Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Cum-ex, Klimawandel als QE-Ausrede, Türkei – Kassandra blickt auf sich zurück…
private banking magazin (16. Januar): „Mehrfache Erstattung ‚logisch unmöglich‘ – Finanzgericht Köln veröffentlicht wegweisendes Cum-Ex-Urteil“.
Wie das Magazin berichtet, hat das FG Köln die schriftliche Begründung für sein Cum-Ex-Urteil vom Sommer 2019 vorgelegt, mit dem es die Klage eines US-Pensionsfonds abgewiesen hatte, der vom deutschen Fiskus ca. 27 Millionen Euro Kapitalertragssteuer erstattet sehen wollte (übrigens hatte Kassandra bereits im Vorfeld des Verfahrens gedankenexperimentiert, was wohl geschähe, würde ein deutscher Fonds Analoges in den USA wagen. Antwort: internationaler Haftbefehl für den Fondsvorstand).
Fazit des FG Köln nun laut private banking magazin: Zwei wirtschaftliche Eigentümer einer einzelnen Aktie zum gleichen Zeitpunkt sind logisch unmöglich. Das ist zudem ein Widerspruch sowohl zu dem System des Zivilrechts als auch zu dem des Steuerrechts.
Die Begründung der Kölner Richter klingt klug, und sie ist es auch – und sie unterstreicht einen an sich offenkundigen Aspekt, der in der öffentlichen Diskussion aber stets zu kurz kommt: den der Ratio Legis. Schon vor gut zwei Jahren hatte Kassandra angesichts eines richtigen, aber erfolglosen parlamentarischen Vorstoßes der Grünen im Bundestag an zuständige Richter appelliert, „nicht auf die zuweilen schon kampagnenartig vorgetragene Gebetsmühle manch interessierter Kreise reinzufallen, die anscheinend eine Art herrschende Meinung etablieren wollen, wonach es sich bei Cum/Ex und Cum/Cum um eine Art ‚rechtliche Grauzone‘ gehandelt habe.“
Denn: „Sich eine einmal gezahlte Steuer mehrfach erstatten zu lassen, ist schon allein infolge einer jeden Ratio Legis offenkundig nichts weniger als eine klare Straftat, und zwar vorgetragen mit erheblicher krimineller, bandenmäßiger Energie.“
Insofern ist Kassandra ohnehin der Meinung, dass das Verfahren in Köln nicht vor dem Finanz-, sondern vor dem Strafgericht hätte stattfinden müssen.
Auch hierzu hatte Kassandra schon 2018 ein kleines Gedankenexperiment bereit:
„Man stelle sich nur einmal vor, was geschähe, wenn die Werbekunden von LEITERbAV mit einem Trick, Vorwand oder was auch immer ihre Rechnungen für ihre Bannerwerbung auf dieser Seite sich von LEITERbAV zwei Mal ausstellen ließen, um sich so auch die Umsatzsteuer zwei Mal erstatten lassen zu können. Probieren Sie es gerne aus, liebe Leserinnen und Leser, der Erfolg einer solchen Vorgehensweise dürfte überwältigend sein. Und wenn es dann beizeiten morgens um fünf bei Ihnen klingelt, erklären Sie den freundlichen Herren an der Tür einfach, dass es sich bei der mehrfachen Steuererstattung um eine ‚rechtliche Grauzone‘ handele. Viel Erfolg!“
Institutional Money (22. Januar): „Der Schwarze Schwan war gestern, droht jetzt gar der ‚Grüne Schwan‘?“
Die Institutional Money berichtet über eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), wonach der Klimawandel drohe, „Grüner Schwan“-Ereignisse hervorzurufen, die eine systemische Finanzkrise auslösen könnten, wenn die Regulierung gegen solche Risiken nicht rüste.
Wie dem auch sei, Kassandra stach vor allem das Ende des Artikels ins Auge. Dort zitiert das Medium aus der Einleitung des BIZ-Papiers, und zwar den Gouverneur der französischen Zentralbank, Francois Villeroy de Galhau, mit folgenden Aussagen:
“Die blanke Realität ist, dass wir alle den Kampf gegen den Klimawandel verlieren […] Wenn die Zentralbanken im Zeitalter des Klimawandels die Finanz- und Preisstabilität gewährleisten wollen, ist es in ihrem Interesse, alle Kräfte zu mobilisieren, die für den Sieg dieser Schlacht erforderlich sind.”
Zum einen fällt die militaristisch-alarmistische Sprache unangenehm auf. Wichtiger noch: Zum zweiten gewinnt man zunehmend den Eindruck, dass die Zentralbankpolitiker mit dem Klimawandel eine (angeblich oder tatsächlich) heraufziehende Katastrophe als Entschuldigung nutzen, um die Zinsen entgegen jeder ordnungspolitischer Vernunft auf unabsehbare Zeit niedrig zu halten (abgesehen davon, dass ihnen besonders in Euroland aufgrund der selbstgestellten Falle ohnehin nichts anderes übrigbleibt, nur würden sie das nie zugeben).
„Die EZB unter Mario Draghi macht vor keiner noch so absurden Maßnahme halt, um ihre Ziele zu erreichen. Vordergründig muss für die immer perverser werdende Geldflut stets irgendein ordnungspolitisches Argument herhalten, das gar nicht geldpolitikfähig sein sollte, seien es die zu hohen Zinsen für die Krisenstaaten (die sich trotz ihrer realwirtschaftlichen Malaise längst wieder zur historischen Mini-Zinsen weiter verschulden können), sei es die angeblich zu geringe Kreditvergabe der Banken (kein Wunder, dass diese mit dem kostenlosen EZB-Geld eben lieber die mit dem Draghi-Put ausgestatteten Govies der Südstaaten kaufen statt sich mit den Mühen und Risiken des Kreditwesens abzugeben), sei es die angeblich zu geringe Inflation (während in der Realität die Asset Inflation Asset-Klasse um Asset-Klasse explodieren lässt). Nein, das ist alles vorgeschoben. Draghi will auch nicht per QE der Politik (teure) Zeit kaufen, damit diese die Möglichkeit hätte, ihre Volkswirtschaften zu reformieren (was der ordnungspolitisch einzig vertretbare Sinn von QE wäre).
Des Italieners wahres Ziel ist ein ganz anders: Er will, dass in den Krisenstaaten alles weiter geht wie bisher. Er will deren marode, überdimensionierte Bankstrukturen um jeden Preis am Leben erhalten. Und er will die Politiker dort von jedem Druck zu Reformen befreien.“
DAs passt damals wie heute, und es scheint, als zögen die europäischen Notenbanker mit dem Klimawandel nun bereits das nächste „Argument“ für ihr alternativloses Weiter-so aus der Schublade.
(Am Rande: Bemerkenswert auch, wie aktuell der Off-Topic-Kommentar Kassandras zur Türkei in der oben verlinkten Presseschau von 2014 heute sechs Jahre später ist).