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Zum Sommeranfang Großkampftag in Erfurt (I):

Mikro-konkret gegen makro-allgemein

Am heutigen 20. Juni wird der Dritte Senat des höchsten deutschen Arbeitsgerichts mal wieder einen vollgepackten Arbeitstag haben. Insgesamt drei Verhandlungen stehen auf der Tagesordnung. Ein altes Streitthema ist auch dabei: Teilzeit und die Folgen für die bAV.

In einem der Fälle – 3 AZR 221/22 – streiten die Parteien über die Höhe der Betriebsrente der Klägerin im Falle einer langjährigen Teilzeittätigkeit. Hierzu im Folgenden mehr Informationen.

Die letzten 15 Jahre in Teilzeit gearbeitet …

Zu dem Fall, wie der Dritte Senat ihn schildert (gerafft):

Die 1964 geborene Klägerin war seit 1984 bei der Beklagten zunächst in Vollzeit beschäftigt. Ab April 2005 reduzierte sie ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 17,5 Stunden. Mit dem 30. September 2020 endete das Arbeitsverhältnis.

Die Beklagte gewährt ihren Arbeitnehmern Versorgungsleistungen. Die dafür maßgebliche Richtlinie sieht eine Berechnung der monatlichen Betriebsrente gem. „Festrentenbetrag x Dienstjahre“ vor. Für die Berechnung des Festrentenbetrags ist der maßgebliche Faktor das in den letzten zwölf Monaten der Beschäftigung durchschnittlich erzielte Einkommen.

doch maßgeblich sind die letzten zehn …

Für Mitarbeiter, die innerhalb der letzten zehn anrechnungsfähigen Dienstjahre vor Versorgungsfall bzw. vorzeitigem Ausscheiden ganz oder teils teilzeitbeschäftigt waren, verändert sich der Festrentenbetrag in dem Verhältnis, in dem die durchschnittliche Arbeitszeit des Mitarbeiters während der letzten zehn Dienstjahre zu seiner Arbeitszeit innerhalb des Kalenderjahres vor dem Versorgungsfalle bzw. vorzeitigen Ausscheiden gestanden hat.

Das BAG auf der Erfurter Zitadelle. Foto: Bazzazi.

Die Beklagte tat der Klägerin zur Berechnung ihrer voraussichtlichen Altersversorgungsleistungen kund, dass entsprechend der Richtlinie nur ihr Beschäftigungsgrad der letzten zehn anrechnungsfähigen Dienstjahre berücksichtigt werde.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung den Festrentenbetrag nach dem Verhältnis der durchschnittlichen Arbeitszeit während der gesamten zugrunde gelegten Dienstzeit zu ihrer Arbeitszeit im letzten Kalenderjahr vor ihrem vorzeitigen Ausscheiden zu ermitteln. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin eine Anwartschaft iHv. 155,19 Euro monatlich errechnet.

doch das soll eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sein

Die Argumentation der Klägerin: Die Berücksichtigung des Beschäftigungsgrades allein der letzten zehn Jahre bei der Berechnung des Festrentenbetrags hieße eine überproportionale Leistungskürzung für Teilzeitbeschäftigte. So ergebe sich nur eine Anwartschaft auf eine monatliche Betriebsrente von 99,77 Euro. Sie werde durch die Anwendung der Zehn-Jahres-Regel so gestellt, als habe sie durchgehend in Teilzeit gearbeitet. Dies sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Vollzeitbeschäftigten.

Weil nach wie vor überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftigt seien, liege auch eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts vor.

Die Beklagte sieht hingegen keine Diskriminierung, weil die bAV nur im Verhältnis der anteiligen Arbeitszeit gekürzt werde. Dabei sei es zulässig, hinsichtlich des Beschäftigungsgrades auf die letzten zehn Jahre abzustellen.

was bisher aber nicht zog

Man kann als außenstehender Beobachter bei aller Kürze der verfügbaren Informationen den Eindruck gewinnen, als treffen hier konkrete und glasklare Betriebsvereinbarungen auf übergeordnete, aber umso allgemeiner gehaltene und teils nur übertragend anwendbare Rechtsgrundsätze.

Vor gut einem Jahrzehnt sowie vor drei und vor gut zwei Jahren, und auch in Zusammenhang mit Überstunden, also noch unter dem Vorsitz von Gerhard Reinecke bzw. Bertram Zwanziger, hatte sich der Senat in der Frage einer Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten teil konziliant, teils hartleibig gezeigt (wobei die Fälle aber anders gelagert waren).

Erfurter Geschäftssinn; kein Fall für das BAG. Foto: Bazzazi.

Wie dem auch sei, in beiden Vorinstanzen des vorliegende Falles, zuletzt das LAG München mit Urteil vom 17. März 2022 – 7 Sa 588/21 – hatte die Klage jedenfalls keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

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