Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Das Pressedrama um die Pensionskassen.
Der Tagesspiegel (16. Mai): „Finanzaufsicht Bafin warnt vor 'ernster' Lage – Angst um die Betriebsrente.“
Seitdem ist das Thema in der Presse und wird vornweg von der Bild-Zeitung in dem ihr eigenen Stil bearbeitet. In deren Kielwasser folgen weitere Medien, auch abseits des Boulevards. Der Tagesspiegel gibt hier mit seinem Beitrag einen Überblick über das, was die Öffentlichkeit an harten Fakten weiß.
Auch LEITERbAV verfügt weder über einen substantiellen Marktüberblick (den hat wohl nur die BaFin, hoffentlich zumindest) noch über einen tiefen Einblick in die Lage einzelner Kassen (den haben nur die dort Verantwortlichen). Gleichwohl müssen an dieser Stelle einige grundsätzliche Punkte in die Diskussion eingebracht werden:
– Ob die Wortwahl Grunds angemessen war oder nicht, wird wohl erst die Zeit an den Tag bringen. Auffallend ist jedoch, dass Grund im Mai 2016 fast identische Worte gewählt hatte, dann gegenüber LEITERbAV etwas zurückruderte, sich im Mai 2017 überhaupt nicht alarmistisch äußerte und nun 2018 erneut mit den Worten von 2016 nachgelegt hat. Doch egal ob angemessen oder nicht – fest steht, dass Grund und BaFin angesichts des Drucks, den die Bild-Zeitung sukzessive aufbaut, nun klare Kante gegenüber den Pensionskassen werden zeigen müssen. Insofern ist die BaFin möglicherweise infolge eines selbst verschärften Handlungsbedarfs nun Getriebene des eigenen Handelns. Dafür spricht, dass die Anstalt sich LbAV-Informationen zufolge dieser Tage mit einem (Kapital-)Maßnahmen fordernden Brief an zahlreiche Kassen gewandt haben soll.
– Dieser BaFin-Alarm kommt zur Unzeit – nämlich just in einer Phase, in der es gilt, die Zurückhaltung der Sozialpartner zu überwinden, die diese bei Umsetzung der vom Parkett fachlich und plattformseitig zunehmend vorbereiteten Infrastrukturen des Sozialpartnermodells an den Tag legen, und in der Teile der Politik mit der Deutschland-Rente neue Störmanöver schießen. Und all das, obwohl die Reform genau dazu dient, ohne Garantien Situationen wie die derzeitige künftig zu vermeiden. Diese Nuancen zwischen alter und neuer bAV der breiten Masse zu vermitteln dürfte allerdings nicht einfach sein.
– Man kann durchaus fragen, ob die BaFin im Rahmen des ihr Möglichen genug getan hat, dass die Kassen mit der unverschuldeten Lage umgehen können. Das jüngste Kapitalanlagerundschreiben scheint jedenfalls nicht durchgängig von rückhaltlosem Verständnis für die Lage der Pensionsinvestoren gekennzeichent.
– Auch die EIOPA dürfte die Entwicklung mit Argusaugen verfolgen. Dass dem Parkett die gegenwärtige Entwicklung von der ambitionierten Frankfurter Behörde regelmäßig aufs Brot geschmiert werden wird, dürfte jedenfalls nicht lange auf sich warten lassen.
– gut ist, dass die Grünen mit einer erneuten Kleinen Anfrage mehr Licht ins Dunkel bringen wollen. Völlig unpassend ist jedoch ein diesbezüglicher, vom Tagesspiegel dokumentierter Kommentar von Gerhard Schick, dem Finanzexperten der Grünen im Bundestag:
„Die Finanzkrise, die vor zehn Jahren mit Bankenpleiten sichtbar wurde, hat sich verlagert und trifft immer stärker die betriebliche Altersvorsorge.“
Das ist zumindest missverständlich. Zur Klarstellung: Erstens geht es weit am Kern der Sache vorbei, wenn ein solch pauschaler Finanzkrisen-Bezug zwischen Banken und Pensionskassen hergestellt wird. Denn viele Banken und ihre außerbilanziellen Sondergesellschaften haben sich vor 2008 und in unkomplizierten Zeiten ohne Not mit Subprimes und anderem offenkundigen Schrott vollgesogen und damit die Krise erst ausgelöst. Bei Pensionskassen ist die Lage aber völlig anders.
Denn ganz im Gegenteil haben die allermeisten, wenn nicht alle deutsche Einrichtungen der bAV die schwierige Gemengelage, den fatalen Spagat aus totalem Niedrigzins und harten Garantien, in der letzten Dekade bemerkenswert störungsfrei gemeistert. Oder sind irgendjemandem Kürzungen von laufenden Betriebsrenten auf breiter Front bekannt? Dass diese Frage verneint werden muss, spricht vor allem dafür, dass deutsche EbAV auf hohem professionellem Niveau gemanagt werden. Dies ist ein Aspekt, der in der gegenwärtigen Diskussion unterzugehen scheint.
– Vor allem aber geht in der gegenwärtigen öffentlichen Debatte offenbar völlig unter, dass die Pathogenese dieser Entwicklung – nämlich die spätestens seit 2007 erfolgte marktferne Manipulation der Bankenkrise, der Staatsschuldenkrise, der Währung und schließlich des Zinses – maßgeblich von einem Akteur getrieben wurde und weiterhin getrieben wird: der Politik. Nochmal: Dass deutsche EbAV angesichts – teils rechtlich fragwürdiger – geldpolitischer Maßnahmen wie Null Prozent Hauptrefinanzierungssatz und negative Einlagenfazilität, 1-Billionen-Bazooka, Dutzende Milliarden QE-Käufe von Govies und Corporates pro Monat, 500-Milliarden-schwere ANFA-Aufkäufe, rund eine Billionen Target-II-Salden et cetera pp mit der Folge einer EZB-Bilanzsumme von heute rund 4,5 Billionen Euro und entsprechendem Crowding out an den Kapitalmärkten einerseits und harten Garantien andererseits überhaupt und zumindest bis dato diese Gemengelage nicht zuletzt im Sinne der Betriebsrentner passabel gemeistert haben, verdient als erstes eines: Respekt.