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IVS und DAV zu Generationenkapital:

Von Hebeln und Hedgefonds

Die beiden Schwesterinstitute der deutschen Aktuare haben sich den Rentenpaket-Referentenentwurf von BMF und BMAS vorgenommen – und finden zur Bewertung nicht ein einziges gutes Wort. Im Gegenteil, die Mathematiker sehen Glaubensfragen, unrealistische Renditeanforderungen, intransparente Berechnungen und eine Diskreditierung der Kapitaldeckung.

Wie hier vermeldet, haben am 5. März 2024 haben BMAS undBMF den Referentenentwurf zum Generationenkapital vorgestellt. Die ersten Reaktionen der Stakeholder waren durchwachsen.

Nun sind auch Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) und IVS – Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. mit dem Konzept hart ins Gericht gegangen:

Soll das etwa Kapitaldeckung sein?

Maximilian Happacher, Ergo und DAV.

Eingangs widersprechen DAV und IVS vehement der Ansicht, bei dem Generationenkapital handele es sich um den Einstieg in eine Kapitaldeckung. Denn:

„Kapitaldeckung liegt vor, wenn aus unbelasteten Beiträgen ein Kapitalstock angespart wird, aus dem später die Leistungen gezahlt werden – so funktionieren bAV und private Rentenversicherung“, sagt DAV-CEO Maximilian Happacher (im Zivilleben Vorstand der Ergo Leben), „und das Generationenkapital bedient sich dagegen eher der Finanzierungsmethoden eines gehebelten Hedgefonds: Kredit aufnehmen, riskant investieren, die Kreditzinsen mit den Investmenterträgen bezahlen und den Gewinn einstreichen – das hat mit Kapitaldeckung nichts, aber rein gar nichts zu tun.“

DAV und IVS sehen dadurch sogar die etablierte Finanzierungsform der Kapitaldeckung vielmehr diskreditiert und fordern, dass entsprechende Einordnungen im Gesetzentwurf ersatzlos gestrichen werden.

Wo kommen die Zahlen her?

Hier hört die Kritik der Mathematiker noch nicht auf – sondern erfasst auch die zugrundeliegenden Annahmen des Generationenkapitals. Der Gesetzesentwurf sieht bekanntlich vor, dass bis 2035 durch schuldenfinanzierte Mittel, die am Kapitalmarkt ertragreich investiert werden sollen, ein Vermögen von 200 Mrd. Euro aufgebaut werde. Daraus sollen ab 2036 nach Abzug der Schuldzinsen jährlich 10 Mrd. Euro an die gRV ausgeschüttet werden, um die Beitragssätze zu stabilisieren.

„Die zugrunde liegenden Berechnungen, insb. die Annahmen zu den erwarteten Renditen und Darlehenszinsen, sind intransparent und lassen sich nicht nachvollziehen. Wir gehen auf Basis unserer eigenen Einschätzungen davon aus, dass die realistisch erzielbaren Renditen dauerhaft nicht ausreichen, die geplanten Ausschüttungen und die Zinskosten zu finanzieren“, führt Happacher aus. Die Aktuare sehen Unplausibilitäten in der Planungsrechnung, die unbedingt aufgelöst werden müssen, um Vertrauen in die Berechnungen entwickeln und deren Seriosität bestätigen zu können.

Wer trägt das Risiko?

Blieben die erwarteten hohen Renditen jedoch aus, fehlten in der gRV die eingeplanten Mittel zur Stabilisierung des Beitragssatzes. Zum Ausgleich müssten die Beiträge entsprechend angehoben werden, so dass am Ende allein die Beitragszahlenden das Kapitalanlagerisiko aus dem Generationenkapital tragen, mahnen die beiden Verbände.

Der Beitrags- oder der Steuerzahler?

Friedemann Lucius, Heubeck AG und DAV.

IVS und DAV plädieren daher dafür, dass der Bund das Risiko übernimmt und gegebenenfalls fehlende Mittel zur Stabilisierung des Beitragssatzes aus Bundesmitteln bereitstellt. „Wenn der Gesetzgeber von der Leistungsfähigkeit und Verlässlichkeit des Generationenkapitals überzeugt ist, sollte die Übernahme dieses Risikos durch den Bund unkritisch sein“, stellt Friedemann Lucius, CEO des IVS (und im Zivilleben Chefaktuar der Heubeck AG), fest.

„Sollte es bei der jetzigen Konstruktion bleiben, stellt sich dagegen die Frage, ob der Gesetzgeber selbst an die Leistungsfähigkeit und Verlässlichkeit des Generationenkapitals glaubt.“

Neu bitte – und nachhaltige Reformen bitte

Das gemeinsame Fazit von IVS und DAV ist quasi vernichtend, sie schreiben:

Das Generationenkapital ist nicht geeignet, die Finanzierungprobleme der gRV zu lösen. Die Finanzierungslasten der Haltelinie von 48% für das Rentenniveau eines Eckrentners werden weitgehend den jungen Generationen aufgebürdet. Soziale Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sieht anders aus.“

DAV und IVS sehen daher die dringende Notwendigkeit, die Finanzierung der gesetzlichen Rente an den demografischen Tatsachen auszurichten: Dazu gehöre, dass dem Nachhaltigkeitsfaktor wieder volle Geltung verschafft und damit der Verschiebung des Verhältnisses zwischen Anwärtern und Rentnern in der Finanzierung Rechnung getragen werde. Außerdem sprechen sich die Aktuare weiter dafür aus, das Renteneintrittsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung zu koppeln.

Was jetzt konkret tun also? Die Schwesterinstitute haben einen Vorschlag:

DAV und IVS fordern eine grundlegende Neuausrichtung des Gesetzesentwurfs und stehen bereit, weitere Analysen und Expertise beizusteuern.“

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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