Passend zu dem WM-Auftakt scheint die Europäische Kommission die Gültigkeit steinalter Fußball-Weisheiten auch für das Pensionswesen bestätigen zu wollen: Wenige Wochen nach Verabschiedung der Mobilitätsrichtlinie richtet sie sich mit einem Call for Advice an EIOPA.
Die europäische Aufsichtsbehörde European Insurance and Occupational Pensions Authority hat gestern Post aus Brüssel erhalten. Während die nationalen Gesetzgeber gerade erst anfangen, sich den Kopf bezüglich der Umsetzung der Mobilitätstsrichtlinie zu zerbrechen, macht die Europäische Kommission schon den nächsten Schritt. Die Generaldirektion Binnenmarkt hat sich sich in einem Brief mit einem Konsultationsersuchen an den Chair der EIOPA, den Portugiesen Gabriel Bernardino, gewandt. Da sich die Mobilitätsrichtlinie auf den Abbau von Hemmnissen beschränkt, wünschen sich die Brüsseler nun Auskunft über die tatsächlichen Möglichkeiten in den Mitgliedsstaaten, Anwartschaften aktiv zu transferieren, sei es innerstaatlich oder grenzüberschreitend. Hintergrund ist, dass die Mobilitätsrichtlinie in ihrem Erwägungsgrund 24 hier eine Verbesserung für unverfallbare Anwartschaften anregt. In diesem Kontext fragt die Kommission auch nach den Größenordnungen des Transfers echter Pension Assets. Zeitrahmen des Ersuchens: ein Jahr.
Was heißt Wertgleichheit auf brüsllerisch?
Interessant wird zu beobachten sein, ob die Kommission sich in dieser Angelegenheit auch der Kostenfrage wird widmen müssen, in erster Linie in Sachen der Wertgleichheit – bekanntlich ein selbst auf nationaler Ebene grundsätzlich ungelöstes Problem, zumindest in Deutschland.
Eine weitere Kardinalfrage wird sein, wie die europäischen Staaten, insbesondere diejenigen unter ihnen, die über hochvolumige Pensionseinrichtungen verfügen, auf den Vorstoß reagieren werden – namentlich Großbritannien und die Niederlande. Die Perspektive eines Abflusses von Assets über Ländergrenzen hinweg dürfte dort für mäßige Begeisterung sorgen.
Auftakt zu einer neuen Materialschlacht?
Ob der CfA am Ende in ein echtes Richtlinienvorhaben münden wird, ist noch unklar. Gleichwohl könnte er der Auftakt zu einem arbeitsreichen Sommer für das bAV-Parkett werden. Schließlich muss so ein Regulierungsvorstoß von Industrie und Verbänden eng begleitet und beobachtet werden. Angesichts des Hangs europäischer Behörden zu ausgreifenden Dokumentationen und Diskussionen, bevorzugt in englischer Fachsprache und versehen mit kurzen Kommunikationsfristen, stellen sich unangenehme Déja-vus ein; es sei erinnert an den letzten CfA der Kommission an EIOPA, seinerzeit im Rahmen der Vorbereitung der neuen Pensionsfondsrichtlinie: Erst 519 Seiten Antwortentwurf der EIOPA auf den CfA, dann 439 Seiten Kommentare auf EIOPAs erstes diesbezügliches Kommentierungsersuchen, nochmal über 500 Seiten auf das zweite, schließlich im Februar 2012 der endgültige Advice mit 515 Seiten (die zwischenzeitliche Auswirkungsstudie lassen wir hier mal weg).
Wie dem auch sei, die gestalterische Energie der Brüsseler Beamten ist jedenfalls beachtlich. Europaparlament gerade erst frisch gewählt, jetzige Kommission mit Restamtszeit bis Herbst – all dies ficht die Beamten offenbar nicht an oder ließe sie gar inne halten. Ein bemerkenswertes Beispiel für die These von der Kontinuität der Verwaltung.
Unter Bezugnahme auf die Schülerszene der Tragödie erster Teil stellten die Deutschen Pensions- und Investmentnachrichten seinerzeit unter dem Titel „Ohne Gelüste an der Europa Brüste“ die Frage, ob hinter den Materialschlachten der europäischen Gremien möglicherweise eine Ermattungsstrategie stehen könnte.
Man wird sehen.