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Studie:

87 von 100 versus 35 die Hälfte

Angebote der Entgeltumwandlung gibt es in deutschen Unternehmen fast flächendeckend – doch nur ein offenbar überschaubarer Bruchteil der Belegschaft nutzt diese auch. Die Gründe sind vielfältig, und mit Blick auf Corona und das BRSG gibt es hier gutes und weniger erbauliches zu berichten.

 

Eine aktuelle Studie, für die Willis Towers Watson Anfang des Jahres rund 80 bAV- und Fachverantwortliche aus Unternehmen aller Größen und Branchen befragte, hat ergeben, dass vom Arbeitgeber eingerichtete Strukturen der Entgeltumwandlung nahezu marktweiter Standard sind. In 87 Prozent der Firmen sind entsprechende Regelungen etabliert, so die Umfrage.

 

Heinke Conrads, WTW.

Jedoch: In nur 35 Prozent der Unternehmen greift mehr als die Hälfte der Mitarbeiter zu. Dies liegt – so vermuten die Unternehmen laut Umfrage – daran, dass viele Mitarbeiter ihren Vorsorgebedarf nicht kennen oder den überwiegend versicherungsbasierten Vorsorgeangeboten skeptisch gegenüberstehen. Auch das BRSG bringt offenbar keinen zusätzlichen Schub.

 

Die Unternehmen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Alterssicherung und kommen den Wünschen der Arbeitnehmer nach einer sicheren und bedarfsgerechten bAV nach – das ist gut“, kommentiert Heinke Conrads, Leiterin Retirement Deutschland und Österreich bei WTW, „dennoch zeigt sich, dass Mitarbeiter vor allem aus Unwissen oder Scheu vor manchen neueren Versicherungsprodukten noch viel zu selten zugreifen. Hier besteht vor allem Kommunikationsbedarf.“ Unternehmen, Versicherungsvermittler und -anbieter seien gefragt, Mitarbeitern die Vorteile und die Bedeutung der bAV anschaulich nahe zu bringen, um die Wissenslücke zu überbrücken, so die Aktuarin weiter.

 

Niedrigzins und Neu machen komplex

 

Die Niedrigzinsphase wirkt auf vielen Ebenen, nicht nur Asset Management und Returns, sondern auch auf Produktzyklen: Die Anbieter führen in immer kürzeren Abständen Produktinnovationen ein, um trotz der Zinslage attraktive Vorsorgemöglichkeiten anbieten zu können, hat WTW beobachtet, und klassische Garantielösungen stehen kaum noch zur Verfügung.

 

Andererseits spielt für zwei Drittel der Mitarbeiter bei der Altersvorsorge die – landläufig mit Garantien assoziierte – Sicherheit eine wichtigere Rolle als die Renditechancen. Nun, nach gut zehn Jahren Geldmengenexplosion der Notenbanken scheinen deutsche Arbeitnehmer den Begriff „Sicherheit“ also noch immer wenig zeitgemäß zu interpretieren.

 

Auseinandersetzung unausweichlich

 

Heiko Gradehandt, Senior Director Retirement bei Willis Towers Watson, blickt voraus: „Das Niedrigzinsumfeld wird wohl noch einige Zeit bestehen bleiben. Die Anbieter werden deshalb am Trend zu kapitalmarktnäheren Lösungen festhalten, um Produkte attraktiv gestalten zu können. Unternehmen und Mitarbeiter kommen daher nicht umhin, sich mit diesen Produkten auseinanderzusetzen.“

 

Hier sieht Gradehandt in der Praxis noch Lücken: „Mitarbeiter werden Vorsorgeangebote nur annehmen, wenn sie sie verstehen. Viele Unternehmen, Versicherungsvermittler und Produktanbieter haben diesen Stolperstein zwar erkannt, aber nicht ausgeräumt.“ Schlüssige Kommunikationskonzepte würden noch zu selten umgesetzt.

 

Keine Beeinträchtigung durch Corona-Krise …

 

Gute Nachricht: Die zu Jahresbeginn durchgeführte Umfrage zeigt die bAV aus Sicht der Entgeltumwandlung von der Covid-Krise unbeeinträchtigt: Mehrheitlich sahen die Unternehmen im Jahr 2020 keine Auswirkungen der Pandemie auf die Entgeltumwandlung – und erwarten dies auch für 2021 nicht.

 

und kein Schub durch das BRSG

 

Weniger gute Nachricht: Das BRSG führt allerdings auch im Jahre 4 nach seinem Inkrafttreten noch nicht zu dem erwünschten Schub für die bAV. Drei Viertel (76 Prozent) der Unternehmen registrieren keine wesentliche Veränderung.

 

Abb.: BRSG bringt kaum Schub für bAV aus Mitarbeiterbeiträgen.

 

Quelle: WTW. Grafik zur Volldarstellung anklicken.

 

Gradehandt regt an: „Unternehmen sollten ihre bAV immer wieder aktiv kommunizieren. Auch komplexe Themen lassen sich frisch, verständlich und anschaulich erläutern. Sowohl im Mittelstand als auch in Großunternehmen gibt es hierfür zahlreiche gute, praxiserprobte Lösungen, wie der Deutsche bAV-Preis jedes Jahr eindrücklich zeigt. Dieses Engagement nutzt nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch den Unternehmen selbst für die Mitarbeitergewinnung und -bindung.“

 

Fazit von LEITERbAV

 

Angemerkt sei, dass die Skepsis der Arbeitnehmer gegenüber den überwiegend versicherungsbasierten Vorsorgeangeboten, von denen die Umfrage spricht, für LEITERbAV nachvollziehbar ist. Man bedenke nur, mit welcher Intensität derzeit unter Hardcore-Fachleuten aus Aktuariaten, Politik, Verbänden, Dienstleistern, Anbietern und Arbeitgebern auf unserem Parkett die Diskussion um Zusammenwirken und Widerstreiten der Problemkomplexe Geldpolitik, Nullzins, Höchstrechnungszins, Garantiefragen, BZML und BoLZ (die Liste ließe ich fortsetzen) geführt wird und welche Verunsicherung selbst hier diesbezüglich herrscht – so dass selbst Bilanzmaschinen wie die Allianz der bAV-üblichen Garantien überdrüssig werden.

 

Die WTW-Studie reiht sich jedenfalls ein in eine ganze Reihe diesbezüglicher Untersuchungen der letzen Jahre, die am Ende zu dem erwartbaren Gesamtbild der deutschen bAV führen, zumindest für LEITERbAV.

 

Der Studienreport „BRSG, Niedrigzins und Corona-Pandemie – Chancen und Herausforderungen für die Entgeltumwandlung“ kann bei Willis Towers Watson hier angefordert werden.

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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