Ein Consultant hat sich bei den Menschen umgehört – wann sie gerne in den Ruhestand gingen, was sie sich in der Vorsorge wünschen, welche Rolle diese im Vergleich zu anderen Benefits des Arbeitgebers spielt – und das Ganze nach Geschlecht, Branche und Einkommen aufgeschlüsselt. Ein Fazit: Die Freude am langen Arbeitsleben ist überschaubar. Hat das auch mit diesem Land zu tun?
Ginge es nach den Wünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland, würden offenbar die wenigsten von ihnen bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze oder länger arbeiten. Im Gegenteil: Die Mehrheit würde gerne so früh wie möglich in den Ruhestand gehen, am liebsten noch vor dem Alter 63. Das geht aus der aktuellen Aon-Studie „Längere Lebensarbeitszeit – nein danke. Betriebliche Altersversorgung – ja bitte.“ hervor.
Für die Rente ab 67 gibt es viele Gründe auf der Marko-Ebene, teils gute, teils weniger gute, als da wären politische und soziale, industrie- und standortpolitische, renten- und fiskalpolitische, verteilungspolitische und und und …
Allein: Die Menschen im Land wünschen sich etwas anderes. Wie Aon unter Bezug auf die genannte Studie berichtet, würde (vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmten) die große Mehrheit nicht erst mit 67 in Rente gehen, sondern vorzugsweise schon vor dem 63. Geburtstag. Lediglich 4% der Frauen und 6% der Männer würden bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze arbeiten, nur jeweils 3% darüber hinaus. Wenig überraschend spielt die Attraktivität der eigenen Vergütung eine Rolle: Erst ab einem monatlichen Brutto über 7.000 Euro wird der Wunsch größer, später als mit 67 in Rente zu gehen (12%). Für viel Geld arbeiten macht halt mehr Spaß als für wenig.
Länger geht (fast) gar nicht
Lediglich für ein Fünftel der Frauen und ein Drittel der Männer ist es denkbar, über das gesetzliche Rentenalter hinaus zu arbeiten. In mittelgroßen Unternehmen ist die Bereitschaft dazu am größten. Mit Blick auf die Branchen stehen die Chancen in der IT & Telekommunikation (45%), der Information & Kommunikation (32%) sowie im Baugewerbe (37%) am besten, die Leute über die Regelaltersgrenze hinaus an Bord zu halten.
Die bAV im Konzert der Leistungen
Und die bAV? Auch hier hält die Studie zahlreiche Erkenntnisse bereit: Wie üblich nimmt das Engagement in der bAV wie in der privaten Vorsorge mit steigendem Einkommen zu. Und bemerkenswerterweise wissen die Menschen offenbar mit Masse (d.h. hier rund die Hälfte) den Wert lebenslanger Rentenzahlungen zu schätzen und empfinden das nicht als Einschränkung – nur unter 20% wollen direkt bei Rentenbeginn vollen Cash sehen. Angesichts der Komplexität der Kapitalanlage und ihrer Kosten (besonders während einer Nullzinsphase) nachvollziehbar (man erinnere sich an die diesbezüglichen Verfahren, die deswegen bis nach Erfurt geführt wurden, weil beide Seiten nicht direkt das Geld wollten). Möglicherweise nicht so eindeutig nachvollziehbar: dass die Menschen auch in der Zusatzrente Garantien immer noch sehr wertschätzen:
Quelle: Aon. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Die folgende Grafik zeigt, welche die Rolle die bAV im Vergleich zu anderen Leistungen der Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Attraktivität spielt:
Quelle: Aon. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Dies ergänzt sich mit den Erkenntnissen anderer Akteure, s. hier und hier.
„Realität schlägt Wünsche“
Ingesamt sieht die deutsche Realität im frühen 21. Jahrhundert – zumindest mit Blick auf den Renteneintritt – bekanntlich anders aus, jedenfalls arbeiten die Menschen sichtlich länger, als sie wollen; und die rentenpolitische Diskussion geht eher Richtung Erhöhung des Renteneintrittsalters. Aon übertitelt das mit „Realität schlägt Wünsche.“
Gleichwohl: „Aus diesen Erkenntnissen können Unternehmen Schlüsse ziehen“, empfiehlt Angelika Brandl, Partner bei Aon. „Aus Sicht der Beschäftigten ist ein attraktiver Arbeitgeber derjenige, der die entsprechenden Rahmenbedingungen bietet, die einen früheren Renteneintritt ermöglichen. Auf der anderen Seite kann es aus Unternehmenssicht erforderlich sein, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie es gelingt, Beschäftigte, deren Expertise weiterhin dringend benötigt wird, auch im Alter im Unternehmen zu halten. Hierzu bedarf es attraktiver Modelle und intelligenter Lösungen zur Incentivierung der Älteren zum Verbleib im Unternehmen.“
Und die Lage im Land?
Wie dem auch sei, was die Studie nachvollziehbarer Weise nicht erfassen kann, ist, ob die „derzeit“ schlechte Stimmung im Land (fundiert gespeist von einer schlechten Fundamentallage und einer noch schlechteren Perspektive – sei es ökonomisch, industriepolitisch, fiskalisch, infrastrukturell, demographisch und und und …) einen Einfluss auf die Abneigung der Menschen hat, überlang im Arbeitsleben zu verharren. Naheliegend ist das jedenfalls. Wer bringt sich schon gern ein in eine Gesellschaft, in der praktisch alle relevanten Indikatoren streng und offenkundig nachhaltig nach Süden zeigen und die Stimmung dementsprechend ist? Dass die Rente mit 63 hervorragend angenommen wird, sollte jedenfalls niemanden verwundern.
Daten zur Studie
Die Ergebnisse beruhen auf einer repräsentativen Umfrage der YouGov Deutschland vom Juli 2023, die 1.050 Angestellte zwischen 18 und 55 Jahren nach ihren Wünschen befragt hat; im Auftrag von Aon quer durch alle Branchen (ohne ÖD und Gesundheitssektor).
Im Mittelpunkt der Befragung standen die Themen Rentenbeginn, flexibler Übergang, individuelle Vorsorge, Benefits und weitere. Hintergrund war die Überlegung, ob die von Unternehmen und Politik diskutierten Lösungsansätze mit Blick auf die Herausforderungen, wie Fachkräftemangel und steigende Lebenserwartung, auch zu den Bedürfnissen der Menschen passen.
Die Studie, in der in vielfältiger Art und Weise die Präferenzen der Menschen bzgl. des Eintritts in den Ruhestand abgefragt werden, kann hier auf den Seiten der Aon nach Dateneingabe kostenlos heruntergeladen werden.