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Morgen in Siegburg (I):

Der Fall Heinen

Vor knapp zwei Jahren, Anfang April 2019, ist einer der renommiertesten Aktuare des Landes von einem Raser aus dem Leben gerissen worden. Nun wird der Fall vor dem Amtsgericht Siegburg juristisch „aufgearbeitet“. Allzu viel Hoffnung auf Gerechtigkeit sollte man sich – entgegen eines an sich klaren Trends in Deutschland – aber nicht machen.

 

 

Norbert Heinen.
Foto: Andy Ridder.

Norbert Heinen war zweifelsohne eine der herausragenden Persönlichkeiten im deutschen Aktuarswesen; nur einige seiner Stationen:

 

Gründungsmitglied, Vorstand und Präsident der Deutschen Aktuarvereinigung, Gerling-Vorstand, Partner und Geschäftsführer von B&W Deloitte, Vorstandschef der Württembergischen, Aufsichtsratsvorsitzender der KZVK in Köln, deutscher Vertreter in der Vollversammlung der International Actuarial Association, Vorsitzender der Europäischen Aktuarvereinigung und nicht zuletzt Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung…

 

Anfang April 2019 ist der Mathematiker und Physiker Norbert Heinen in Troisdorf/NRW von einen besoffenen Raser aus dem Leben gerissen worden. Medienberichten zufolge hatte der Täter, der Heinen und seine Ehefrau an einer Fußgängerampel erfasste, über zwei Promille Alkohol im Blut. Heinens Ehefrau wurde schwer verletzt.

 

Anschließend flüchtete der betrunkene Fahrer vom Tatort, stellte das Auto ab, flüchtete zu Fuß weiter und versteckte sich in einem Waldstück, wo er mit Hilfe von Zeugenaussagen festgenommen werden konnte – übrigens um ungeachtet der Schwere des im Raum stehenden Tatvorwurfs flugs wieder auf freien Fuß gesetzt zu werden.

 

Mord auf Deutschlands Straßen …

 

Zur Lage: Ausgehend von mehreren mutigen Pionier-Urteilen Berliner Gerichte wird in Deutschland seit wenigen Jahren bei Unfällen mit Todesfolge in schweren Fällen auf nicht weniger als Mord erkannt.

 

Selbst der zuweilen etwas zögerliche Bundesgerichtshof hat erst jüngst Hamburger und Berliner Urteile wegen Mordes gegen Unfallverursacher ausdrücklich bestätigt. Damit ist diese Rechtsprechung höchstrichterlich. In dem Hamburger Fall lag übriges wie im Fall Heinen kein Wettrennen vor, und der Mörder war ebenfalls angetrunken.

 

Sogar in Nordrhein-Westfalen, das sich traditionell in besonderer Weise dem etwas plakativen, aber nicht ganz unberechtigten Vorwurf der „Kuscheljustiz“ ausgesetzt sieht, hat das LG Kleve jüngst einen Raser, der eine Unbeteiligte getötet hatte und ebenfalls von der Unfallstelle floh, wegen Mordes verurteilt. Der BGH hat das Urteil allerdings aufgehoben und zurückverwiesen. Das muss aber noch nichts heißen. Bei einem Berliner Urteil ging der BGH jüngst auch so vor, doch prompt verurteilten die Berliner Richter den Fahrer erneut wegen Mordes. Und diesmal hielt der Strick.

 

Während man in Baden-Württemberg offenbar noch ein wenig schwächelt, ist die neue Rechtsprechung auch in Hessen, in Niedersachsen und in Bayern angekommen. Das LG München hat vor wenigen Tagen einen Mann wegen Mordes an einem 14jährigen Jungen verurteilt. Der Täter sucht ebenfalls die Revision.

 

LEITERbAV erlaubt sich die Anmerkung, dass diese Kehrtwende in der Rechtsprechung eine der wenigen Formen staatlichen Handelns in der Bundesrepublik Deutschlands im frühen 21. Jahrhundert ist, die der Herausgeber rückhaltlos unterstützt.

 

aber nicht in Troisdorf?

 

Zurück zu dem Fall Heinen: Hier soll sich der Täter morgen Vormittag am Amtsgericht Siegburg vor Richter Ulrich Wilbrand verantworten. Passend dazu ist die Anklage – gerade mit Blick auf die oben geschilderte Rechtsprechung – nach wie vor ernüchternd. Wie das Gericht vorab mitteilt, muss sich…

 

…der 40jährige Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB), vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) und unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) vor dem Schöffengericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, im April 2019 in Troisdorf im Zustand alkoholbedingt verminderter Schuldfähigkeit einen Verkehrsunfall verursacht zu haben. Aufgrund der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit und überhöhter Geschwindigkeit soll er die Kontrolle über seinen Pkw verloren haben und mit zwei an einer Ampel wartenden Pedelec-Fahrern kollidiert sein, die aufgrund des Zusammenstoßes schwere Verletzungen erlitten. Einer der Verletzten verstarb am darauffolgenden Tag im Krankenhaus.“

 

Insbesondere der Aspekt der hier genannten alkoholbedingt verminderten Schuldfähigkeit“ irritiert – ein Anachronismus, der in der deutschen Gesetzgebung und in der Rechtsprechung nichts mehr verloren hat und der wie erwähnt beispielsweise in Hamburg die Richter nicht davon abhielt, auch angesichts der hier besonders kritischen Vorsatzfrage auf das zu erkennen, was recht ist: auf Mord.

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