Nach dem BAG-Urteil zum Mitwandern der Altersgrenze in der bAV bleiben für die Praxis viele Fragen. Manche will das Finanzministerium in einem BMF-Schreiben klären. Doch die Wirtschaft hat Bedenken.
Nach der Entscheidung des Dritten Senats des BAG (Urteil vom 15.5.2012 – 3 AZR 11/10) ist eine vor dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz entstandene Versorgungsordnung, die für den Eintritt des Versorgungsfalles auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt, regelmäßig dahingehend auszulegen, dass damit im Wege einer dynamischen Verweisung auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen wird. Dies hätte zur Konsequenz, dass eine Altersgrenze 65 regelmäßig als Altersgrenze 67 auszulegen wäre.
Der Entwurf eines den Umgang mit dieser Entscheidung erläuternden BMF-Schreibens (der online nicht verfügbar ist), ist nun auf den vehementen Widerstand der acht Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft – BDA, BDI, GDV, DIHT, ZDH, BGA, HDE und Bankenverband – gestoßen. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 10. Juni schreiben die Verbände nicht nur, dass sie den Entwurf „in der vorliegenden Form entschieden ablehnen“, sondern auch:
„Die vorgesehenen Regelungen würden der betrieblichen Altersversorgung schweren Schaden zufügen und das Ziel, die bAV zu stärken, konterkarieren.“
Außerdem würde der Entwurf den Bemühungen in einer der gegenwärtigen Grundfragen der bAV zuwider laufen:
„Seit Jahren verfolgt die Bundesregierung das Ziel, den Verbreitungsgrad der bAV zu verbessern. Dies gilt insbesondere für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Würde allerdings das vorliegende BMF-Schreiben in der derzeitigen Fassung veröffentlicht, so würde das Gegenteil erreicht.“
BAG-Urteil restriktiv statt extensiv auslegen
Konkret bemängeln die Verbände die extensive Auslegung des BAG-Urteils durch das BMF. Entsprechend fordern sie Zurückhaltung:
„Es sollten nur Aussagen für solche Fälle getroffen werden, in denen seitens des Arbeitgebers in Anknüpfung an die BAG-Entscheidung die bisherige 'feste' Altersgrenze (das vollendete 65. Lebensjahr) an die sukzessiv bis zum Alter 67 steigenden Regelaltersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst wird. Dabei ist davon auszugehen, dass der jeweilige Arbeitgeber durch eine (einseitige) klarstellende Erklärung steuerlich wirksam die bisherige Altersgrenze von '65' durch die sukzessiv ansteigende Grenze ersetzen kann.“
Betonung liegt auf kann, denn befürchtet wird neue Bürokratie für diejenigen Unternehmen, die darauf verzichten wollen, zu ihren Gunsten die Zusagen anzupassen (und demzufolge ihre Versorgungsordnungen anfassen müssten):
„Deutlich zu machen wäre aber auch, dass es steuerlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht.“
„Einvernehmlichkeit“ – das neue Zauberwort der modernen Regulierung?
Nachdem auf europäischer Ebene schon im Trilog der mittlerweile verabschiedeten Mobilitätsrichtlinie Ende 2013 überraschend aufgenommen wurde, dass Abfindungen von Kleinstanwartschaften nur noch „einvernehmlich“ mit dem Arbeitnehmer erfolgen dürfen, scheint eine derartige Konsensorientierung mittlerweile auch auf nationaler Regulierungsebene zum Standard zu werden – so zumindest auch im nun kritisierten BMF-Entwurf zur Regelaltersgrenze: Denn eben zur eindeutigen Bestimmbarkeit des Pensionsalters und der jeweiligen Rentenhöhe soll eine einvernehmliche schriftliche Anpassung der betroffenen Versorgungszusage erforderlich werden – und dass, obwohl es doch eigentlich Sache des Arbeitgebers ist, zu entscheiden, wann der Auslegung des BAG zur Altersgrenze gefolgt werden soll. Entsprechend hat auch das das BAG für den Fall einer dynamischen Verweisung auf das jeweilige gesetzliche Renteneintrittsalter keine einvernehmliche Änderung verlangt. Im unternehmerischen Alltag stieße eine solche Notwendigkeit wohl auf unüberwindbare Hürden. Die Stellungnahme der acht dazu:
„Ein Erfordernis der 'Einvernehmlichkeit' würde in der Praxis eine unternehmensweite Altersanpassung faktisch vielfach unmöglich machen, da nicht damit zu rechnen ist, dass alle Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmervertretung ihre Zustimmung erteilen.“
Fazit der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zum BMF-Entwurf:
„Fehlinterpretation der BAG-Entscheidung.“