Mit der PEPP-Initiative droht ein neues europäisches Regulierungsvorhaben, das auch die Sphäre der bAV betreffen könnte. Der Prozess ist im Fluss, und die Widersprüche sind ebenso zahlreich wie die offenen Fragen. Christian Röhle erläutert.
I. Einleitung
Die künftige Ausgestaltung der Systeme ergänzender Altersversorgung in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird auf europäischer Ebene weiter umfassend diskutiert. So hat die Europäische Aufsichtsbehörde EIOPA, im Juli 2015 die Öffentlichkeit erneut zur Teilnahme an einer öffentlichen Diskussion in Bezug auf „die Schaffung eines standardisierten paneuropäischen Personal Pension Produktes“ (PEPP) aufgefordert und in diesem Kontext um die Beantwortung diverser Fragestellungen gebeten.
II. Hintergrund
Die Überlegungen zur Einführung eines PEPP sind der Regulierung sogenannter Personal Pension Products (PPP) zuzuordnen und sollen im Falle der Einführung letztlich dem Ziel der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für diese Produkte dienen. Ausgehend von einer dreigliedrigen Säulenqualifizierung im Bereich der Altersversorgung, in der die erste Säule die Elemente der staatlichen Rentensysteme repräsentiert und die bAV mit der Einbindung der Sozialpartner und insbesondere der Arbeitgeber der zweiten Säule zugeordnet wird, ist der Bereich der PPP und damit auch ein zukünftiges PEPP als (separater) Teil der dritten Säule anzusehen und damit der privaten (zusätzlichen) Altersversorgung zuzuordnen.
Eingeleitet worden ist die Diskussion bezüglich der Schaffung eines entsprechenden Binnenmarktes auf diesem Gebiet durch die Regulierung beziehungsweise Zertifizierung entsprechender PPP bereits 2012 seitens der Europäischen Kommission. Diese hat zunächst im „Weißbuch Renten“ entsprechende Schritte angekündigt und dann durch einen Call for Advice an die EIOPA die aktive Debatte eröffnet.
Nach der Veröffentlichung mehrerer Dokumente seitens der EIOPA sowie eines weiteren vertiefenden Beratungsersuchens durch die Kommission steht daher aktuell insbesondere die grundsätzliche Frage im Fokus, welcher Regulierungsart sich die EU-Kommission bedienen soll, um auf europäischer Ebene auf sinnvollstem Wege die Schaffung des angestrebten Binnenmarktes zu erreichen. Extrempositionen stellen dabei eine Vollharmonisierung aller als PPP qualifizierter Produkte auf europäischer Ebene auf der einen Seite oder aber andererseits die Schaffung des PEPP als neuem separaten paneuropäischen PPP dar, welches im Ergebnis unabhängig als eigene Produktklasse neben den nationalen Produkten des Bereiches der Personal Pensions geregelt würde und grenzüberschreitend angeboten werden soll (29. Regime) – Abstufungen und Mischformen denkbar.
In der aktuell eingeleiteten Konsultation hat sich EIOPA in Abstimmung mit der Kommission zunächst allerdings ausschließlich mit der Schaffung eines PEPP beschäftigt. Dies resultiert im Wesentlichen aus der, infolge der Neubesetzung der EU-Kommission 2014, veränderten Prioritätssetzung, welche sich aktuell insbesondere auf die Schaffung einer europaweiten Kapitalmarktunion fokussiert und in diesem Kontext derzeit die Schaffung eines 29. Regimes zu favorisieren scheint. Zu den weiteren Regulierungsalternativen sowie den ansonsten noch offenen Fragestellungen soll EIOPA lediglich im Rahmen des finalen Antwortdokuments an die Kommission Stellung nehmen, das für Anfang des Jahres 2016 erwartet wird.
Unbeantwortet ist beispielsweise immer noch die Frage nach einer einheitlichen europäischen Definition für PPP und damit nach dem endgültigen Anwendungsbereich der eingeleiteten Regulierungsbestrebungen auf diesem Themengebiet. Bisher hat die EIOPA in Abstimmung mit der Kommission lediglich diverse Charakteristika identifiziert, die ein PPP erfüllen soll, insbesondere die individuelle Teilnahme verbunden mit der Zuordnung eingezahlter Beiträge zu individuellen Konten sowie der maßgeblichen Vertragsbeziehung im Verhältnis zwischen dem jeweiligen Anbieter und der betroffenen Einzelperson. Des Weiteren ist eine klare Abgrenzung zu staatlichen Rentensystemen und der bAV angedacht, ohne dass konkrete Abgrenzungskriterien dargestellt werden. Weiteres Produktmerkmal soll außerdem das Ansparen von Kapital im Wege der Kapitaldeckung sein, wobei Wege zur vorzeitigen Kapitalentnahme überhaupt nicht oder zumindest nur in limitierter Form möglich sein sollen.
Fraglich ist außerdem der Einbezug spezieller Produktklassen, die als Grenzfälle in Bezug auf die Zuordnung zu Personal Pension Plans anzusehen sind. Exemplarisch seien hier nur die insbesondere in Großbritannien verbreiteten Gruppenversicherungsverträge sowie die in den östlichen Ländern der EU verbreiteten kapitalgedeckten Pillar 1bis-Pläne genannt, welche dort ergänzend den staatlichen Rentensystemen zugeordnet werden, für die eine definitive Aussage bezüglich des Einbezuges in den Anwendungsbereich weiter aussteht. Im Rahmen der aktuellen Konsultation geht die EIOPA mangels genauer Definition davon aus, dass PEPP-Produkte einem individuellen Personenkreis auf Einzelbasis angeboten werden sollen. Um sich jedoch einen genaueren Überblick zu verschaffen, hat die EIOPA aufgrund der genannten Kriterien europaweit Anbieter identifiziert, die bereits heute reguläre PPP anbieten und diese sodann anhand der derzeit für diese Einrichtungen geltenden europäischen Regelungsrahmens klassifiziert.
Danach gelten für solche PPP-Anbieter auf europäischer Ebene (derzeit) zum überwiegenden Teil die Regelungen für originäre Lebensversicherungsunternehmen in Form der Solvency-II-Regulierung gemäß Richtlinie 2009/138/EG „betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit“. Wenige Anbieter sind dem Bereich der Regulierung von EbAV zuzuordnen beziehungsweise gelten als Kreditinstitute.
Für rund zehn Prozent der betroffen Einrichtungen besteht bisher noch kein europäischer Rechtsrahmen. In Deutschland werden nach dem derzeitigen Stand Lebensversicherungsunternehmen, aber auch Kreditinstitute, KVG sowie Genossenschaften und Bausparkassen von der EIOPA als Anbieter von PPP eingeordnet.
Durch die Einführung einer europäischen Regulierung für PPP im Rahmen einer Vollharmonisierung oder mittels der Einführung von Regelungen für ein PEPP erhofft sich die Kommission in erster Linie einen Schub dahingehend, EU-Bürger zu ermutigen, im Rahmen der individuellen ergänzenden Altersversorgung mehr vorzusorgen, um damit der Gefahr einer Altersarmut wirksam vorzubeugen zu können. Daneben soll durch die Schaffung eines Binnenmarktes auf diesem Gebiet eine verstärkte Diversifizierung der Altersversorgung erreicht werden, wobei hier insbesondere EU-Mitgliedstaaten im Fokus stehen sollen, welche bisher für die Altersversorgung nahezu alleine auf die erste Säule setzen. Im Ergebnis möchte man sowohl einen verbesserten Verbraucherschutz als auch eine Verstärkung des grenzüberschreitenden Angebotes und damit letztlich ein weiteres Zusammenwachsen der einzelnen Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene erreichen.
III. PEPP-Design
Die Einführung des grenzüberschreitend anbietbaren PEPP soll nach den Vorstellungen der EIOPA bereits bestehende individuelle Altersversorgungsprodukte, die dem Bereich von PPP zuzuordnen sind, weder ersetzen noch unter einer einheitlichen europäischen Regulierung zusammenführen. Vielmehr sollen PEPP im Falle der Implementierung selbstständig als weitere Produktklasse neben den (nationalen) PPP stehen und damit die Rolle des erwähnten grenzüberschreitenden europaweiten 29. Regimes neben den unabhängigen nationalen Rechtsrahmen der 28 Mitgliedstaaten einnehmen. Die Möglichkeit zum vereinfachten grenzüberschreitenden Angebot soll dabei mittels einer entsprechenden „Passport“-Regelung erreicht werden, die von der Funktionsweise her einem zu schaffenden, europaweit einheitlichen Zertifizierungsmodell entsprechen dürfte.
Das PEPP-Design selbst soll nach den bisherigen Vorstellungen im wahrsten Sinne des Wortes einer „Quadratur des Kreises“ gleichen. In dem maßgeblichen Konsultationspapier beschreibt die EIOPA das PEPP mit den abstrakten Schlüsselcharakteristika „simpel, transparent und kosteneffizient sowie vertrauenswürdig und gut geführt“.
Jegliche Überlegungen zu europäischen Harmonisierungsbemühungen sind aber stets auch vor dem Hintergrund und unter Einbezug der bestehenden nationalen Regelungen zu beleuchten und zu bewerten. Obwohl ein potentieller zukünftiger PEPP-Rechtsrahmen neben den bestehenden nationalen Regelungen für Personal Pension Products eingeführt werden soll und somit unmittelbar grundsätzlich keine direkten Kollisionspunkte mit nationalen Regelungen aufweisen würde, kann und soll es nach den Darstellungen der EIOPA aus Verbraucherschutz- und Transparenzgesichtspunkten aber trotzdem geboten sein, auch für einige bestehende nationale Regelungen in Bezug auf PEPP eine Harmonisierung auf europäischer Ebene anzustreben. Zu diesem Zweck enthält das Konsultationspapier eine erste Klassifizierung bestehender nationaler Regelungen auf diesem Gebiet nebst einer Einschätzung dahingehend, ob eine Harmonisierung auf europäischer Ebene für PEPP angemessen sein könnte oder aber derzeit als nicht empfehlenswert erscheint beziehungsweise noch weiter zu diskutieren ist. Beispielhaft sei hier nur der Bereich der Investmentregeln und entsprechender Investmentbeschränkungen genannt, für den eine europäische Vereinheitlichung als zwingend notwendig erachtet wird, während diese in Bezug auf die Festlegung eines einheitlichen europäischen Renteneintrittsalters für PEPP unter Verweis auf die genau austarierten und jeweils divergierenden nationalen Altersversorgungssysteme nicht vorgesehen ist.
Bestehende nationale Steuervergünstigungen für private Altersvorsorgeprodukte sollen nach Möglichkeit auch für PEPP in Anspruch genommen werden können, da gerade solche Förderungen oftmals zusätzlich die Attraktivität einer ergänzenden Altersversorgung erhöhen. Wie solche Steuervergünstigungen allerdings den PEPP zugänglich gemacht werden sollen, bleibt dagegen offen und benötigt im Falle der Weiterverfolgung des PEPP-Vorschlages noch der erläuternden Ausgestaltung. Dabei wird insbesondere nicht deutlich, wie die nationalen Gesetzgeber, denen weiterhin die Hoheit in Bezug auf die steuerrechtlichen Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten obliegt, von einer solchen Übertragung von Regelungen zur steuerlichen Förderung auch auf grenzüberschreitend angebotene PEPP überzeugt werden sollen.
Neben solchen Unklarheiten enthält das Konsultationsdokument der EIOPA außerdem eindeutige Widersprüche, die es im weiteren Verlauf der Konsultation unbedingt aufzulösen gilt. Exemplarisch sei hier nur der Gegensatz zwischen der vorgesehenen grundsätzlichen Möglichkeit zum jederzeitigen PEPP-Anbieterwechsel unter Transfer des angesammelten Kapitals sowie die gleichzeitig angestrebte Optimierung des Renditepotentials durch eine Kapitalanlage mit langfristigem Anlagehorizont genannt. Dazu lässt sich ausführen, dass im Rahmen ergänzender Altersvorsorge aufgrund der langfristigen Laufzeit entsprechender Verträge grundsätzlich natürlich die Möglichkeit für einen langfristigen Anlagehorizont besteht. Eine wirksame Umsetzung im Rahmen der Kapitalanlage erfordert jedoch neben einer langen Laufzeit bestehender Verträge zusätzlich, ebenso wie beispielsweise im Rahmen einer bAV gesetzlich vorgesehen, den Ausschluss vorzeitiger und kurzfristiger Möglichkeiten zur Entnahme des eingebrachten Kapitals und kann damit in Bezug auf die PEPP-Regelungen solange nicht funktionieren, wie entsprechende (weitgehende) Transfermöglichkeiten aus Transparenzgründen vorgesehen sind. Diesbezüglich müssen folglich entweder Abstriche bei den Transfermöglichkeiten oder im Rahmen der Renditemöglichkeiten bei der Kapitalanlage hingenommen werden.
IV. Fazit
Im Rahmen der PEPP-Initiative sind derzeit noch viele Fragestellungen offen und bedürfen klärender Ausgestaltung. Aus diesem Grund hat die EIOPA im Rahmen der Konsultation mehr als 20 Fragen aufgeworfen und die jeweiligen Interessenvertreter um entsprechende Antworten gebeten. Entscheidend ist im Hinblick auf die generelle Weiterentwicklung ergänzender Altersvorsorge letztlich jedoch nur die Beantwortung der Frage, ob die Einführung eines solchen PEPP beziehungsweise 29. Regimes EU-Bürger wirklich ermuntern wird, mehr als bisher ergänzend vorzusorgen. Nach den bisherigen Darstellungen erscheint dies zweifelhaft, da ein tatsächlicher Mehrwert im Vergleich zu den bisher bestehenden Systemen ergänzender Altersversorgung (noch) nicht zu erkennen ist. So mag das PEPP eine Möglichkeit darstellen, in Mitgliedstaaten mit lediglich einer ausgebildeten Altersversorgungssäule auf nationaler Ebene gegebenenfalls eine zusätzliche Möglichkeit zu eröffnen. Gleichzeitig besteht in Ländern mit einem bereits ausgeprägten und funktionierenden Drei-Säulen-System die Gefahr einer (weiteren) Fragmentierung einhergehend mit einer Schwächung der maßgeblichen bestehenden Altersversorgungssysteme. Weitere Untersuchungen sollten deshalb darlegen, warum überhaupt Bedarf für eine (weitere) europäische Regulierung von PPP gegeben sein soll, wenn doch bereits mehr als 90 Prozent der Anbieter schon heute von europäischer Regulierung umfasst sind. Insbesondere auch aus von den Regulierungsbehörden selbst geforderten Effizienzgesichtspunkten kann diesbezüglich keine Doppelregulierung gewollt sein.
Der Autor ist Jurist bei der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gruppe VVaG. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit gehört unter anderem die Begleitung europäischer Gesetzgebungsvorhaben.
Der Beitrag ist die Zusammenfassung eines Vortrages, gehalten im Rahmen der aba-Tagung der Fachvereinigung Pensionskassen am 9. September in Mannheim. Die vollständige Version dieses Beitrags ist soeben erschienen in der aktuellen Ausgabe der aba-Zeitschrift BetrAV.