Verbandsfunktionäre, Ministeriale, Gewerkschaftler und Industrievertreter – für diejenigen unter ihnen, die sich mit der bAV beschäftigen, gibt es in diesem Herbst nur ein Thema: ein Vorstoß der IG Metall zur Neuaufstellung tarifgebundener bAV.
Die bAV-Spatzen pfeifen es von den Berliner Dächern: Die Gewerkschaft ist mit einem Vorschlag an das BMAS herangetreten, um der mangelhaften Verbreitung der bAV mithilfe der Tarifverträge Abhilfe zu schaffen. Dieser soll beinhalten, dass die Tarifparteien eigene Pensionsfonds einrichten, die von ihnen selbst getragen werden – ein Modell also, das in den vielen Industriestaaten (namentlich den Niederlanden) Standard ist, in Deutschland aber in großer Dimension nur in Form der Soka-Bau PK existiert (MetallRente und Chemie erfüllen diese Kriterien nicht, da sie von Versicherern getragen werden, somit die Assets nicht unter Verwaltung der Tarifparteien sind und diese daher als politisches Kampfgewicht ausfallen).
Im Gegenzug für eine Kooperation der Arbeitgeber bietet die IG Metall offenbar an, dass diese Weiterentwicklung mit einer Enthaftung der Arbeitgeber einherginge, nämlich mit der Einführung der reinen Beitragszusage ohne Mindestleistung. Damit würde eine langjährige Kardinalforderung vieler Arbeitgeber erfüllt.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales scheint den Vorschlägen gegenüber nicht unaufgeschlossen zu sein. Am 18. September hat Hans Ludwig Flecken, Abteilungsleiter der Abteilung 4 Sozialversicherung und Alterssicherung im BMAS, im Rahmen seines Vortrags auf einer Tagung des Industrie-Pensions-Vereins in Berlin jedenfalls sichtlich Entgegenkommen signalisiert.
Damit liegt der Ball nun bei den Arbeitgebern, und hier scheint die Front nicht einheitlich. Grundsätzlicher Kooperationsbereitschaft steht offenbar scharfe Ablehnung gegenüber, die sich wohl aus der Sorge speist, in künftigen Tarifverhandlungen mit der bAV eine stetige weitere Baustelle zu haben, auf der um Belastungen der Arbeitgeber gefeilscht werden muss. Möglicherweise ist es gerade die Strategie der Gewerkschaft – wissend um die Uneinheitlichkeit der Gegenseite – die Arbeitgeber dazu zu zwingen, entweder Farbe zu bekennen oder die Rolle des Blockierers übernehmen zu müssen. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass sich die Arbeitgeber auf eine gemeinsame Position festlegen werden, bevor nicht zumindest die gesamten Rahmenbedingungen einer solchen Neuaufstellung der bAV fixiert sind. Andererseits können sich die Arbeitgeber auch nicht zurücklehnen und die anderen Akteure das Paket stricken lassen, um dann vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Am 23. Oktober tagt der bAV-Ausschuss der BDA. Anschließend sollte mit einer ersten Positionierung der Arbeitgeberseite gerechnet werden können.
Wie dem auch sei, das BMAS hat bereits mehrfach angekündigt, Anfang 2015 in den Gesetzgebungsprozess zur Änderung des Betriebsrentenrechts einsteigen zu wollen, und das in erster Linie, aber nicht nur zur Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie in nationales Recht. Das bAV-Parkett kann sich also auf ein ereignisreiche Monate einstellen.
Erstes Fazit: Jede echte Weiterentwicklung der bAV in Deutschland ist zu begrüßen, soll sie eines Tages zu einer echten tragenden Säule der Alterssicherung werden. Wünschenswert ist dabei, dass man bei den gegenwärtigen großen Gedankenspielen all die kleinen täglichen Baustellen, mit denen sich die Praktiker rumschlagen müssen, nicht vergessen möge: Future Service, Doppelverbeitragung, Escape-Klausel, Versorgungsausgleich et cetera…
Wie dem auch sei, die politische Großwetterlage ist derzeit günstig wie nie, um zu völlig neuen Strukturen und Horizonten zu kommen – etwas, das in Deutschland bekanntlich nicht alltäglich ist. Allen Befürwortern einer Weiterentwicklung, aber vor allem allen Skeptikern – aus welchen Lagern sie auch stammen mögen – sei (allegorisch passend zur Initiativgeberin IG Metall) zugerufen: Schmiedet das Eisen, solange es heiß ist.