bAV über Pensionskasse, diese unterdeckt, Arbeitgeber pleite. Was dann? PSV? Obwohl doch Pensionskassen gar nicht der gesetzlichen Insolvenzsicherung unterliegen? Und weder Arbeitgeber noch Kasse je PSV-Beiträge entrichtet haben? Diese Frage, deren Beantwortung weitreichende politische Folgen haben kann, wird nun vom Bundesarbeitsgericht zu beantworten sein.
Morgen, am 26. September wird der Dritte Senat das BAG unter dem Az 3 AZR 142/16 über die Verpflichtung des beklagten PSV zur Insolvenzsicherung für eine Einstandspflicht einer bankrotten Arbeitgeberin nach Herabsetzung der Pensionskassenrente durch die Kasse urteilen. Zusätzlich geht es um die Frage des Versicherungsmissbrauchs.
Das Gericht erläutert den Fall (redigiert):
„Der 1950 geborene Kläger war nach verschiedenen Betriebsübergängen zuletzt bei der L. GmbH beschäftigt. Zum 29. November 2000 schied der Kläger aus und bezieht seit dem 30. November 2000 sowohl von der L. GmbH aufgrund einer Direktzusage als auch von der PKDW eine Rente.
Die PKDW kürzte die Betriebsrente des Klägers aus wirtschaftlichen Gründen. Das ArbG Hanau hat 2011 die L. GmbH zur Anpassung der Betriebsrente zum 1.Dezember 2003 und 1. Dezember 2009 sowie zum Ausgleich der Differenzen aus der Leistungsherabsetzung der Pensionskasse verurteilt. Über das Vermögen der L. GmbH wurde zum 1. Januar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der PSV trat für einen Teil der Rente ein. Eine Pflicht zur Insolvenzsicherung im Hinblick auf die offenstehenden Differenzbeträge wegen der Leistungsherabsetzung durch die Pensionskasse sowie den Ausgleich für die Anpassungen der Betriebsrente gemäß dem Urteil des ArbG Hanau sah er hingegen nicht.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die ausstehenden Rentenleistungen für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2011. Nach seiner Auffassung bestehe eine Insolvenzsicherungspflicht des PSV hinsichtlich der Differenzbeträge, die durch die Leistungsherabsetzung der Kasse entstanden sind. Auch habe der Beklagte für die Anpassungen nach § 16 BetrAVG einzustehen. Der PSV hingegen meint, die Einstandspflicht der Arbeitgeberin verpflichte ihn nicht: Die Arbeitgeberin habe nur eine reine Beitragszusage (im dem Sinne, dass es sich nicht um eine Direktzusage handelt; Anm. d. Red.) erteilt. Er sei von der Rechtskraftwirkung des Urteils des ArbG Hanau nicht erfasst.
Da das Urteil innerhalb der Zweijahresfrist verkündet worden sei, bestehe zudem die unwiderlegliche Vermutung des Versicherungsmissbrauchs nach § 7 Abs. 5 BetrAVG.“
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LAG Köln den PSV unter dem AZ 10 Sa 4/15 am 2. Oktober 2015 zur Zahlung der rückständigen Differenzbeträge verurteilt. Mit seiner Revision begehrt der PSV die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Vor circa einem Jahr hat die Kanzlei Förster & Cisch in der Zeitschrift Betriebsberater den Fall nach dem seinerzeitigen LAG-Urteil einer kritischen Bewertung unterzogen.
Vorläufiges Fazit von LEITERbAV: Kasse wie Arbeitgeber haben in der Vergangenheit nie PSV-Beiträge für diese bAV gezahlt. Insofern könnte man annehmen, dass das BAG der Revision stattgeben wird. Allerdings hat der Dritte Senat in der jüngeren Vergangenheit bereits mindestens zweimal – in Sachen Rückwirkung des neuen 16er und in Sachen versicherungsvertragliche Lösung – bewiesen, dass er durchaus zu überraschenden Wendungen fähig ist. Sollte er – auch wenn das nicht wahrscheinlich erscheint – die Einstandspflicht des PSV bejahen, würde sich unmittelbar die Frage an die Politik stellen, den Sachverhalt gesetzlich klarzustellen. Oder aber eine Insolvenzpflicht für Pensionskassen zu regeln.
BMAS: kein Staub
Eben die Politik (in Form der Exekutive) hält sich in dieser kritischen Frage vorsichtig bedeckt. Bereits vor gut einem Jahr (also nach dem Kölner Urteil) hatte LEITERbAV im zuständigen BMAS nachgefragt, wie es die Angelegenheit bewerte. Antwort seinerzeit: Es handele sich nach dem Dafürhalten des BMAS um eine theoretische Rechtsfrage, die bislang in der Praxis keine Rolle gespielt habe, und zu hypothetischen Sachverhalten nehme man nicht Stellung.
Konfrontiert mit dem nun vor dem BAG unmittelbar anstehenden Verfahren, erklärte das Ministerium jüngst gegenüber der Redaktion, dass es weiterhin keine Veranlassung sehe, sich zu einer offenen Rechtsfrage im Zusammenhang mit der bAV zu äußern.
Wenig Staub aufwirbeln scheint hier also die Devise des Ministeriums zu lauten. Angesichts der unschönen Perspektive, in der Phase der anstehenden Umsetzung der bAV-Reform und der damit einhergehenden operativen Komplexität möglicherweise mit einer weiteren Baustelle konfrontiert zu werden, ist das eine durchaus nachvollziehbare Strategie.