Die bAV-Reform biegt nun endgültig auf die Zielgerade ein. Jetzt hat das Parkett in Berlin von maßgeblicher Stelle ein Update zu Hintergründen, Perspektiven und Zeitplan erhalten. LEITERbAV war dabei.
Im Dezember hatte die Bundesregierung ihren Entwurf vorgelegt, nun sprach Peter Görgen, Leiter des BMAS-Referats „Zusätzliche Altersvorsorge“, vergangenen Mittwoch auf dem Berliner bAV-Auftakt 2017, der dieses Jahr unter der Überschrift Das Betriebsrentengesetz und seine Umsetzung im Dialog stattfand, vor rund 100 Zuhörern über Gedankenspiele zum Obligatorium, über die Frage der Anrechnung auf die Grundsicherung, die Sozialversicherungspflicht, die Tarifexklusivität und den weiteren Zeitplan. Im Einzelnen:
Obligatorium: über wen denn?
Nicht wenige auf dem Parkett warnen schon länger, dass bei einem Scheitern der gegenwärtigen bAV-Reform die Politik sich an Ersatzlösungen machen könnte, die vermutlich deutlich einfacher gestaltet würden als die gegenwärtigen Bestrebungen – nämlich stumpf auf Zwang setzten.
Und in der Tat, so berichtete Görgen, könne man das Thema Obligatorium zumindest gedanklich durchspielen. Wollte man ernsthaft mit einem Zwangssystem arbeiten, käme man um die Inauguration einer zentralen, staatlichen Vorsorgeeinrichtung wohl kaum herum. Hier, so konnte Görgen berichten, traten aber selbst im Gedankenspiel direkt die ersten größeren Schwierigkeiten auf, nämlich bezüglich der Frage, welche staatliche Institution hiermit zu betrauen wäre.
Die Deutsche Rentenversicherung gab sich Görgens Angaben zufolge wenig begeistert von der Vorstellung. Kein Wunder, so Görgen, angesichts der fundamentalen Unterschiede zwischen deren Kernaufgabe des Umlageverfahrens einerseits und der neuen Anforderung der Kapitaldeckung andererseits. Andere Institutionen, wie etwa die Bundesbank, seien zwar grundsätzlich in der Lage , einen entsprechenden Fonds zu verwalten, seien jedoch fachfremd bezüglich der biometrischen Verwaltung von Rentenleistungen. „Spätestens an dem Punkt ist klar, dass wohl eine neue Behörde zu schaffen wäre.“
Großzügig bei der Grundsicherung
Von Komplexität gekennzeichnet auch die Frage der Anrechnung auf die Grundsicherung. „Das war praktisch ein eigenes Gesetzesvorhaben“, trug Görgen auf der Tagung vor, und er hält den Freibetrag für ein bemerkenswertes Zugeständnis der Politik (auch wenn es vermutlich Juristen gebe, die wegen der Ungleichbehandlung mit anderen Vorsorgeformen die Verfassungsmäßigkeit anzweifeln). Summa summarum sind Zusatzrenten bis insgesamt circa 430 Euro pro Monat anrechnungsfrei, und damit dürften, so Görgen, wohl alle Geringverdiener erfasst werden.
NoGo bei der Doppelverbeitragung
Eine Komplettabschaffung der Doppelverbeitragung war für das Bundesgesundheitsministerium ein No-Go, was Görgen angesichts der Höhe der zur Disposition stehenden Summen für nachvollziehbar hält. Eine Lösung wird darin gesehen, die Arbeitgeber zu verpflichten, den ersparten Anteil an der Sozialversicherung an die Arbeitnehmer weiterzugeben – quasi als Kompensation für die Enthaftung. Görgen betonte, dass immerhin die echte Doppelverbeitragung bei der Riester-bAV abgeschafft werde. Allerdings erhielte sein Haus nun viele Beschwerdebriefe von Bürgern, die sich angesichts der Abschaffung der Doppelverbeitragung bei der Riester-bAV nun – nochmals und umso mehr – in ihrer Direktversicherung benachteiligt sehen.
Nicht ohne die Gewerkschaften
Dass der Wunsch nach Aufhebung der Tarifexklusivität vor allem von bayerischen Arbeitgebern vorgetragen wird, ist bekannt. Angesichts des Wegfalls der Arbeitgeberhaftung ist für Görgen die Tarifexklusivität jedoch das Qualitätssiegel der neuen Zusageform. Ohnehin sei klar, dass die Gewerkschaften ohne die Tarifexklusivität die Reform nicht unterstützen werden. Daher prognostizierte Görgen, dass sich an der Vorgabe der Tarifexklusivität vermutlich nichts mehr ändern werde. Gleiches gelte übrigens für die Sozialversicherungspflicht der nun zusätzlich steuerlich zu fördernden vier Prozent des Paragrafen 3 Nummer 63 EStG. Für eine Sozialversicherungsfreiheit über vier Prozent hinaus gebe es keine Mehrheiten.
Wie geht es weiter?
Außerdem gab Görgen einen Ausblick auf den weiteren Zeitplan: 10. Februar erster Durchgang im Bundesrat, 9. oder 10. März erste Lesung im Bundestag, 27. März öffentliche Anhörung, Ende März oder Anfang April zweite und dritte Lesung im Bundestag. Am 2. Juni könnte das Gesetz dann den zweiten Durchgang durch den Bundesrat nehmen, Inkrafttreten dann wie geplant zum 1. Januar 2018.
Der Berliner bAV-Auftakt hat nun zum zweiten Mal stattgefunden. Veranstalter ist Professor Mathias Ulbrich, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeitsrecht, an der Hochschule Schmalkalden, der mit der bewusst klein gehaltenen Veranstaltung den bAV-Stakeholdern der Sozialpartner, der Versorgungsträger, der Berater, der Fachverbände, der Wissenschaft sowie aus Behörden und Politik ein Dialogforum bieten will. Weitere Berichterstattung zu der Tagung findet sich hier.