… und Kampf dem Greenwashing! Gestern Aufsicht und Nachhaltigkeit auf LEITERbAV, heute Aufsicht und Nachhaltigkeit auf LEITERbAV: Die BaFin konsultiert eine Richtlinie zu nachhaltigen Investmentvermögen; und der neue Anstalts-Chef hat sein Amt angetreten. Er dürfte sich auskennen.
Die BaFin hat gestern den Entwurf einer Richtlinie für nachhaltig ausgerichtete Investmentvermögen veröffentlicht.
Dieser Entwurf enthält Vorgaben dazu, wie Kapitalverwaltungsgesellschaften Publikums-Investmentvermögen künftig ausgestalten müssen, die sie als nachhaltig bezeichnen oder als explizit nachhaltig vertreiben. Sie können dabei zwischen drei Varianten wählen, teilt die Anstalt mit:
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Mindestinvestitionsquote
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nachhaltige Anlagestrategie
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nachhaltiger Index.
Investmentvermögen sollen künftig also nur noch mit einem Nachhaltigkeitsbezug gelabled (bspw. „ESG“, „nachhaltig/sustainable“, „grün/green“) und entsprechend vermarktet werden dürfen, wenn die Anlagebedingungen vorsehen, dass entweder eine Mindestinvestitionsquote in nachhaltige Vermögensgegenstände eingehalten, eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgt oder ein nachhaltiger Index abgebildet wird. Die Aufsicht wird, wie sie betont, die Anlagebedingungen von Investmentvermögen nur genehmigen, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Bezeichnung und Vermarktung dürfen bspw. nicht irreführend sein.
Die Branche hat nun bis zum 6. September 2021 Zeit, sich zu den Plänen der Aufsicht zu äußern.
Die Anstalt geht diesen Schritt gemäß § 4 Abs. 2 KAGB laut Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch, um Anleger vor potenziellem Greenwashing, z.B. durch zu allgemeine oder zu unverbindliche Floskeln, zu schützen. „Wo ESG draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein“, so Pötzsch, der bei der BaFin aktuell auch den Bereich Wertpapieraufsicht/Asset Management leitet.
Im Einzelnen: Die geforderte Mindestinvestitionsquote in nachhaltige Vermögensgegenstände soll bei 75 Prozent liegen. Diese Vermögensgegenstände müssen wesentlich dazu beitragen, Umwelt- oder soziale Ziele zu erreichen.
Hinzu kommen Höchstgrenzen, bspw. dürfen maximal zehn Prozent aus der Energiegewinnung oder dem sonstigen Einsatz von fossilen Brennstoffen stammen.
Alternativ zur Mindestinvestitionsquote können Fonds auch eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen, etwa in Form eines Best-in-Class-Ansatzes. Schließlich ist die Auflage eines nachhaltigen Investmentvermögens auch über die Nachbildung eines nachhaltigen Index möglich.
Die BaFin erklärt weiter, dass sie unabhängig davon die laufenden Arbeiten zum Thema Nachhaltigkeit auf nationaler und internationaler Ebene eng verfolgt und begleitet – etwa das Ampelsystem der Deutschen Sustainable Finance-Strategie oder auch die von der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO konsultierten Recommendations on Sustainability-Related Practices, Policies, Procedures and Disclosure.
Die nun konsultierte BaFin-Richtlinie ergänzt die bereits bestehenden europäischen Vorgaben. Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung regeln, welche Offenlegungspflichten KVG auf Gesellschafts- und Produktebene berücksichtigen müssen, geben aber nicht vor, wie die Anlagebedingungen eines Investmentvermögens ausgestaltet sein müssen (und werden durch diese BaFin-Richtlinie auch nicht berührt). Bei der Offenlegungs-VO wurde jüngst bekannt, dass die offizielle Verabschiedung der Technischen Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung sich um sechs weitere Monate verzögert.
Der nur erfrischende acht Seiten lange Entwurf des Rundschreibens findet sich hier.
Der neue Chef mit Erfahrung aus bewegten Jahren
Ebenfalls gestern hat der neue Chef der deutschen Finanzaufsicht sein Amt angetreten, der Schweizer britischer Herkunft Mark Branson. Der 52-Jährige übernimmt die Anstaltsleitung von Felix Hufeld (60) – und hat übrigens Bonn am Rhein als seinen Dienstsitz gewählt.
Der Mathematiker Branson kommt aus Bern, wo er als Direktor sieben Jahre lang die Schweizer Finanzaufsicht FINMA leitete, nachdem er 2010 dort eingetreten war. Seine Karriere in der Finanzbranche begann jedoch auf der anderen Seite, nämlich bei der Credit Suisse, von der 1997 zur UBS wechselte. Dort hatte er bis 2010 verschiedene Führungspositionen inne.
Ziel Weltklasse
Ambitioniert gibt Branson sich gleich zu Anfang: „Die BaFin soll eine Aufsichtsbehörde von Weltklasse werden“, zitiert die BaFin seine Zielvorgabe in einer gestrigen Mitteilung, mit der der Neue gleich mal klar macht, dass er die deutsche Aufsicht in ihrer gegenwärtigen Verfassung dort offenbar nicht sieht.
Von 1997 bis 2010 in leitenden Positionen bei der UBS? Von 1997 bis 1999 gar in deren Division Investment Banking, die damals noch unter Warburg Dillon Read geführt wurde? Bewegte Jahre, wenn LEITERbAV sich recht erinnert, nicht zuletzt bei diesem schweizerischen Bankhaus. Man kann also davon ausgehen, dass der neue BaFin-Chef in seinem Berufsleben schon einiges aus nächster Nähe gesehen hat. Das könnte ihm in seiner gegenwärtigen Aufgabe künftig von Nutzen sein. Oder gar möglicherweise – nicht zu hoffen, aber angesichts der nicht einfachen Perspektive des Weltfinanzsystems auch nicht ausgeschlossen – eines Tages gar als Déjà vu vorkommen.
Das zur heutigen Headline anregende West-Berliner Kulturstück mit dem markanten Riff findet sich hier.