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Vergangenen Frühling in Erfurt:

Regelmäßig dynamisch

Im Bereich der evangelischen Kirche verlangte eine Betriebsrentnerin ein zusätzliches Treugeld. Strittig war, wie mehrfache Änderungen der Versorgungsordnung auszulegen sind. Die Klägerin, die in beiden Vorinstanzen unterlegen war, blitzte auch vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht ab. Für Arbeitgeber ergeben sich aus dem Urteil gleichwohl Erkenntnisse.

Verweist ein Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag auf die für die bAV geltenden Bestimmungen ist, so dies regelmäßig als dynamische Verweisung zu werten. Das ist der Tenor des BAG-Urteils 3 AZR 226/22 vom 9. Mai.

Aber: Wie Claudia Heffler, Assessorin der IPM GmbH, jüngst in einem Beitrag zusammenfasst, ist ein solcher Verweis ist für die Arbeitnehmer nur dann zumutbar im Sinne des AGB-Rechts (§§ 307 ff. BGB), wenn die ablösende Neuregelung dem vom BAG entwickelten dreistufigen Prüfungsschema zur Wahrung von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit entspricht. Für kirchliche Arbeitgeber gilt insoweit keine Ausnahme.

Mehrfach angepasste …

Der Fall, der jüngst schon kurz Gegenstand der Berichterstattung auf LEITERbAV war, wie die IPM ihn schildert:

Die 1955 geborene Klägerin war seit 1986 bei der beklagten ev. Kirche in Sachsen als Sachbearbeiterin in der Kirchenamtsstelle, ab 2008 im Grundstücksamt beschäftigt. Mitte 1992 trat bei der Beklagten eine Verordnung über die Gewährung eines Treuegeldes in Abhängigkeit von der Dienstzeit in Kraft.

Im Januar 1993 vereinbarten die Parteien einen neuen „Dienstvertrag“ im Sinne eines Nachtrages zum bisherigen Arbeitsvertrag. Der „neue“ Vertrag regelte in § 5: „Die zusätzliche Altersversorgung wird nach dem in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens geltenden Recht gewährt“.

Mitte 1994 trat eine neue Verordnung zur Regelung des Treugeldes in Kraft (VKAV 94) und ersetzte die vorherige Verordnung. Mitte Juli 1997 folgte schon wieder eine neue Ordnung (KAV 97). Diese sah eine Gesamtversorgung vor. Zum Anwendungsbereich dieser Zusage gehörte die Klägerin nicht. Gleichzeitig trat ein kirchliches Zusatzversorgungsgesetz (ZVG) in Kraft. Diese regelte für die weiteren Arbeitnehmer – wie auch die Klägerin – eine Aufnahme in eine kirchliche ZVK.

Regelungen

Aufgrund eines BAG-Urteils wurde die KAV 97 dann 2016 von der Beklagten nochmals geändert: Arbeitnehmer der ZVK, deren Leistungen hinter denen der VKAV 94 zurückblieben, erhielten dadurch einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen in entsprechender Höhe.

Seit Mitte 2019 bezieht die Klägerin gesetzliche Altersrente sowie eine Leistung aus der ZVK von 242 Euro brutto. Ihr Antrag auf Ergänzungsleistung wurde von der Beklagten abgelehnt, da der Klägerin nach der VKAV 94 lediglich 169 Euro Treuegeld monatlich zugestanden hätten.

Die Klägerin war der Ansicht, dass durch das ZVG nicht wirksam in ihren Anspruch aus der KAV 94 eingegriffen werden konnte, weil ihr in der durch diese 1997 eingeführte Versorgung keine Startgutschrift erteilt worden sei. Sie klagte daher zusätzlich auf ein monatliches Treuegeld von 95 Euro Euro sowie die jährliche Dynamisierung dieses Treuegeldes um 1%.

Durch die Instanzen ohne Erfolg

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Nach Ansicht des BAG wurde die VKAV 1994 durch die KAV 1997 und das ZVG wirksam abgelöst. § 5 des Dienstvertrags der Klägerin erfasst diese Änderungen als dynamische Verweisung.

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Foto: BAG.

Die IPM fasst die Entscheidung des BAG zusammen: Das BAG geht davon aus, dass ein Arbeitgeber bei einem Verweis nur eine rechtlich zulässige Regelung vereinbaren will. Es sollen daher von diesem nur Regelungen erfasst sein, die den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (Drei-Stufen-Theorie) entsprechen. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, um so gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung; vgl. BAG 18. September 2012 – 3 AZR 415/10).

Der im Vertrauen auf den Inhalt der Versorgungsordnung bereits erdiente Teilbetrag kann nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Zuwächse, die sich dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe.

Durch die Ablösung der Versorgungszusage wurde in diesem Fall jedoch weder in den erdienten Teilbetrag noch in die erdiente Dynamik oder künftige Zuwächse eingegriffen. Vielmehr erhält die Klägerin nach der KAV 97 in Verbindung mit dem ZVG eine höhere bAV-Leistung, als sie sie nach der KAV 94 erhielte. Damit sieht das BAG die durch das dreistufige Prüfungsschema bestimmten Grenzen eingehalten – und die Ablösung der Versorgungsregelungen wirksam erfolgt.

Bewertung: besser dynamisch verweisen

Heffler ordnet die Entscheidung ein: Mit der Entscheidung festigt das BAG seine Rechtsansicht, dass ein Verweis auf Versorgungsregelungen in der Regel als dynamisch zu bewerten ist. Es stellt klar, dass auch für kirchliche Arbeitgeber ein solcher ausdrücklicher Verweis erforderlich ist, weil ein kirchenrechtlicher Rechtssetzungsakt („Gesetz“) allein nicht ausreicht, um unmittelbar Rechtswirkung zu entfalten.

Claudia Heffler, IPM.

Im Weiteren bestätigt das Gericht die Allgemeingültigkeit seiner Drei-Stufen-Theorie zur Ablösung bzw. Änderung von Versorgungszusagen. Ein Arbeitgeber benötigt insofern unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe je nach Besitzstand der Arbeitnehmer. Arbeitgeber sollten in Arbeitsverträgen auf einen dynamischen Verweis auf die jeweiligen Versorgungsregelungen achten, um Problemen bei Änderungen vorzubeugen.

Zudem sollten sie bei Anpassungen einer Versorgungsordnung stets die strengen Voraussetzungen der Drei-Stufen-Theorie des BAG im Blick haben. Ansonsten besteht das Risiko erheblicher Nachforderungen von Versorgungsberechtigten als auch ggf. der Hinterbliebenen, so die IPM abschießend.

Das Urteil des BAG ist in dem eingangs erwähnten LEITERbAV-Artikel verlinkt.

 

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