Zwischen Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrenze sowie von Katastrophen, Beispielen und Bedeutungslosigkeit: Das BMF bereitet ein Schreiben vor, um offene Steuerfragen in der bAV klarzustellen. Und das BMAS stellt klar, dass es eine Sache nicht klarstellen wird.
Das BRSG wird, wenn es am 1. Januar 2018 in Kraft tritt, neben Sozialpartnermodell und Zielrente auch zahlreiche Änderungen zum steuerlichen Rahmen der bAV mit sich bringen. Diese gesetzlichen Neuregelungen im Steuerrecht werfen jedoch Auslegungs- und Zweifelsfragen auf. Darauf hat das BMF bereits umgehend reagiert und Ende September den Entwurf eines BMF-Schreibens veröffentlicht. Dieser wurde zunächst Experten und Verbänden vorgelegt, um Einschätzungen und Änderungsvorschläge einzuholen.
Der Entwurf dieses BMF-Schreibens überarbeitet das ausführliche BMF-Schreiben „Steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung“ vom 24.Juli 2013. Folge: Künftig gibt es zwei BMF-Schreiben, die das Thema in den Detailfragen behandeln, eines für die private Altersvorsorge und eines für die bAV.
Rechenaufgabe Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung
Aktuell viel diskutiert wird die Frage, wann und in welcher Höhe der Arbeitgeber im Rahmen des neuen BRSG tatsächlich einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung für ersparte Sozialversicherungsbeiträge leisten muss. Hans Ludwig Flecken, Leiter der Abteilung „Sozialversicherung und Alterssicherung“ im BMAS, hat bereits öffentlich erklärt, dass der Arbeitgeber hier „spitz“ abrechnen könne.
Dieser Aspekt, obwohl nur indirekt ein steuerlicher, wird auch im Entwurf des BMF-Schreibens angesprochen: Nach § 1a Abs. 1a und § 23 Abs. 2 (BetrAVG n.F.) ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer in Höhe von 15 Prozent zu leisten, „soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart“.
Nach Ansicht des BMAS sei der Sinn des Gesetzes, dass der Arbeitgeber diese Ersparnis exakt errechnen könne. Deshalb erläutert das BMAS in einer in den BMF-Entwurf eingefügten Fußnote die Formulierung „soweit“ näher – nämlich dass das Wort im Sinne von Höhe gemeint ist und nicht im Sinne einer Bedingung: Der Arbeitgeber muss nur diejenige Sozialversicherungsersparnis weitergeben, die er auch tatsächlich erzielt.
Damit ist der Wille des Ministeriums auch für Grenzfälle endgültig klar: „Liegt das Jahreseinkommen eines Arbeitnehmers mit Entgeltumwandlung zwischen der Versicherungspflichtgrenze zur gesetzlichen Krankenversicherung und der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung, erzielt der Arbeitgeber keine Ersparnis der SV-Beiträge in voller Höhe. Er spart in diesem Fall lediglich im Bereich der Renten- und Arbeitslosenversicherung“, erklärt Michael Hoppstädter, Geschäftsführer des Pensionsberaters Longial.
BMAS beispielhaft
Auf der neulichen aba-Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen hatte Flecken als Referent einige Beispielrechnungen – bewusst ohne Berücksichtigung der Unfallversicherung – zu der Thematik vorgetragen, die hier dargelegt seien:
Voraussetzungen:
Arbeitgeberanteil am SV-Beitrag: RV 9,35%, KV 7,3%, PV 1,275% und AV 1,5%
Monatliche BBG 2017 in der RV und AV: 6.350 €
Monatliche BBG 2017 in der KV und PV: 4.350 €
Beispiel 1:
Monatliches Entgelt 4.700 € – Umwandlung 300 € monatlich in bAV
Keine Ersparnis beim KV- und PV-Beitrag
10,85% Ersparnis bei RV und AV-Beitrag
Arbeitgeberverpflichtung = 32,55 € (300 € x 10,85%) und nicht 45 € (300 € x 15%)
Beispiel 2
Monatliches Entgelt 4.600 € – Umwandlung 300 € monatlich in bAV
10,85% Ersparnis bei RV und AV-Beitrag 32,55 € (300 € x 10,85%)
Ersparnis beim KV- und PV-Beitrag = 4,29 € (50 € x 8,575%)
Arbeitgeberverpflichtung = 32,55 € + 4,29 € = 36,84 € und nicht 45 € (300 € x 15%)
Und wenn die Versicherung nicht will?
Übrigens enthält die BAMS-Fußnote auch den Satz:
„Denkbar ist aber auch z.B. eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wonach der an die Versorgungseinrichtung abzuführende Betrag gleich bleibt und künftig neben einem entsprechend verminderten umgewandelten Entgelt den Arbeitgeberzuschuss enthält.“
Damit will das BAMS offenbar Fälle abdecken, in denen eine Versicherung angesichts des Zinsniveaus die Aufstockung um 15 Prozent zum meist noch höheren Garantiezins (je nach Tarif) ablehnt respektive auch ein Neuvertrag schwierig ist (beispielsweise wegen der infolge Kosten und Niedrigzins nicht mehr gewährleisteten Mindestleistung bei rentennäheren Arbeitnehmern).
Das BMF gegen die „Katastrophe ante portas“
Neben Klarstellungen zu offenen Fragen in Bezug auf das BRSG enthält der Entwurf des BMF-Schreibens auch Antworten auf Fragen, die nicht mit dem BRSG in Verbindung stehen. So hat beispielsweise der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil vom 20. September 2016 (Az. X R 23/15) Zweifel an einer steuerermäßigten Behandlung einer Versorgungszusage gemäß § 3.63 EStG aufkommen lassen, wenn diese bei Eintritt des Versorgungsfalls die Möglichkeit einer einmaligen Kapitalleistung anstelle einer lebenslangen Rente beziehungsweise eines Auszahlplanes bietet – diese Auffassung wäre als höchstrichterliche Rechtsprechung nicht weniger als eine veritable Katastrophe für die bAV und ihre Verlässlichkeit.
Immerhin: Für diesen Fall sieht der Entwurf des BMF-Schreibens in Randziffer 312 vor, dass von einer steuerlich begünstigten bAV auszugehen ist. „Damit stellt sich das BMF ausdrücklich gegen die Sicht des BFH“, begrüßt Hoppstädter das Abrücken des Ministeriums von den Münchener Gedankenspielen.
Und die Unfallversicherung?
Konnte der Entwurf nun alle Fragen klären? Zumindest in Sachen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung sieht Hoppstädter noch Verbesserungsbedarf: „Es ist weiterhin nicht ganz eindeutig, wie hoch der Arbeitgeberzuschuss tatsächlich ausfällt. Außerdem regelt weder das BMF-Schreiben noch die Fußnote des BMAS, welche Sozialversicherungsträger bei der Ermittlung der Ersparnisse zu berücksichtigen sind.“ Ob auch die oben angesprochene gesetzliche Unfallversicherung einzubeziehen ist, bleibe nach wie vor ungeregelt. Der Longial-Geschäftsführer hält hier eine Klarstellung weiter für wünschenswert. Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer in Deutschland, äußerte sich gegenüber LEITERbAV ähnlich. Jedoch hat Flecken zwischenzeitlich gegenüber LbAV erklärt, dass eben diese Frage voraussichtlich (arbeits-)gerichtlich entschieden werden müsse. Es gebe zwar gute Argumente, die gegen einen Einbezug der Beiträge zur Unfallversicherung sprächen. Doch ob die Gerichte damit überzeugt werden können, bliebe jedoch abzuwarten, so Flecken weiter zu LbAV, denn „angesichts des klaren Gesetzeswortlauts, wonach die Unfallversicherung unter den Begriff der Sozialversicherung des Paragrafen 4 SGB I, § 4 SGB IV fällt, ist diese Auslegung nicht sicher“.
Zur Bedeutungslosigkeit verdammt?
Mercers Hagemann sieht die Vorgehensweise, Rechtsauffassungen des BMAS in BMF-Schreiben zu fixieren, kritisch. Zwar begrüße er die Klarstellung grundsätzlich, doch sei es etwas ungewöhnlich, wenn das BMAS eine Auffassung zu arbeitsrechtlichen Fragen innerhalb eines BMF-Schreibens äußert. „Ein BMF-Schreiben ist eine Verwaltungsanweisung, die die Finanzverwaltung und damit insbesondere die Betriebsprüfer bindet, darüber hinaus aber keine rechtliche Bedeutung hat. Finanzgerichte müssen sich dieser Auffassung nicht anschließen“, warnt der Aktuar. In der steuerrechtlichen Praxis sei ein BMF-Schreiben vorteilhaft, weil man als Steuerpflichtiger frühzeitig die Gefahr eines Rechtsstreits bewerten kann.“ Die hier vorliegende Frage betrifft aber das Arbeitsrecht. Heißt: Hier hat das betreffende Unternehmen im Zweifel keine Behörde auf der Gegenseite, sondern den Arbeitnehmer. Folge laut Hagemann: „Die Auslegung eines Gesetzes durch das BMAS – und dann noch in einem BMF-Schreiben – ist für den Arbeitnehmer wie für die Arbeitsgerichte bedeutungslos.
Eine Veröffentlichung des endgültigen BMF-Schreibens ist noch für dieses Jahr geplant. Der Entwurf des Schreibens findet sich auf den Seiten der Longial.
UPDATE 15. Dezember 2017: Zwischenzeitlich ist das BMF-Schreiben erschienen. Eine erste Auswertung findet sich hier.