Auch die Grünen sorgen sich um die Stabilität der bAV in Zeiten eines anhaltenden Niedrigzinsumfelds. Der Finanzexperte der Partei im Bundestag, Gerhard Schick hat deshalb Anfang Juli einen umfangreichen Fragenkatalog an die Bundesregierung gerichtet. Dieser ist interessant. Und teilweise fachlich etwas holperig.
Die Kleine Anfrage trägt den Titel „Herausforderungen des aktuellen Niedrigzinsumfelds für die betriebliche Altersversorgung und Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“. Studiert man den Katalog, wird schnell offenkundig, dass sich die Fragesteller vornehmlich für die Problematik der explodierenden Pensionslasten im Rahmen der Direktzusagen in der HGB-Bilanzen deutscher Unternehmen interessieren.
Dabei beginnt die Anfrage, die sich entsprechend zuvorderst mit dem Paragrafen 253 II Satz 1 HGB beschäftigt, direkt im ersten Satz der Einleitung ein wenig ungenau. Dort heißt es:
„Einrichtungen der bAV stehen ähnlich wie Lebensversicherungen vor besonderen Herausforderungen durch das Niedrigzinsumfeld.“
Das stimmt natürlich. Doch unter EbAV versteht man gemeinhin Pensionskassen und Pensionsfonds. Und diese bilanzieren genausowenig nach 253 HGB wie Lebensversicherer. Der nichtversicherungsförmige Pensionsfonds bilanziert seine Aktiva zu Marktwerten, auf der Passivseite soll ein Rechnungszins gelten, der sich am erwarteten Vermögensertrag orientiert. Bei der Pensionskasse wird auf beiden Seiten der Bilanz nicht nach Marktwerten bilanziert, sondern es stehen auf der Aktivseite Buchwerte nach Niederstwertprinzip, auf der Passivseite der geschäftsplanmäßige Rechnungszins.
Doch zurück zu der Kleinen Anfrage. Diese fährt nur folgerichtig fort:
„Für die Diskontierung von Pensionsverpflichtungen schreibt § 253 Absatz 2 Satz 1 HGB vor, den durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre zu Grunde zu legen. Trotz der durch diese Regelung nur verzögerten Aufwertung der Pensionsverpflichtungen stellt sich die Frage, welche Wirkung das andauernde Niedrigzinsumfeld auf die Stabilität der Einrichtungen der bAV haben wird. Grundsätzlich ist denkbar, dass die verzögerte Aufwertung der Rückstellungen zur Verschleierung problematischer Solvenzsituationen der Einrichtungen der bAV führen kann.“
Wie gesagt, gemeint sind offenbar nicht EbAV, sondern Unternehmen mit rückstellungsfinanzierten Direktzusagen. Daher wird im weiteren Verlauf der Anfrage auch der PSV angesprochen:
„Von Seiten der Wirtschaft wird eine existenzbedrohende Belastung der Betriebsrenten wegen der andauernden Niedrigzinsphase beklagt. Die Fraktionen der CDU, CSU und SPD diskutieren daher eine Anpassung des Bezugszeitraumes für den Diskontierungssatz. Bei der Absicherung der Ansprüche aus der bAV spielt der Pensionssicherungsverein eine bedeutende Rolle. Die Beiträge zum PSV sind derzeit lediglich nach den Durchführungswegen der bAV differenziert. Es erfolgt jedoch keine risikogerechte Kalkulation.“
Es folgen nach diesen einleitenden Worten die insgesamt 38 Fragen der Kleinen Anfrage. Die in der Einleitung entstandene leichte Konfusion findet sich dabei in der Fragen selbst teilweise wieder, so beispielsweise in der Nummer 16, deren Stringenz sich nicht ohne weiteres erschließt:
„Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus einer möglichen Aufwertung von Pensionsrückstellungen im Hinblick auf die Stabilität der Protektor Lebensversicherungs-AG?“
Gleichwohl treffen viele der Fragen grundsätzlich den Nerv der Zeit. Im weiteren Verlauf wollen die Grünen nicht nur die Höhe der Pensionsrückstellungen und der Planvermögen in Deutschland wissen und mit welcher Aufwertung von Rückstellungen in den kommenden sieben Jahren zu rechnen wäre, wenn die heutige Zinssituation am Markt gleich bliebe. Angesprochen werden auch die derzeit diskutierte Verlängerung des Durchschnitts von sieben auf zwölf Jahre (Frage 22) oder gar eine mögliche erneute Wende im Maßgeblichkeitsprinzip zwischen Steuer- und Handelsbilanz (Frage 23):
„Inwiefern hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch eine Anpassung des steuerlichen Abzinssatzes nach § 6 Absatz 1 Nummer 3a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geprüft, und zu welchem Ergebnis ist sie dabei gekommen?“
Zugleich wollen Schick und seine Fraktionskollegen erfahren, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus einer möglichen Aufwertung von Pensionsrückstellungen im Hinblick auf die Stabilität des PSV zu ziehen wären (Frage 15). Sie fragen also im Prinzip nach Unternehmenspleiten infolge von Pensionslasten. Auch fragen sie explizit nach einer Diskussion, die vor einigen Jahren auf dem bAV-Parkett intensiv geführt, schließlich erledigt worden ist und derzeit alles andere als auf irgendeiner Tagesordnung steht (Frage 6):
„Inwieweit unterstützt die Bundesregierung eine risikoorientierte Beitragserhebung des Pensionssicherungsvereins?“
Interessant schließlich noch die Frage 35:
„Ist der Finanzaufsicht die sich aus den Bilanzen von Versicherungsunternehmen ergebende Praxis bekannt, dass Konzernmütter an ihre Tochterunternehmen Nachrangdarlehen zur Stärkung der Eigenmittel vergeben und dass durch eine hohe vereinbarte Verzinsung bei gleichzeitig schwacher Ertragsstärke faktisch Geld aus dem Unternehmen gezogen wird?“
In dieser Sache liegen auch der LbAV-Redaktion andeutende Informationen vor. Die Formulierung der Frage klingt danach, als haben die Grünen hier einen Hinweis aus dem Markt erhalten.
Die Antworten des BMF oder des BMAS dürften in Kürze vorliegen, Leiter-bAV.de wird berichten.
Es ist übrigens der zweite Anfrage der Grünen zur bAV in relativ kurzer Zeit.