Der BAI veröffentlicht Studie zu einer der derzeit angesagtesten Asset-Klassen der Alternatives und ihrer ganz eigenen Ambivalenz. Dabei hat die Studie einen spezifischem Blick auf Deutschland. Und dieser Blick ist ernüchternd.
Dass für den digitalen und ökologischen Umbau der Wirtschaft sowie die Modernisierung maroder Infrastruktur enorme Größenordnungen an Kapital benötigt werden, ist sattsam bekannt. Das insb. Deutschland hier einen besonders prächtigen Investitionsrückstand vor sich herschiebt, auch. Und dass eine Wende ohne institutionelles Kapital, das in die Asset-Klasse Infrastruktur fließt, nicht gelingen wird, ist ebenso Allgemeingut.
Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) wollte es aber offenbar genauer wissen und hat jüngst eine umfangreiche Marktstudie zur Asset-Klasse Infrastruktur mit Fokus auf Deutschland vorgenommen und nun publiziert – basierend auf repräsentativen Umfragedaten 109 deutscher institutioneller Investoren (darunter 11 Pensionsinvestoren) und Interviews mit 13 Branchenexperten.
Der Verband fasst die Kernergebnisse zusammen. Die ersten zwei sind wenig überraschend:
- Deutschland hat erheblichen Investitionsrückstand und wird das Kapital institutioneller Investoren zur erfolgreichen digitalen und ökologischen Transformation der Wirtschaft und der Modernisierung bestehender Infrastruktur benötigen.
- Der Zinsanstieg und das Makroumfeld sorgen für kurzfristige Herausforderungen, es zeichnet sich jedoch bereits eine Trendwende ab, und Prognosen deuten auf eine schnelle Erholung hin.
Dann wird es handfester:
- Deutsche institutionelle Investoren investieren mehrheitlich in Infrastrukturprojekte im Ausland – Experteninterviews verweisen auf die Rendite-Risiko-Struktur im Vergleich zu anderen Märkten, Skepsis bzgl. Privatkapital zur Infrastrukturfinanzierung und die Notwendigkeit regulatorischer Verbesserungen (s.u.).
- Befragte Investoren, Consultants und Asset Manager sehen jedoch gleichzeitig aktuell sehr großes Potenzial für Infrastruktur in Deutschland und einen langfristigen Push durch aktuelle Megatrends, insb. bei erneuerbaren Energien.
- Infrastruktur wird aktuell als die attraktivste alternative Asset-Klasse wahrgenommen, deren Bedeutung in den Portfolios Institutioneller weiter zunimmt.
- Das BAI Alternative Investments Sentiment Barometer bestätigt, dass sowohl Infrastructure Equity als auch Debt andere alternative Anlageklassen bei der Erfüllung der Erwartungen in vergangenen schwierigen Marktphasen übertroffen haben.
Welcher Anteil deutscher LPs in die verschiedenen alternativen Asset-Klassen investieren, zeigt folgende Abbildung:
Quelle: BAI. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Ambivalenz zwischen wenigen Transaktionen kräftiger Dynamik
Philipp Bunnenberg, BAI-Leiter Alternative Markets, blickt auf die Lage: „Der Zinsanstieg und das Makroumfeld sorgen für kurzfristige Herausforderungen und führten zu Liquiditätsengpässen und einem dramatischen Rückgang von Infrastrukturtransaktionen.“ Wie einleitend schon erwähnt, deuteten erste Marktdaten für 2024 jedoch bereits eine Trendwende an, so Bunnenberg.
BAI-Marktanalyst Florian Bucher beobachtet: „Wir sehen aktuell eine sehr große Dynamik in der Asset-Klasse Infrastruktur. Die Megatrends der digitalen und ökologischen Transformation geben nachhaltig Rückenwind. Gleichzeitig weist die Asset-Klasse Charakteristika wie stabile Erträge und einen gewissen Inflationsschutz auf, die sie im aktuellen Umfeld zu einem wertvollen Bestandteil der Asset-Allokation institutioneller Investoren macht. Unseren Daten zeigen klar, dass sich das auch in einer zunehmenden Bedeutung in den Portfolios deutscher institutioneller Investoren widerspiegelt.“
Vorbild NRW?
Zu den 13 vom BAI interviewten Experten zählt Sabine Mahnert, Leiterin Asset Management der EZVK (die jüngst die Führung ihrer Alternatives-Einheit neu besetzt hat).
Mahnerts Tenor zur Infrastruktur ist ebenfalls positiv. Die EZVK beabsichtige, weiterhin in einem kontinuierlichen Tempo zu investieren. Die historisch wichtigen Treiber für Infrastruktur blieben gültig, einschließlich des Inflation Hedges, der angesichts des aktuellen Inflationsumfelds besonders wichtig sei, so Mahnert zu den Studienautoren. Trotz des Gegenwinds durch höhere Zinssätze mache der im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Private Equity geringere Leverage Infrastruktur aus Risikosicht zu einem wichtigen Stabilisator im Portfolio.
Insgesamt glaubt Mahnert, dass das makroökonomische Umfeld weiterhin Investments in Infrastruktur unterstütze und die Nachfrage nach solchen aus dem Privatsektors entscheidend sein werde, um die großen Infrastruktur-Herausforderungen der Zeit zu bewältigen.
BAI Geschäftsführer Frank Dornseifer konstatiert offenbar auch mit Blick auf Pensionsinvestoren: „Die Studienergebnisse zeigen, dass noch Bedarf an regulatorischen Verbesserungen besteht, um Altersvorsorgekapital in noch größerem Maße zur Finanzierung der nachhaltigen Transformation und Modernisierung von Infrastruktur in Deutschland zu nutzen.“
Konkret nennt er die Aktualisierung der Anlagevorschriften für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherer und die Einführung einer separaten Quote für Infrastrukturinvestitionen, wie es sie für Versorgungswerke in NRW gibt (s. hierzu auch das Interview mit Ulf Steenken in der Tactical Advantage Vol. 11).
Mahnert wird in der Studie mit der Aussage zitiert: „Wenn wir wie in NRW eine Infrastrukturquote von 5% hätten und diese nicht auf das Risikokapital angerechnet würde, würden wir in Zukunft höchstwahrscheinlich noch mehr in die Infrastruktur investieren.“
Deutschland? Unter ferner liefen bei den Deutschen
Deutsches institutionelles Kapital spielt für den Erfolg der deutschen Energiewende zwar eine zentrale Rolle. Dennoch befindet sich Deutschland wie eingangs erwähnt in einem harten globalen Wettbewerb um das Kapital dieser Investoren, stellt die Studie fest. Die BAI-Ergebnisse zeigen, dass über 80% der befragten LPs ihre Investitionen überwiegend in Infrastrukturprojekte außerhalb Deutschlands lenken:Quelle: BAI. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Entsprechend hat man sich nach den Gründen erkundigt:Quelle: BAI. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Bemerkenswert: „State Support“ landet hier auf dem letzten Platz. Hier könnte man durchaus einen Widerspruch zu dem sehen, was der Sustainable Beirat der Bundesregierung jüngst in das Zentrum seiner Aufmerksamkeit gerückt hat.
Mit Energie zur Speichertechnologie
Energie-Infrastruktur genießt in der Studie bevorzugt Aufmerksamkeit. Die Autoren haben festgestellt, dass der eine Teil der Befragten aufgrund der derzeit günstigen Bedingungen eine Übergewichtung befürwortet, während der andere die historischen Performance-Unterschiede zwischen den Sektoren betont und sich für eine breite Diversifizierung innerhalb des Infrastrukturportfolios einsetzt.
In den Interviews haben die Autoren eine weitgehend positive Stimmung im Bereich der erneuerbaren Energien festgestellt, die jedoch durch warnende Stimmen gemildert werde, die von übermäßigem Optimismus abraten. Die hohe Attraktivität des Marktes für erneuerbare Energien führe zu einem Zustrom neuer Akteure, was eine sorgfältige Fonds- und Managerauswahl durch LPs erforderlich mache, so die Studie weiter.
Globale Daten zeigen auch, welche Dynamik hinter dem Thema Energiespeicherung steckt:
Quelle: BAI. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Ein Fazit der Studie mit Blick auf Deutschland: „Die politischen Entscheidungsträger müssen sich mit Defiziten befassen und die entscheidende Rolle des privaten Kapitals bei der Förderung der digitalen und ökologischen Transformation anerkennen, was einen klaren Regulierungsrahmen erfordert.“
Die BAI-Studie „Between Short-term Headwinds and Strong Long-term Tailwinds: Infrastructure 2024 – Focus on Germany” findet sich auf 35 Seiten in englischer Sprache hier.