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Fondsrente – GDV verschärft den Ton:

„Ihr mogelt!“

Neben der Sanierung einiger bAV-Baustellen steht auf der Agenda der taumelnden Bundesregierung auch eine Reform der privaten Altersvorsorge. Der Streit zwischen den diversen Interessengruppen nimmt dabei an Härte zu. Jedenfalls greifen die Versicherer den BVI heute frontal an. Der reagiert prompt.

„Die Fondsanbieter präsentieren eine Mogelpackung zur sog. Fondsrente.“ Das schreibt der GDV in einer heutigen Mitteilung.

Bekanntlich hat der BVI in der vergangenen Woche eine Studie vorgelegt, nach der eine von ihm so genannte „Fondsrente“ fast bei allen Sparern bis zum Lebensende ausreiche – und außerdem (wohl nicht zu Unrecht) darauf verwiesen, dass diese Fondsrente ohnehin nur eine Zusatzleistung zur gRV sei.

Die Versicherer sehen die Studienergebnisse aus mehreren Gründen sehr kritisch, wie sie heute gleich mit mehreren hochrangigen Stimmen kundtun – und dabei den Ton spürbar verschärfen.

Problematisch, falsch, Äpfel, Birnen, keine Rente, irreal“

„Grundsätzlich sind die BVI-Berechnungen äußerst problematisch, weil sie auf sehr optimistischen, zum Teil auch falschen Annahmen bezüglich der Sterblichkeit sowie des Kapitalmarktes beruhen”, so GDV-Präsident Norbert Rollinger (und im Zivilleben CEO der R+V).

Norbert Rollinger, R+V und GDV. Foto: R+V.

„Die Annahmen gehen sowohl an der Wirtschafts- als auch an der Lebensrealität vorbei. Wenn sich ältere Menschen darauf verlassen, stehen sie womöglich ohne Zusatz-Rente da“, sekundiert GDV-HGFJörg Asmussen.

Auch die in der Studie gewählte Bezeichnung „Fondsrente“ sei irreführend, so die Versicherer, die sich offenbar in ihrer Kernkompetenz verletzt sehen. Es handele sich schlicht um einen Fonds-Auszahlplan. Dagegen sei eine echte Alters-Rente eine garantierte, meist monatliche Zahlung während des Ruhestandes bis ans Lebensende. So sei es in der gRV, der bAV und bei Riester (wobei das bei der bAV und Riester nicht immer obligatorisch ist, Anm.d.Red.).

Jörg Asmussen, GDV. Foto: GDV.

Es würden Äpfel mit Birnen verglichen, so die Versicherer weiter. Das täusche Sparerinnen und Sparer, die sich auf garantiert lebenslange Auszahlungen verlassen möchten. „Die verlässliche Finanzierung lebenslanger Grundbedürfnisse, das ist unser gesellschaftlicher Anspruch als Lebensversicherer“, beteiligt sich auch Katja de la Viña, Vorsitzende des GDV-Präsidialausschusses Altersvorsorge und Zukunftssicherung und CEO der Allianz Lebensversicherung, an dem Gegenstoß der Assekurranz.

Ein Leben lang Fondsrente für Leute, die lang leben?

Der GDV hab die Annahmen des BVI überprüft und festgestellt, dass der BVI mit sehr hohen Renditen und einer verkürzten Lebenserwartung rechne. So entstehe der falsche Eindruck, dass das Geld in den meisten Fällen bis zum Lebensende reiche.

Die Annahme, dass die deutschen Staatsanleihen (REXP ca. 4,5%) und Aktien (DAX ca. 9,3%) dieselben Renditen wie in den letzten 30 Jahren erzielen, sei sehr optimistisch. Zudem werde dauerhaft die Sterblichkeit der Corona-Phase zugrunde gelegt. Der GDV verweist auf Daten des Statistischen Bundesamtes vom August: Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern zum Vorjahr plus ca 0,4 Jahre.

Katja de la Vina, Allianz. Foto: Luca Siermann.

Die verwendete aktuelle statistische Sterbewahrscheinlichkeit berücksichtige nicht, dass die Lebenserwartung etwa aufgrund des medizinischen Fortschritts noch weiter ansteigen werde. Der BVI hat berechnet, dass das Geld in über 95,7% der Fälle lebenslang ausreicht. Doch das stimme so gar nicht nicht, denn: „Zwei Drittel der Frauen und mehr als die Hälfte der Männer dürfen damit rechnen, in Zukunft das Alter 85 deutlich zu überschreiten: Dann reicht ein Auszahlungsplan nicht aus, um die Lücken aus der gesetzlichen Rente zu schließen. Wichtig ist daher eine lebenslange Rente, die das Einkommen auch im hohen Alter sichert“, sorgt sich de la Viña um das Auskommen der Alten.

Mit Blick auf die Fokusgruppe zur Reform der privaten Altersvorsorge sehen die Versicherer Bedeutung lebenslanger Renten und Mindestgarantien unterschätzt, wie sie in ihrer heutigen Mitteilung betonen.

BVI: Kein Zwang zur Leibrente

Der BVI reagierte unmittelbar auf die GDV-Attacke. Gegenüber PENSIONSINDUSTRIES erklärte BVI-Sprecher Frank Bock:

Die Fondsrente ist eine renditestarke Alternative zur Leibrente. Unsere konservativen Berechnungen basieren auf offiziellen Daten – die Kurse deutscher Aktien und Anleihen seit Einführung von Dax und Rex 1987.“ Damit seien alle Börsenphasen einschließlich mehrerer starker Kurseinbrüche berücksichtigt.

Und die Lebenserwartung? „Unsere Berechnungen legen die tatsächlichen Erwartungen zugrunde. Die Lebensversicherer dagegen müssen Sicherheitspuffer einrechnen, so dass sie mit unrealistisch hohen Lebenserwartungen rechnen. Das bemängeln auch die Verbraucherschützer,“ so Bock weiter, und er bekräftigt: „Die Hauptquelle der Alterseinkünfte ist die gesetzliche Rente. Wer die Notwendigkeit zusätzlicher staatlicher Transferleistungen heraufbeschwört, scheint davon auszugehen, dass es keine gesetzliche Rente mehr gibt oder dass sie nicht zum Leben reicht.“

Frank Bock, BVI.

Außerdem betont der BVI-Sprecher die Wahlfreiheit:

Wir setzen uns dafür ein, dass die Sparer, die keine Leibrente möchten, eine Alternative ohne Beitragsgarantien und Verrentungszwang haben. Diejenigen, die eine Leibrente möchten, sollen sie auch künftig wählen können. Ein Zwang zur Leibrente aber schadet all denen, die sie nicht wollen.“

Kritik aus Ulm

Zwischenzeitlich hat sich auch Jochen Ruß zu Wort gemeldet – und die Analyse des BVI mit harschen Worten kritisiert. Der Chef des Ifa Ulm spricht von „Annahmen, die dermaßen unplausibel sind, dass dies den Studienautoren bewusst gewesen sein muss“. Fehler sieht er vor allem in unrealistischen Renditeerwartungen bei Bonds (da man die enormen, aber unwiederholbaren Wertzuwächse im Zuge der Zinssenkungen einkalkuliert habe), in der Nichtberücksichtigung der Korrelationen zwischen Aktien und Bonds sowie in zu geringen Entnahmehöhen und Sterblichkeiten.

Dabei hält der Aktuar das Konzept der Fondsrente grundsätzlich nicht für falsch, im Gegenteil, befürwortet aber die Entwicklung eines Fondsinvestments, das im Versicherungsmantel verrentet wird, quasi eine Fondspolice.

Wie der Streit weitergeht, wird man sehen. Ob die angeschlagene Koalition die Reformen überhaupt noch wird umsetzen können, auch. Hier sei die grundsätzliche Haltung Kassandras vom vergangenen Freitag wiederholt, dass eine 401k-artige, Real Assets-basierte Spar- und Vorsorgemöglichkeit nicht zuletzt industriepolitisch für Deutschland dringend überfällig ist, jedoch die Politik angesichts des Einsatzes von Steuergeld zur Förderung eine Kostenregulierung NICHT versäumen darf.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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