüsse empfehlen ihrer Kammer hier bekanntlich, gar eine Pflicht für EbAV zur Aufnahme zu fordern.
Umgekehrt stellt sich die Frage nach einer Aufweichung des Vorbehalts der Tarifparteien, sodass auch das einzelne, nicht-tarifgebundene Unternehmen mit seinem Betriebsrat reine Beitragszusagen vereinbaren könnte (wie beispielsweise von den Ausschüssen des Bundesrates als auch den Arbeitgebern angemahnt, von den Gewerkschaften aber strikt abgelehnt).
Und hier wurde Fahimi deutlich: „Wir werden das Modell grundsätzlich nicht für die betriebliche Ebene öffnen“, stelle sie klar, denn „wir wollen kein Wildwest in der zusätzlichen Altersvorsorge“.